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@grar.de Aktuell - 16.11.2001

Nachbau: Bundesgerichtshof weist Auskunftsanspruch der Pflanzenzüchter zurück


Karlsruhe (agrar.de) - Als einen 'tollen Erfolg für die selbstbewusste und
beharrliche Selbsthilfe der Bauern und Bäuerinnen' haben die Bundesvorsitzenden
der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)die Entscheidung
des Bundesgerichtshofes (BGH) vom Dienstag (13.11) bezeichnet.

Mit seinem Urteil hat der X. Zivilsenat des BGH die Klage der sog.
Saatgut-Treuhand-Gesellschaft GmbH der deutschen Pflanzenzüchter gegen einen
Bauern aus dem niedersächsischen Landkreis Soltau-Fallingbostel entgültig
zurückgewiesen, der Mitglied der Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugesetze
und Nachbaugebühren ist. (BGH-Urteil v. 13.11.2001 – X ZR 134/00. vgl.
BGH-Pressemitteilung 81/2001)

'Das Urteil belohnt die jahrelange Arbeit der bundesweiten 'Interessengemeinschaft
gegen die Nachbaugesetze und Nachbaugebühren’, die wir vor drei Jahren ins Leben
gerufen haben und deren Geschäftsführung vom AbL-Bundesgeschäftsführer Georg
Janßen ausgeführt wird', freuten sich die Bundesvorsitzenden der AbL, Maria
Heubuch und Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf in einer ersten Stellungnahme.

Es zeige sich, dass es richtig ist, den Kopf nicht vor den mächtigen Interessen
der Agrarwirtschaft einzuziehen, sondern selbstbewusst für bäuerliche Interessen
einzustehen, notfalls auch vor Gericht, so die AbL.

Die Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugesetze und Nachbaugebühren
kritisiert, dass Ihre Mitglieder vom Deutschen Bauernverband (DBV) in diesem
Streit 'im Stich gelassen wurden'. Der DBV habe nichts gegen die Ausforschung
unternommen, er habe vielmehr in enger Zusammenarbeit mit der Spitze der
Pflanzenzüchter die Ausforschung 'ausgehandelt und abgesegnet', die
Interessengemeinschaft diffamiert und deren Mitglieder aus dem Verband
ausgeschlossen. Das Karlruher Urteil sei ein Auftrag an die Politik, das nationale
Saatgut-Nachbaugesetz grundlegend zu überarbeiten und gemeinsam mit allen
Beteiligten zu einer vernünftigen Lösung zu kommen.

Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) merkt an, dass sich aus
dem Urteil das Problem ergibt, einem Landwirt zunächst nachweisen zu müssen, dass
er von der Nachbaumöglichkeit Gebrauch gemacht hat, um erst dann Anspruch auf
Auskunft über den Umfang des Nachbaus zu erhalten. Hiernach müssten Nachweise über
das Anbauverhalten jedes einzelnen Landwirts erbracht werden, was sich bei weitem
dem Kenntnisstand und den rechtlichen Möglichkeiten der Züchter entziehe.

Insoweit konzentriere sich das Urteil des BGH auf die Kernaussage, dass der
Rechtsanspruch auf Zahlung einer Nachbaugebühr unbestritten sei, die Züchter
insoweit ein Recht auf diese Gebühr haben, ihnen die Durchsetzung aber erheblich
erschwert bis gänzlich unmöglich gemacht werde. Damit würde der Rechtsanspruch zu
einer leeren Hülse werden.

'Die Landwirtschaft wäre schlecht beraten, dieses Urteil mit überschwänglicher
Freude aufzunehmen, denn ohne die Vergütung auf Nachbau ist der
Züchtungsfortschritt nicht aufrecht zu erhalten', sagte Dr. Ferdinand Schmitz,
Geschäftsführer des BDP. Betroffen wären insbesondere Getreide, Kartoffeln und
Leguminosen.

Der BDP betont, dass die Vergütung des Nachbaus international gemäß
UPOV-Konvention von 1991, vom europäischen und nationalen Gesetzgeber aus diesem
Grund gewollt war. Der Rechtsanspruch auf eine Nachbaugebühr zur Vergütung des
züchterisch-technischen Fortschritts sei ausdrücklich befürwortet worden.

Es werde nicht mit dem Sortenschutzgesetz in Übereinstimmung zu bringen sein, dass
der Rechtsanspruch der Züchter auf die Nachbaugebühr ausschließlich vom guten
Willen auskunftsbereiter Landwirte abhänge. Dies könne allein im Sinne der
Gleichbehandlung aller Landwirte nicht hingenommen werden. Der BDP begrüßt den
seinerzeit von der Politik initiierten Runden Tisch zwischen Züchtern und
Landwirten, um die weitere Entwicklung einvernehmlich zu gestalten.

Der Bayerische Bauernverband (BBV) stellt zum Urteil des
Bundesgerichtshofs fest, dass die Nachbauregelung gegen seinen Widerstand von der
Politik ausgehend vom Internationalen Übereinkommen zum Schutz von
Pflanzenzüchtungen auf EU- und Bundesebene beschlossen wurde. Zwar stehe das
Urteil des Europäischen Gerichtshofs in gleicher Sache noch aus, dennoch fordert
der Bauernverband angesichts der bislang gemachten Erfahrungen, dass die Politik
den gesamten rechtlichen Rahmen auf den Prüfstand stellt. Vorstöße in diese
Richtung über den Vorsitzenden des Agrarausschusses des Europa-Parlaments,
Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, seien von diesem bislang leider nicht
aufgegriffen worden.

Der Bauernverband weist mit aller Entschiedenheit den Vorwurf der
'Interessengemeinschaft gegen Nachbaugesetze und Nachbaugebühren' als unwahr
zurück, er habe mit den Züchtern die Ausforschung der Landwirte ausgehandelt und
abgesegnet. Wahr sei vielmehr, dass er mit den Züchtern ein auf freiwilliger Basis
beruhendes Kooperationsabkommen mit dem Ziel vereinbart habe, die Kosten der
Nachbauregelung zu senken und gleichzeitig den allen zugute kommenden
züchterischen Fortschritt in Form ertragreicher und gesunder Sorten zu fördern.
Immerhin sei es auf diesem Weg gelungen, die durchschnittliche Belastung auf
33 Prozent zu drücken und es haben sich rund 95 Prozent der Landwirte daran
beteiligt. Sollte dies die Mehrheit der Landwirte jetzt anders sehen, müsste auch
über die Zukunft des Kooperationsabkommens nachgedacht werden.

Die vom Bundesgerichtshof für nationale Sorten verneinte allgemeine
Auskunftspflicht betreffe dagegen das gesetzliche Verfahren. Auch in diesem
Zusammenhang habe der Bauernverband zu keiner Zeit Empfehlungen zur
Auskunftserteilung ausgesprochen. Vielmehr habe er konkret im Zusammenhang mit
Klagen am Landgericht München I die Rechtslage dargelegt und vor diesem
Hintergrund Optionen für den Landwirt aufgezeigt, anhand derer er sich unter
Abwägung seiner spezifischen Lage entscheiden konnte. Darüber hinaus hatte
Präsident Sonnleitner die Saatgut-Treuhandsverwaltungs GmbH bis zum Abschluss des
gerichtlichen Verfahrens zu einem Moratorium aufgefordert. Dem ist diese nicht
nachgekommen. Deshalb habe sie jetzt auch die verfahrene Situation zu
verantworten.

Links zum Thema Sortenschutz und Nachbau.

 


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