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@grar.de Aktuell - 05.11.2004

Landfrauen-Verband kritisiert mangelhafte Agrarstatistik

Unzureichende statistische Datenerhebung und überholte Rollenmuster unterschlagen Arbeitsleistung der Frauen auf den Höfen - Das Gesicht der Innovation im ländlichen Raum ist weiblich


Berlin (agrar.de) - Nun haben wir LandFrauen es amtlich: 'Agrarstatistik weist
LandFrauen eine Nebenrolle zu' (Agra-Europe 44/2004). Diese Aussage stützt sich
auf den Artikel von Hannelore Pöschl (Statistisches Bundesamt, Wiesbaden)
'Frauen in der Landwirtschaft – Ein nachrangiges Thema in den Agrarstatistiken'.
Der Untertitel des Beitrags macht das eigentliche Problem deutlich: Der
Arbeitseinsatz von Frauen in der Landwirtschaft wird von der Agrarstatistik
nicht angemessen erfasst.

Damit wird die Absicht der Autorin deutlich, mit ihrem Beitrag die Schwächen der
amtlichen Agrarstatistik, in der geschlechtsspezifische Daten nur im Rahmen von
Arbeitskräfteerhebungen in größeren Abständen erhoben werden, herauszuarbeiten.
Das Engagement von Frauen für die Entwicklung der ländlichen Räume wird in dem
Artikel durchaus hervorgehoben und die Schlussfolgerung gezogen: 'Die
statistische Erfassung derartiger Aktivitäten steckt noch in den Kinderschuhen.'
Die statistischen Methoden hinken nach Ansicht des Deutschen
LandFrauen-Verbandes (dlv) der Veränderung der Lebens- und
Arbeitswirklichkeit von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben hinterher.

Es liegen aktuelle Studien vor, die deutlich machen, welche wichtige
wirtschaftliche Bedeutung die Frauen auf den Höfen einnehmen. Die
niedersächsische Studie 'Frauen sind ein Gewinn' von Ines Fahning (Agrarsoziale
Gesellschaft, Göttingen 2001) zeigt auf, dass Frauen auf Haupterwerbsbetrieben
63 Wochenstunden arbeiten. Die Arbeitszeit von Frauen verteilt sich auf
vielfältige Aufgabengebiete, während Männer 90 Prozent ihrer Arbeitszeit auf
landwirtschaftliche Tätigkeiten, die in die amtliche Statistik eingehen,
konzentrieren. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass trotz der Tatsache, dass
unbezahlte reproduktive Arbeiten in Haushalt, Familie und Hof vorwiegend von
Frauen geleistet wird, Frauen 33 Prozent des Gesamteinkommens
landwirtschaftlicher Betriebsleiterpaare erwirtschaften. Die Rheinische
LandFrauenvereinigung und die Landwirtschaftskammer Rheinland haben 2003 eine
Studie über die Bedeutung von Einkommenskombinationen vorgelegt. Im Rheinland
betreiben 33 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe eine
Einkommenskombination, die meist von den Frauen auf den Höfen aufgebaut werden.
Für 19 Prozent dieser Betriebe ist die Einkommenskombination die
Haupteinkommensquelle der Familie, für weitere 26 Prozent ein wesentliches
Standbein ihrer wirtschaftlichen Existenz. Diese Zahlen zeichnen ein anderes
Bild von der Rolle der Frauen in der deutschen Landwirtschaft als die amtliche
Statistik.

In der deutschen Landwirtschaft sind traditionelle Rollenmuster der Geschlechter
immer noch wirksam: Hannelore Pöschl zeigt auf, dass Betriebsleiterinnen zu 61
Prozent im Haushalt arbeiten, während das nur 17 Prozent der männlichen
Betriebsleiter tun. Die wenigen Frauen, die einen landwirtschaftlichen Betrieb
leiten, sind also noch zusätzlich durch Arbeiten im Haushalt belastet. Weiterhin
wird der wirtschaftliche Wert unbezahlter Arbeit in Haushalt, Familie und Hof
statistisch nicht erfasst und gesellschaftlich nicht als ernst zu nehmender
Wirtschaftsfaktor anerkannt. Das Bundesverfassungsgericht ist da schon weiter:
In ihrem Urteil vom 09.12.2003 stellen die Verfassungsrichterinnen und
Verfassungsrichter fest, dass der landwirtschaftliche Haushalt in einem engen
Verhältnis zum Betrieb steht und in der Arbeitspraxis auf den Höfen nicht von
diesem zu trennen ist. Die Studie von Ruth Rossier (Eidgenössische
Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik, Tänikon/Schweiz 2003)
'Rollenmodelle in der Landwirtschaft: Flexibilität in der Rollenverteilung
verbessert Zukunftsperspektive des bäuerlichen Familienbetriebs' macht deutlich,
dass die Überwindung traditioneller Rollenmuster die Innovationsfähigkeit und
den wirtschaftlichen Erfolg von Familienbetrieben in der Landwirtschaft
entscheidend erhöht. Und immer wieder sind es die Frauen auf den Höfen, die nach
vorn blicken und neue Betriebszweige entwickeln.

Vielfach sind es die Frauen selbst, die ihre Arbeitsleistung durch falsche
Bescheidenheit herunterspielen. Diese Zeiten sollten vorbei sein, denn das
Gesicht der Innovation im ländlichen Raum ist weiblich. Die amtliche Statistik
muss dem endlich Rechnung tragen.

Links zum Thema Landfrauen,
Links zum Thema Verbände.


 


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