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@grar.de Aktuell - 06.10.2004

Sonnleitner: Tierschutz ist unteilbar und ganzheitlich

Möllers: Fünf vor Zwölf bei Nutztierhaltungs-Verordnungen


Berlin (agrar.de) - Wer den Tierschutz ernsthaft voranbringen will, muss die
Tierschutzkriterien für die Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren immer
EU-weit einheitlich gestalten und sie auch bei den WTO-Verhandlungen verankern.
Dies erklärten der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd
Sonnleitner, und der Präsident des Westfälisch-Lippischen
Landwirtschaftsverbandes (WLV), Franz- Josef Möllers, der in den
DBV-Gremien die Veredlung und Tierhaltung vertritt, auf einer Pressekonferenz in
Berlin anlässlich des DBV- Perspektivforums 'Tierschutz in der Landwirtschaft -
Status quo und Perspektiven'. Im Hinblick auf die Agrarministerkonferenz von
Bund und Ländern (7.10.2004) forderte Sonnleitner nachdrückliche politische
Entscheidungen zur Schweinehaltungs- und Legehennenhaltungs-Verordnung, die
Tierschutz und Ökonomie vereinbarten. Die deutschen Bauern und der Bauernverband
ständen für hohe Tierschutz-Standards und für eine moderne, leistungsfähige
Tierhaltung. 'Tierschutz ist ganzheitlich zu betrachten und unteilbar, weshalb
gleiche Anforderungen auch für Importe der tierischen Produkte gelten müsse',
betonte Sonnleitner.

Landwirtschaftliche Tierhaltung werde in Deutschland nach der Zielsetzung eines
nachhaltigen Wirtschaftens ausgerichtet. Jede Investition im Stall sei bestimmt
von Innovationen für den Tierschutz. Dies werde in der Öffentlichkeit jedoch
vielfach verkannt. 'Wer 365 Tage faktisch rund um die Uhr für seine Tiere lebt
und arbeitet und dafür bestens ausgebildet wurde, der ist tief getroffen und
total verunsichert, wenn ihm öffentlich vorgeworfen wird, er würde Tierschutz
nicht ernst nehmen oder gar dagegen verstoßen', gab Sonnleitner das
Stimmungsbild der tierhaltenden Landwirte wieder. Die politischen Vorstellungen
von nationalen Alleingängen im Tierschutz würden dabei den Bauern die
ökonomische Grundlage für eine Tierhaltung in Deutschland nehmen. Immerhin
bestreiten zwei von drei Landwirten den größten Teil ihres Einkommens aus der
Tierhaltung, dies sind mehr als 50 Prozent des Gesamteinkommens der deutschen
Landwirtschaft.

Allein die Umsetzung des Vorschlages der Bundesregierung zur
Schweinehaltungs-Verordnung würde die stallbedingten Kosten in der
Schweinehaltung um bis zu 15 Prozent erhöhen. Die vorgesehene nationale
Verschärfung der EU-Vorgaben würde die Investitions- und Produktionskosten
gerade für kleine und mittlere Betriebe marktentscheidend erhöhen, so dass
angesichts der liberalisierten Marktbedingungen und des weltweit zunehmenden
Wettbewerbs in der Schweinefleischerzeugung viele Betriebe die erforderlichen
Umrüstungen nicht mehr finanzieren könnten. Die Folge wäre beschleunigter
Strukturwandel in den tierhaltenden Betrieben und Arbeitsplatzverluste auch in
vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen. Sonnleitner und Möllers werteten
den Bundesratsvorschlag vom November vergangenen Jahres zur
Schweinehaltungs-Verordnung als einen 'akzeptablen Kompromiss, der die
Anforderungen an den Tierschutz und an die aktuelle Wettbewerbssituation'
berücksichtige.

Auch das Beispiel der Haltung von Legehennen verdeutliche dramatisch die Folgen
nationaler Verschärfungen beim Tierschutz. Der vorgesehene Ausstieg aus der
Käfighaltung sechs Jahre früher als in den anderen EU-Ländern und die nur
vorübergehend vorgesehene Nutzung von so genannten Kleinvolieren hätten nach
allen Einschätzungen von Markt¬experten eine Wettbewerbsbenachteiligung der
deutschen Eiererzeuger und Produktionsverlagerung ins Ausland zur Folge. Dem
Tierschutz sei damit nicht gedient, da dort vielfach geringere Anforderungen an
den Tierschutz gestellt würden. Nach Marktprognosen werde sich der Marktanteil
von derzeit 76 Prozent am inländischen Eiermarkt halbieren. Durch die
ideologisch geprägte politische Diskussion werde bereits heute festgestellt, so
Sonnleitner, dass infolge der Verunsicherung in der Praxis und fehlender
Planungssicherheit Investitionen in der heimischen Legehennenhaltung zum
Erliegen gekommen seien, während in Osteuropa zahlreiche Großanlagen neu geplant
und gebaut würden. In der Tschechischen Republik zum Beispiel werde an der
Grenze zu Deutschland eine Großanlage mit rund 1,5 Millionen Legehennen und den
ab 2006 in Deutschland verbotenen Käfigen gebaut, um die deutschen Verbraucher
mit billigen Käfigeiern zu versorgen. Auch der ruinöse Preiskampf im
Lebensmitteleinzelhandel vor allem bei den Discountern und die Bevorzugung der
Verbraucher von Billigprodukten zerstörten jeden Ansatz eines weiter
entwickelten Tierschutzes.

Im Hinblick auf die Entscheidung der Agrarministerkonferenz in Burg Warberg
erklärte Sonnleitner, dass der DBV gemeinsam mit der Geflügelwirtschaft die
Praxis von Kleinvolieren weiterentwickelt und damit deutlich gemacht habe, dass
sich die Bauern in der Entwicklung neuer Haltungssysteme für Tiere sehr
engagieren. Die Zielsetzung sei eine tierschutzgerechte Haltung der Legehennen,
die Minimierung des Infektions- und Krankheitsdrucks der Tiere sowie die
Erhaltung von Marktanteilen in stetig offeneren und globalisierteren
Nahrungsmittelmärkten. Nur mit den Kleinvolieren bestehe die Möglichkeit, die
Eierproduktion in Deutschland zu halten und Tausende von Arbeitsplätze nicht in
Länder mit niedrigen Tierschutzstandards abwandern zu lassen. 'Wir appellieren
an Bundesministerin Renate Künast, ihren ideologischen Widerstand im Hinblick
auf die Kleinvolieren aufzugeben und den Dialog über die endgültige
Ausgestaltung wieder aufzunehmen', forderten Sonnleitner und Möllers vor der
morgigen Agrarratssitzung.

Möllers, selbst Schweinemäster im westfälischen Riesenbeck, sieht die
tierhaltenden Landwirte vor sehr weittragenden politischen Entscheidungen.
Würden die Haltungsverordnungen weiterhin nur unter 'populistischen und
ideologischen Vorgaben ohne ökonomische Folgenabschätzung' getroffen, wäre der
Rückgang der Tierhaltung in Deutschland nicht aufzuhalten, würden Marktanteile
wegbrechen. Damit würden auch Investitionen vor allem auch im Hinblick auf
Fortschritte beim Tierschutz unterbleiben. 'Das unternehmerische Kalkül für
Investitionen und Innovationen muss erhalten bleiben und nicht durch Gesetze
jenseits der Marktrealität erstickt werden', erklärte Möllers. Ökonomie und
Tierschutz sei kein Gegensatz, sondern werde nur in der öffentlichen Diskussion
und in politischen Entscheidungen als solcher betrachtet. Die Landwirte hätten
in den vergangenen Jahren trotz offener Märkte sich durchgesetzt und angesichts
Qualität, Transparenz und Tierschutz Spitzenstellungen erkämpft und damit
bewiesen, dass Tierschutz und Wirtschaftlichkeit vereinbar seien.

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