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@grar.de Aktuell - 23.07.2004

Medienkritik: Peinliche Seifenopern vom 'Bauernhof'

Reality-Shows von Privaten Fernsehsendern vermitteln falsches Bild der Landwirtschaft


Berlin (agrar.de) - Hauptsache die Quote stimmt: Der Wettstreit zwischen den
Fernsehsendern um so genannte Reality-Shows ist im vollen Gang. Nach 'Big
Brother' und 'Dschungelcamp' ist nun das 'einfache' arbeitsame Leben auf dem
Land bei den werbefinanzierten privaten Fernsehsendern groß im Rennen: Städter
werden auf Bauernhöfe versetzt und sollen vor den Augen der Zuschauer die
Herausforderungen des Alltags im Stall und auf dem Acker bewältigen. Pro Sieben
ließ in 'Simple Life' die 'Reichen und Schönen' auf die Schweine und Rinder los.
Wenige Wochen später durften zwei völlig unterschiedliche Großstadtfamilien in
Kabel 1 'Bauer spielen'. Und nun geht es um die Alm: das historische Leben auf
der Alm wie vor einhundert Jahren ohne Strom, Deo, Handy ist momentan bei Pro
Sieben angesagt. Mit welchen Klischees, Banalitäten und Vorurteilen die privaten
Fernsehsender dabei das Thema 'leben und arbeiten auf dem Land' aufgreifen, ist
haarsträubend und nervend, urteilt der Deutsche Bauernverband (DBV).

Reality-Shows müssen nicht zwingend auf solch tiefem Niveau absinken, wie von
den Privatsendern vorgeführt. Das hat zumindest die ARD mit der höchst
erfolgreichen Serie 'Schwarzwaldhaus' bewiesen. Hier wurde der harte
Bauernalltag um 1900 objektiv und gut recherchiert ebenfalls von einer
Stadtfamilie dargestellt. Ganz anders die neuerlichen Seifenopern der privaten
Fernsehsender, übrigens nicht nur in Deutschland: Streitereien, Lästereien,
zwischenmenschliche Konflikte und Erotik stehen im Mittelpunkt. Die
Landwirtschaft als Ort des Geschehens wird absolut lächerlich und surreal
dargestellt. Der Gesellschaft wird ein völlig falsches Bild der Landwirtschaft
vorgegaukelt, das sich bei jungen Menschen als Realbild einprägt. Es entsteht
der Eindruck, dass Landwirt ein einfacher, idyllischer Beruf sei, den jeder ohne
Ausbildung und ohne Wissen ausführen kann.

Es ist verwerflich, wenn die Fernsehmacher bewusst ein derart verzerrtes, gar
beleidigendes Bild über eine Berufs- und Gesellschaftsgruppe vermitteln.
Landwirt zu sein hat nichts mit Glamour zu tun, und ist erst recht nicht
lächerlich. Das Berufsbild des Landwirts ist in Wirklichkeit von High-tech und
hohen Ansprüchen an Unternehmereigenschaften, Tier- und Umweltschutz sowie
Lebensmittelsicherheit geprägt. Landwirte entsprechen nicht einem Klischee von
'Mistgabel und Gummistiefel'. Stattdessen sind sie Profis, die schonend mit den
natürlichen Ressourcen Boden, Wasser, Luft und verantwortungsbewusst mit Tieren
umgehen. Die Führung der landwirtschaftlichen Unternehmen setzt höchste
Managementqualitäten der Betriebsleiter voraus, die in einer fundierten
Berufsausbildung vermittelt wird.

Als ausgesprochen unpassend bewertet nicht nur der DBV das Engagement des
Allgäuer Milchverarbeiters Ehrmann AG als Hauptsponsor 'Der Alm'. Es ist nicht
zuletzt den Landwirten gegenüber moralisch fragwürdig, dass Ehrmann in eine
solche Serie investiert. Wem soll es nutzen, wenn junge Menschen, die
Verbraucher der Zukunft, Milchprodukte mit 'ausgemusterten Boxern, Pornostars
oder Casting-Show-Teilnehmern', so die Süddeutsche Zeitung, verbinden? Für sie
ist es fraglich, ob Verbraucher mehr Milchprodukte von Ehrmann konsumieren
werden, wenn sie mit dieser Marke 'verhaltensauffällige Exhibitionisten
assoziieren, die sich zwei Wochen lang auf einem von Kameras überwachten
Bauernhof drangsalieren lassen und als Depp des Tages am Kuh-Euter lutschen'.
Die Berliner Morgenpost empfindet es dabei als traurig, dass sich über drei
Millionen Menschen eine Sendung, die sich im Niveau auf Kuhfladen-Höhe
gesteigert habe, freiwillig anschauen.

Man kann daher nur hoffen, dass die Sendungen bald als so bedeutungslos
eingestuft werden, dass ihre oberflächlichen und fragwürdigen Darstellungen
schnell wieder vergessen sind. Womöglich sind die Nacktaufnahmen eines
'Alm-Luders' in der die Serie kommentierenden Bild-Zeitung länger in der
Erinnerung.

Links zum Thema Verbände.


 


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