Aktuelle Meldungen  -  Nachricht suchen  -   kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

@grar.de Aktuell - 01.04.2004

500 Milcherzeuger demonstrieren im nordhessischen Edermünde gegen die aggressive Preispolitik von Lidl


Edermünde (agrar.de) - ´'Unsere Milchviehbetriebe befinden sich in einer
extremen Notlage, ihnen steht das Wasser bis zum Hals. Sie kämpfen ums
Überleben.' Mit diesen Worten beschrieb der Präsident des Hessischen
Bauernverbandes (HBV), Heinz Christian Bär, heute im nordhessischen
Edermünde die katastrophale Situation der Milcherzeuger.

Rund 500 hessische Landwirte unterstützt durch einige Kollegen aus
Süd-Niedersachsen hatten heute Vormittag mit 100 Schleppern und Milchkühen vor
dem Lidl-Auslieferungslager demonstriert, um ihren Unmut über die aggressive,
wertevernichtende Preisdruckpolitik von Lidl kundzutun. Präsident Bär betonte,
dass sich die Milchpreise seit 2001 im Sturzflug befänden und derzeit mit einem
durchschnittlichen Auszahlungspreis von 27,7 Cent/kg Milch auf einem nicht
kostendeckenenden Niveau angelangt seien. In den letzten drei Jahren hätten die
5.150 hessischen Milcherzeuger somit einen Gesamtverlust von rund 43 Millionen
Euro hinnehmen müssen.

Discounter steigern Gewinne auf Kosten der Vorlieferanten

Da der Lebensmitteleinzelhandel, allen voran die Discounter mit Lidl an der
Spitze der Bewegung, ihre aggressive, wertevernichtende Preisdruckpolitik weiter
fortsetzten, drohten den Milcherzeugern im laufenden Jahr weitere
Einkommensverluste. 'Das bringt unsere Bauern auf die Barrikaden und gefährdet
sie in ihrer Existenz', kritisierte der Bauernverbandspräsident. Die Discounter
steigerten von Jahr zu Jahr ihre Umsätze und Gewinne auf Kosten ihrer
Vorlieferanten, beispielsweise der Molkereien. Diese würden regelrecht erpresst
und gegeneinander ausgespielt. Hierbei tue sich Lidl besonders hervor und
unterbiete sogar die Preisabschlüsse von Aldi. Hinzu komme eine schlechte
Zahlungsmoral gegenüber den Molkereien. Die Leidtragenden seien schließlich die
Landwirte als schwächstes Glied in der Kette. So dürfe es nicht weitergehen,
denn diese Entwicklung führe die Betriebe in den Ruin.

Resolution überreicht

Präsident Bär überreichte dem Leiter des Lidl-Logistikzentrums, Frank
Scheithauer, eine Resolution, in der Lidl aufgefordert wird, die brutale
Preisdruckpolitik gegenüber den Molkereien in den jetzt anstehenden
Listungsgesprächen unverzüglich zu beenden, das Verramschen hochwertiger Milch-
und Milchprodukte zu Dumpingpreisen zu unterlassen und eine faire Partnerschaft
mit den Molkereien, die faire, kostendeckende Preise für Milcherzeuger
ermöglicht, herzustellen. Scheithauer zeigte Verständnis für die schwierige
Situation der Landwirte und sicherte zu, die Resolution an die Geschäftsführung
seines Unternehmens weiterzuleiten. Er könne sich im übrigen vorstellen, die
Verbraucherpreise für Milch zu erhöhen. Dies würde auch seinem Unternehmen
Vorteile bringen. Angesichts der Übermacht des Hauptkonkurrenten Aldi, der die
Preisführerschaft inne habe und den Markt klar beherrsche, sei diese Vorstellung
jedoch nicht umsetzbar.

Junglandwirt Walter Müller, Stellvertretender Vorsitzender der Hessischen
Landjugend, sagte, die Politik des Preisdrucks gefährde den gesamten ländlichen
Raum. Ganze Landstriche, auch die Grünlandregionen hier in Nordhessen drohten
aus der Produktion zu fallen. Dies habe fatale Folgen für die
Sauerstoffproduktion, die Grundwasserneubildung und das Klima. Es sei unsinnig
zu glauben, dass man in Deutschland heute im Zeitalter der Globalisierung
gänzlich auf die heimische landwirtschaftliche Primärproduktion verzichten
könne. Die Schmerzgrenze sei eindeutig überschritten.

Junglandwirt gibt Kühe ab

'Unter den derzeitigen Bedingungen lohnt es sich für mich als Junglandwirt und
Milchbauer nicht, meine Kühe noch weiter zu melken, da ich jeden Tag drauflege.
Aus diesem Grund habe ich mich schweren Herzens dazu entschlossen, drei meiner
Kühe abzugeben und fordere Lidl auf, bei diesem Dumpingpreis meine Kühe selbst
zu melken', so der Junglandwirt aus Hofgeismar.

'Im Schwalm-Eder-Kreis wird in fast 500 Betrieben Milchvieh gehalten. Die Bauern
produzieren mit über 12.000 Milchkühen 70 Millionen kg Milch mit einem
Produktionswert von mehr als 25 Millionen Euro', betonte Adolf Lux, Vorsitzender
des Kreisbauernverbandes Schwalm-Eder. Im Kreisgebiet würden rund 16.000 ha
Gründland von Rindern genutzt und gleichzeitig kostenlos durch die Landwirte
gepflegt. Sollte aufgrund der dramatischen Erzeugerpreiseinbrüche eine rentable
Bewirtschaftung dieser Flächen künftig nicht mehr möglich sein, müssten allein
für die Erhaltung des jetzigen Landschaftsbildes über 6 Millionen Euro jährlich
von der Bevölkerung des Schwalm-Eder-Kreises aufgebracht werden.

Links zum Thema Verbände.

 


zurück zur Übersicht  zum Seitenbeginn   

zur @grar.de Homepage

    
 

© Copyright 1997-2007 @grar.de, Rheine, http://www.agrar.de