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@grar.de Aktuell - 18.03.2004

Biologische Bundesanstalt warnt vor großen Waldschäden


Braunschweig (agrar.de) - 2003 war klimatisch ein außergewöhnliches Jahr. Viele
Insekten reagierten auf die sehr trocken-warmen Bedingungen mit sehr hohen
Vermehrungsraten, während die Bäume einer extremen Stresssituation ausgesetzt
waren. Erhebungen der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft
(BBA) zeigen es deutlich: In vielen Bundesländern vermehrten sich
Borkenkäfer ab Juli explosionsartig, aber auch bei verschiedenen
Schadschmetterlingen zeichnen sich Massenvermehrungen ab. Drohen jetzt
dramatische Waldschäden?

Während sich viele Insekten bei Wärme und Trockenheit gut entwickeln, werden
Waldbäume durch längere Trockenheit nachhaltig geschädigt - sie benötigen eine
gute Wasserversorgung, um gesund und vital zu bleiben. Im vergangenen Jahr kam
es nach den bei der Biologischen Bundesanstalt vorhandenen Erkenntnissen dazu,
dass sich einige Forstschädlinge trotz niedriger Ausgangspopulation ungewöhnlich
stark vermehren konnten. Treffen diese Schädlingsmassen auf bereits
vorgeschädigte Bäume, sind außergewöhnliche Waldschäden zu befürchten.

Borkenkäfer

Besonders gute Entwicklungsbedingungen fanden 2003 die Borkenkäfer. Die jetzige
Ausgangssituation lässt für diesen Sommer Schlimmes erwarten. Einige
Bundesländern wie z.B. Thüringen befürchten die größte Massenvermehrung seit
mehr als 50 Jahren. Neu und besorgniserregend war, das unter den Borkenkäfern
der Kupferstecher (Pityogens chalcographus) besonders aggressiv auftrat. Der
sonst mit anderen Insekten auftretende kleine Käfer brachte 2003 bis dahin
gesunde Altfichten zum Absterben. Solche Bäume sind dann auch für den
Buchdrucker (Ips typographus), den bekanntesten und gefürchtetsten Borkenkäfer,
ein gefundenes Fressen und Ausgangspunkt für explosionsartige Vermehrungen.

Dazu Prof. Dr. Alfred Wulf vom Institut für Pflanzenschutz im Forst der BBA:
'Fichten wachsen meist als Flachwurzler. Viele Bäume waren durch die anhaltende
Trockenheit nicht in der Lage, ihre Lebensfunktionen aufrecht zu erhalten. Zudem
konnte kaum Harz gebildet werden, d.h. die sonst wirksame Abwehr gegen den
Borkenkäfer war zusammengebrochen. So erklärt sich auch, dass viele Bäume
bereits bei sehr geringem Käferbefall abgestorben sind.'

Für dieses Jahr erwarten die Experten der BBA, ebenso wie die meisten
Fachkollegen aus den Bundesländern, dass die Fichte durch Borkenkäfer extrem
gefährdet ist. Lokal sind sogar Borkenkäferschäden an Lärche, Douglasie und
Buche zu befürchten, also an Baumarten, die sonst kaum unter diesen Schädlingen
zu leiden haben.

Alte Bekannte

Aus dem Kreis der Forstschädlinge haben sich auch 'alte Bekannte'
zurückgemeldet. So vermehrten sich Schwammspinner (Lymantria dispar) und
Frostspanner (Operophthera brumata) deutlich. Die Experten gehen davon aus, dass
auch Laubwälder - vor allem die Eiche - stark befressen werden.

Ein besonders wärmeliebendes Insekt ist der Eichenprozessionsspinner
(Thaumetopoea processionea). Er hat sich 2003 in einigen Regionen
Sachsen-Anhalts, Bayerns, Brandenburgs, Hessens und Nordrhein-Westfalens stark
vermehrt. Nach aktuellen Schätzungen werden die Raupen dieses Schädlings in
diesem Jahr allein in Bayern ca. 500 ha Eichenwälder kahl fressen. Obwohl die
Waldschäden bei diesem Insekt meist weniger problematisch sind, kann der
Forstwirt nicht tatenlos zusehen: Treffen die mit dem Wind verdrifteten
Raupenhaare auf menschliche Haut, kann es zu starken allergischen Reaktionen und
gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen. Besonders Forstarbeiter und
Waldbesucher werden hier in Mitleidenschaft gezogen.

Einige Forstschädlinge treten bereits seit mehreren Jahren in sehr hoher,
schädlicher Dichte auf. So befindet sich die Nonne (Lymantria monacha) im
nordostdeutschen Raum seit längerer Zeit in einer großflächigen
Massenvermehrung. In Süddeutschland ist es vor allem der Waldmaikäfer
(Melolontha hippocastani), der sich seit einigen Jahren massenhaft vermehrt. Ein
Ende dieser Kalamitäten ist noch nicht in Sicht.

Was kann getan werden?

Im Forstbereich sind nur wenige Pflanzenschutzmittel zugelassen, und sie werden
im Vergleich zu anderen Kulturen höchst selten angewandt. Wenn sie eingesetzt
werden müssen, um - wie in diesem Jahr - zu verhindern, dass große Waldflächen
absterben oder um Gefahren für den Menschen abzuwehren, sollten möglichst
selektive Mittel zum Einsatz kommen, die keine unerwünschten Nebenwirkungen
haben. Jedoch: 'Bei der Bekämpfung von Schmetterlingsraupen gibt es derzeit
einen Engpass', erklärt Professor Wulf. 'Gerade die wegen ihrer gezielten
Wirkung von den Praktikern im Forstschutz bevorzugten Häutungshemmer sind
zurzeit nicht zugelassen. Das Gleiche gilt für die allerdings ohnehin seltener
verwendeten biologischen Pflanzenschutzmittel auf der Basis eines Bakteriums,
Bacillus thuringiensis. Schmetterlingsraupen können im Augenblick nur mit einem
synthetischen Pyrethroid bekämpft werden.'

Auch die Bekämpfung der Borkenkäfer gestaltet sich schwierig. Der Arbeitsaufwand
ist enorm, da hier vor allem mechanische Maßnahmen zur Anwendung kommen. Die
befallenen Hölzer müssen sofort fachgerecht aufgearbeitet, abgefahren oder
behandelt werden. Auf jeden Fall muss verhindert werden, dass sich die Käfer im
Wald fertig entwickeln bzw. ihren Brutraum verlassen können. 'Bei dem
derzeitigen Befall kann das zu einem 24-Stunden-Job für die Forstarbeiter
werden', befürchtet Alfred Wulf von der BBA.

Hoffen auf Regen

Viele Menschen empfanden die mediterranen Klimaverhältnisse des letzten Sommers
als angenehm. Forstleute jedoch wünschen sich ausreichend Regen bis weit ins
Frühjahr hinein. Die Wasserspeicher der Böden würden aufgefüllt, was der
Baumgesundheit dient. Regen zu Zeiten des Insektenflugs könnte das
Vermehrungspotenzial reduzieren. Doch selbst solch günstigen Umstände machen die
durch den letzten Sommer verursachten Baumschäden nicht wieder wett. Die
nachhaltigen Schäden werden vermutlich erst in den nächsten Monaten sichtbar,
denn Bäume haben sehr lange Reaktionszeiten. Wird es allerdings erneut
überdurchschnittlich warm und trocken, sind sehr ernste Waldschäden zu
befürchten. Deren Ausmaße sind heute noch nicht abschätzbar.

Links zum Thema Wald und Forst.

 


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