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@grar.de Aktuell - 11.02.2004

Ökologische Lebensmittelwirtschaft verlangt Nachbesserungen beim Gentechnikgesetz

Gentechnikgesetz kann den Anbau ohne Gentechnik nicht schützen. BÖLW verurteilt Versuche, noch vor Inkrafttreten eines Gesetzes durch 'Erprobungsanbau' Fakten zu schaffen.


Berlin (agrar.de) - Das Bundeskabinett hat am heutigen Mittwoch den Entwurf für
ein neues Gentechnik-Gesetz (GenTG) beschlossen. Der Bund Ökologische
Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Spitzenverband der Verbände der
landwirtschaftlichen Erzeuger, Verarbeiter und Händler von ökologischen
Lebensmitteln, hält diesen Entwurf im Hinblick auf das Ziel des Gesetzes für
unzureichend.

Der Vorsitzende des Verbandes, Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, erklärte dazu:
'Vorrang muss der Schutz dessen haben, was die weitaus überwiegende Mehrzahl der
Verbraucher und Landwirte fordert: Die Erzeugung von Lebensmitteln ohne
Gentechnik. Der Entwurf ist jedoch nicht in der Lage, den Schutz der
gentechnikfreien Produktion effektiv zu gewährleisten. Offenbar hat sich hier
Wirtschaftsminister Clement durchgesetzt, der mehr den WTO-Druck der USA als die
Interessen der eigenen Verbraucher im Auge zu haben scheint!'

Löwenstein bezeichnete es vor diesem Hintergrund als einen Skandal, dass die
Saatzuchtfirmen nun offenbar dabei sind, Sonderkonditionen für
'experimentierfreudige' Landwirte zu stricken, um diese zum Einstieg in den
Gentechnikanbau zu gewinnen. 'Und dies, bevor gesetzliche Regelungen den Rahmen
dafür abstecken!'

Seine Forderungen zum Gentechnikgesetz macht der BÖLW insbesondere an folgenden,
aus seiner Sicht entscheidenden Punkten fest:

1. Gesetzeszweck

Die EU Freisetzungs-Richtlinie ermächtigt die Mitgliedsstaaten durch Gesetze
'das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen Produkten zu verhindern'.
Es ist unverständlich, warum dieser für Landwirte und Verbraucher so
entscheidende Satz nicht in der Formulierung des Gesetzeszweckes auftaucht.

2. Verbraucher und Landwirte brauchen Transparenz

Die im Entwurf vorgesehenen Prozeduren und Fristen zur Bekanntgabe eines
Gentechnik-Anbaus sind intransparent und bürokratisch. Es kann nicht angehen,
dass ein Bauer, der gentechnikfrei produzieren will, nur mit detektivischem
Spürsinn und für teure Gebühren - und dann auch noch zu spät - herausfinden
kann, ob in seiner Nachbarschaft gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut
werden. Er ist für seinen Schutz ebenso wie für eventuelle spätere Schadensfälle
dringend auf diese Information angewiesen. Der Öffentlichkeit wird erst gar kein
Recht eingeräumt zu erfahren, wo Gen-Anbau stattfindet.

3. Haftung

Es ist zu begrüßen dass die Gentechnik-Anbauer für Schäden zu haften haben, die
durch Auskreuzung und Vermischung entstehen. Die Regelung kann aber nicht
greifen, wenn ein Schaden erst dann anzunehmen ist, wenn die gesetzlichen
Schwellenwerte für Gentechnik-Verunreinigungen überschritten sind. Ein
Lebensmittelverarbeiter wird einem Bauern nämlich nur dann sein Getreide
abkaufen, wenn es so deutlich unter diesem Schwellenwert liegt, dass er trotz
aller nach der Ernte noch möglichen Kontaminationen sicher unter dem
Kennzeichnungsschwellenwert für das Endprodukt bleiben kann. Auch muss man sich
fragen, welchen politischen Interessen es wohl zu verdanken ist, dass von einem
durch Gentechnik-Industrie und
Gentechnik-Anbauern gespeisten Haftungsfonds nicht mehr die Rede ist. Ein
solcher Fonds könnte den geschädigten Bauern rasch und unbürokratisch
entschädigen, ohne dass vor den Gerichten ein Krieg zwischen Nachbarn
ausgetragen würde. Er könnte darüber hinaus für die Auskreuzungsüberwachung in
Form von Analysen sorgen - die sonst von den Bauern bezahlt werden müssten, die
keine Gentechnik einsetzen.

Die Handlungs- und Unterlassungspflichten für Gentechnik-Anbauer sollen in einer
gesonderten Verordnung geregelt werden - diese liegt noch nicht vor. 'Es wird
entscheidend sein, ob hier ernst mit der Absicht gemacht wird, die Bauern vor
der Gentechnik zu schützen und dafür zu sorgen, dass Aufwand und Kosten dieses
Schutzes zugeordnet werden, wo sie hingehören: zu den Gentechnik-Landwirten und
ihren Lieferanten aus der Saatgutindustrie', betonte Prinz zu Löwenstein. '"Es
wäre ja auch absurd, wenn die Gentechnik die Produkte derjenigen teurer machen
würde, die mit ihr nichts zu tun haben wollen: die Erzeugnisse der Ökobauern und
der konventionellen Landwirte'.

Der BÖLW-Vorsitzende wies darauf hin, dass der Dachverband bereits im Dezember
einen detailliert ausformulierten Vorschlag für solche Regelungen
vorgestellt hat.

'Über eines darf man aber nicht hinwegtäuschen', machte Löwenstein klar: 'Wenn
die Gentechnik einmal Einzug auf unsere Äcker gehalten hat, dann gibt es kein
Zurück mehr. Dann geht es allenfalls noch darum, ob man Schwellenwerte einhalten
kann oder nicht. Das Beispiel der Imker zeigt deutlich, dass es einen absoluten
Schutz nicht gibt vor einer Technologie, die Gene technisch manipuliert um sie
dann in lebenden Organismen in die Umwelt zu entlassen!

Die Verbraucher müssen nun durch ihr Kaufentscheidung und die Landwirte durch
ihre Anbauentscheidung tun, was die Politik in Europa und Deutschland nicht
fertig bringt: den Einzug der Gentechnik in unsere Landwirtschaft und unsere
Landschaft aufhalten!'

Links zum Thema Verbände.

 


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