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@grar.de Aktuell - 02.02.2004

Stächele: Erprobung der Grünen Gentechnik weiter voranbringen

Minister für abgestimmtes Vorgehen der Erzeuger und Verbraucherverbände bei der nationalen Umsetzung der EU-Freisetzungsrichtlinie - Koexistenz steht im Mittelpunkt


Stuttgart (agrar.de) - 'Der Einsatz gentechnisch veränderter Nutzpflanzen ist
dort sinnvoll, wo ein echtes Nebeneinander (Koexistenz) der Produktionsweisen
möglich ist. Für Baden-Württemberg steht die Koexistenz überragend im
Vordergrund', betonte der baden-württembergische Minister für Ernährung und
Ländlichen Raum, Willi Stächele, am Freitag (30. Januar) im Landtag in
Stuttgart. 'Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland müssen so
gestaltet werden, dass sie auch in der Praxis eine echte Koexistenz
ermöglichen', erklärte Stächele. Minister Stächele hält die Ausweisung von
Gentechnik freien Zonen nur auf der Basis freiwilliger Selbstverpflichtung für
möglich. Zu klären sei auch die Haftungsfrage. 'Die geplante Haftungsregelung
für einen Landwirt, der genveränderte Pflanzen anbauen will, ist nicht
akzeptabel. Es ist ein Haftungsfonds zu prüfen', sagte Stächele.

'Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf lässt viele Fragen offen',
erklärte Stächele. 'Wir müssen Landwirte und Verbraucher, die die Grüne
Gentechnik nicht wollen, besser schützen. Zugleich darf es kein Gegeneinander
mit Erzeugern und Verarbeitern geben, die die Chancen der Grünen Gentechnik
sinnvoll nutzen', betonte Stächele. Sowohl die Landwirte als auch der
Verbraucher müssten die Wahlfreiheit haben, fordert der Minister. Um die
unterschiedliche Interessenlage zu klären und mögliche Verunsicherungen im
Vorfeld aufzuklären, will das baden-württembergische Ministerium für Ernährung
und Ländlichen Raum mit einem Kolloquium alle interessierten Verbände
zusammenführen und dann die Position des Landes im Bundesrat vertreten. Ein
erster Schritt hierzu ist die bereits tagende Arbeitsgruppe 'Grüne Gentechnik'
beim Ministerium. 'Ich halte niedere Schwellenwerte beim Saatgut, strenge
Regelungen für die Koexistenz in der Praxis und eine Klärung der Haftungsfrage
für vorrangig', betonte Minister Stächele. So gelte es, zügig und präzise den
vor kurzem veröffentlichten Referentenentwurf des Bundesministeriums für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zur Novellierung des
Gentechnikgesetze zu beraten und Arbeitssicherheit für die Landwirtschaft
herzustellen. Damit soll nach langem Zögern der zuständigen Bundesministerien
die Freisetzungsrichtlinie der EU aus dem Jahr 2001 endlich umgesetzt werden.

Die wichtigsten Themen, wie die Kennzeichnung von Saatgut, die
Haftungsregelungen bei Überschreiten der geltenden Schwellenwerte für
gentechnisch veränderte Bestandteile, die gute fachliche Praxis beim Umgang mit
genetisch veränderten Pflanzen, das Standort­register und den Schutz ökologisch
sensibler Gebiete wurden von der von Minister Stächele berufenen Arbeitsgruppe
eingehend besprochen. Dabei wurde deutlich, dass auf die jeweiligen Verhältnisse
im Land eingegangen werden müsse. 'Einerseits soll der Anbau zum Beispiel
insektenresistenter genetisch veränderter Pflanzen möglich sein andererseits
gilt es auch, die Produktionsweisen zu schützen, die bewusst auf die Verwendung
genetisch veränderter Sorten verzichten', erläuterte Stächele. Beispiele für
Gentechnik freie Produktionsflächen seien der ökologischen Landbau, der
integrierte und kontrollierte Anbau nach dem Qualitätszeichen Baden-Württemberg
(HQZ) aber auch ein Großteil der Maisproduktion Badens, die nach den Worten der
Erzeuger und Vermarkter frei von genetisch verändertem Material bleiben soll.

Zusatzinformation:

An der Arbeitsgruppe 'Grüne Gentechnik' beim Ministerium für Ernährung und
Ländlichen Raum beteiligen sich Vertreterinnen und Vertreter des
Landfrauenverbands, der Verbraucherzentrale, des Einzelhandelsverbands, der
Genossenschaften und des Landhandels, der Bauernverbände, der
Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau, der Universität Hohenheim, der
südwestdeutschen Pflanzenzüchter, der Naturschutz sowie der Kirchen. Die
Projektgruppe wird immer dann zusammenkommen, wenn im Rahmen der notwendigen
Gesetzgebungsvorgaben weitere Überlegungen zu diskutieren sind.
Fachübergreifende Projektgruppen zum Thema Gentechnik in dieser Zusammensetzung
gibt es bisher in keinem anderen Bundesland.

Anlage: Positionspapier 'Grüne Gentechnik'

· Die EU hat vor kurzem das Moratorium für die Grüne Gentechnik aufgehoben.
Diese Entscheidung war unumgänglich und überfällig. Jetzt geht es darum, sich in
Deutschland der gentechnischen Möglichkeiten zu stellen und den Umgang mit
gentechnisch veränderten Organismen verantwortungsbewusst zu regeln. Ein
gewissenhafter und sorgsamer Umgang mit der Grünen Gentechnik ist geboten. Wenig
hilfreich ist ein Dämonisieren oder der Versuch, mit Gesetzesregelungen nutzbare
gentechnische Entwicklungen zu strangulieren. Die Regelungen, die Berlin jetzt
schafft, müssen eine echte Koexistenz absichern.

· Unabdingbar ist, dass bei der Zulassung von gentechnisch veränderten
Organismen, z.B. von Saatgut, alle Gesichtspunkte sorgfältig abgewogen werden.
Bestehen wissenschaftliche Zweifel, darf auch künftig keine Zulassung
ausgesprochen werden.

· Der Verbraucher muss alle Informationen haben, damit er echt entscheiden kann,
ob er Lebensmitteln aus konventionellem Anbau oder aus gentechnisch veränderten
Pflanzen haben will. Um dies zu gewährleisten, treten im April bzw. Mai 2004
zwei EG-Verordnungen in Kraft, in denen genau vorgeschrieben wird, wie
Lebensmittel, die gentechnisch veränderten Organismen (GVO) enthalten oder aus
GVO hergestellt wurden, zu kennzeichnen sind. In Lebensmitteln ohne
GVO-Kennzeichnung dürfen nur zufällige und technisch unvermeidbare Anteile an
GVO enthalten sein, diese Anteile dürfen zudem 0,9 Prozent nicht überschreiten.

· Voraussetzung für ein Nebeneinander von veränderten und unveränderten
Organismen, also für eine Koexistenz, sind vor allem praktikable Schwellenwerte
für unbeabsichtigte Verunreinigungen (Vermischungen) und eine praktikable
Haftungsregelung.

Während es für das Inverkehrbringen von genveränderten Pflanzen und
Futtermitteln den EU-einheitlichen Schwellenwert von 0,9 Prozent gibt, fehlt ein
Schwellenwert für Saatgut. Bei Schwellenwerten darf es keine nationalen
Alleingänge geben (Saatgut wird global gehandelt).

· Für den Landwirt ist entscheidend, wie die Haftungsfrage gelöst wird. Wer die
gute fachliche Praxis einhält, kann auch nicht zur Haftung herangezogen werden.
Um Schäden abzudecken, für die weder der Landwirt, der gentechnisch veränderte
Pflanzen anbaut, noch der konventionell wirtschaftende Landwirt etwas kann, käme
ein Haftungsfonds in Betracht. Auch die Selbstverantwortung der
Wirtschaftsbeteiligten ist ein Eckpfeiler dieser Regelung.

· Nicht hilfreich ist die hohe Regelungsdichte des Gesetzentwurfes der
Bundesregierung. Damit entsteht ein großer bürokratischer Aufwand, sowohl für
die Landwirte wie auch für Handel und Verarbeitung als auch für die Verwaltung
(Vollzug und Kontrolle).

· Die Koexistenzregelungen dürfen nicht Befürworter und Gegner der Grünen
Gentechnik gegeneinander in Stellung bringen. Wir wollen keinen "Glaubenskrieg"
in den Gemeinden, sondern ein friedliches Miteinander. Der vom Ministerium für
Ernährung und Ländlichen Raum eingeleitete Dialog aller Beteiligten ist dafür
eine gute Voraussetzung und soll die Diskussion im laufenden parlamentarischen
Verfahren weiter begleiten.

· Landwirte, die keine GVO haben und sich zu GVO-freien Gemeinschaften
zu­sammenschließen wollen, sollen dies auch tun können. Beispielsweise bei der
Maisvermeh­rung, die in Deutschland fast ausschließlich am Oberrhein
stattfindet. Gentechnikfreie Zonen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Landwirte
sollten auf freiwilliger Basis regional gentechnikfreie Zonen bilden können.

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