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@grar.de Aktuell - 13.01.2004

ZSL: Gentechnikgesetz-Entwurf birgt massive Risiken für Landwirte


Berlin (agrar.de) - Die geplante Novelle des Gentechnikgesetzes, die heute von
Ministerin Künast der Presse vorgestellt wurde, wird nach Ansicht der
Zukunftsstiftung Landwirtschaft der großen Mehrheit der Landwirte, die
keine Gentechnik auf ihren Äckern einsetzen wollen, zusätzliche Kosten und
Risiken aufbürden, die eigentlich von der Gentechnik-Industrie getragen werden
müssten. 'In seiner gegenwärtigen Form würde das Gesetz den Anbau von Gentechnik
klar gegenüber der gentechnikfreien Landwirtschaft bevorteilen,' kritisierte
Benedikt Haerlin von der ZS-L, 'wir hoffen sehr, dass dies im Rahmen der
Diskussion im Bundestag und im Bundesrat korrigiert werden wird.' In dem
Gesetzentwurf sieht er zwei entscheidende Schwachpunkte:

1. Die Gleichstellung des Einsatzes von GVOs mit der biologischen und
konventionellen Landwirtschaft im Zweck des Gesetzes (Art.1), die einer
Förderung der bisher nicht praktizierten Form der Gentechnik-Landwirtschaft
gleichkommt, weil sie ein Recht auf den Anbau von GVOs postuliert.

2. Den vollkommen unzureichenden zivilrechtlichen Schutz von Landwirten, die
gentechnikfrei produzieren. Mehrkosten und Schäden durch den Anbau von
Gentechnik in ihrer Nachbarschaft können sie nur gegen ihre unmittelbaren
Nachbarn einklagen, nicht aber gegen die Hersteller der GVOs. Die Kosten für die
Feststellung möglicher GVO-Verunreinigungen müssen von den Betroffenen und nicht
von den Verursachern getragen werden. Geschädigte können dann auf eigenes
(finanzielles und soziales) Risiko ihre 'Gentechnik-Nachbarn' lediglich auf
Ausgleich der Preisdifferenz zwischen gentechnikfreien und gentechnisch
veränderten Produkten verklagen. Eine solche Minimalentschädigung wird häufig
niedriger liegen als die Anwalts- und Gerichtskosten. Keinen Schutz bietet das
Gesetz gentechnikfreien Bauern für den Vertrauensschaden bei ihren Kunden (wer
gentechnikfreie Produkte herstellt, kauft in Gentechnikgebieten nicht mehr ein)
und für den erforderlichen Mehraufwand zur Vermeidung von Verunreinigungen.

Darüber hinaus wird, wie die Ministerin heute bestätigte, im Gentechnikgesetz
nicht die erforderliche Reinheit des Saatgutes geregelt. Wenn, wie von der
EU-Kommission in Brüssel vorgeschlagen, hier durch eine EU-Richtlinie Grenzwerte
zwischen 0,3 und 0,7 Prozent eingeführt werden sollten, unterhalb derer GVOs im
Saatgut nicht einmal gekennzeichnet werden müssen, wäre eine gentechnikfreie
Landwirtschaft praktisch unmöglich. Zudem könnten die betroffenen Landwirte
schwerlich beweisen, ob und in welchem Maße GVO-Verunreinigungen durch ihre
Nachbarn entstanden oder bereits in ihrem Saatgut enthalten waren.

Hintergrund

Der Zweck des Gesetzes soll nach Informationen der Zukunftsstiftung
Landwirtschaft folgendermaßen definiert werden:

Zweck dieses Gesetzes ist,

1. unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen,
die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor
schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und
Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen,

2. die Möglichkeit zu gewährleisten, dass sowohl mit konventionellen,
ökologischen als auch gentechnisch veränderten Anbauformen Produkte,
insbesondere Lebens- und Futtermittel, erzeugt und in den in Verkehr gebracht
werden,

3. den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und
Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten
der Gentechnik zu schaffen und

4. Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften im Bereich des Gentechnikrechts
durchzuführen oder umzusetzen.


Während die bisherigen Haftungsbestimmungen des Gesetzes unverändert bleiben,
soll nach unseren Informationen folgender zusätzlicher Paragraph bezüglich der
zivilrechtlichen Haftung in das Gesetz aufgenommen werden:

Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen

(1) Die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen
Arbeiten beruhen, oder sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen
oder daraus hergestelltem Material stellen eine wesentliche Beeinträchtigung im
Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches dar, wenn entgegen der Absicht des
Nutzungsberechtigten wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags.

1. die Sache nicht oder

2. die Sache nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach anderen
Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet
in den Verkehr gebracht werden darf, oder

3. die Sache nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden darf,
die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften
möglich gewesen wäre.

(2) Die Einhaltung der Vorsorgepflicht nach § 16c Abs. 2 und 3 dieses Gesetzes
gilt als wirtschaftlich zumutbar im Sinne von § 906 des Bürgerlichen
Gesetzbuches.

(3) Für die Beurteilung der Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 des Bürgerlichen
Gesetzbuches kommt es nicht darauf an, ob die Erzeugung von landwirtschaftlichen
Produkten mit oder ohne gentechnische Organismen erfolgt.

(4) Kommen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehrere Nachbarn als
Verursacher in Betracht und lässt es sich nicht ermitteln, wer von ihnen den
Schaden durch seine Handlung verursacht hat, so ist jeder für den Schaden
verantwortlich.. Dies gilt nicht, wenn jeder nur einen Teil der Beeinträchtigung
verursacht hat und eine Aufteilung des Ausgleichs auf die Verursacher gemäß §
287 ZPO möglich ist.

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