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@grar.de Aktuell - 27.11.2003

Wer haftet, wenn Gen-Raps auf dem Nachbaracker auskeimt?

Öko-Institut und VDW fordern, Wahlfreiheit für Verbraucher und Landwirte zu gewährleisten


Freiburg (agrar.de) - Die Novellierung des Gentechnik-Gesetzes soll Transparenz,
Klarheit und Sicherheit für Verbraucher und Landwirte in Deutschland schaffen.
Doch der Druck auf die Bundesregierung, die Vorgaben der Europäischen Union
möglichst gentechnikfreundlich umzusetzen, wächst. Das Öko-Institut
(Freiburg) und die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) fordern
deshalb die Bundesregierung auf, die Chancengleichheit für eine gentechnikfreie
Landwirtschaft, wie auch die Wahlfreiheit der Konsumenten zu gewährleisten.

Es tut sich etwas auf dem Feld der Gentechnik. Anfang Oktober trat eine neue
EU-Verordnung in Kraft, die die Kennzeichnung von Gen-Food regelt. Bis April
2004 muss diese von den Mitgliedsstaaten vollzogen sein. Seit Monaten wird
außerdem über die Neufassung des Gentechnik-Gesetzes gestritten. Mit der
Überarbeitung will die Bundesregierung eine europäischen Rahmenvorgabe (die so
genannte Freisetzungs-Richtlinie) zum Anbau und Inverkehrbringen von Genpflanzen
in nationales Recht umsetzen. Damit wird geregelt, wer wann und unter welchen
Bedingungen gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen und verkaufen darf.

Die Novellierung des Gentechnik-Gesetzes ist überfällig. Während die Industrie
für lockere Rahmenbedingungen kämpft, erhoffen sich die meisten Verbraucher und
Landwirte klare Grenzen und Schutzmaßnahmen. Vor allem Öko-Bauern müssen
befürchten, dass ihnen durch das neue Gesetz das gentechnikfreie Wirtschaften
unmöglich gemacht werden könnte. Das Öko-Institut e.V. und die Vereinigung
Deutscher Wissenschaftler (VDW) erwarten klare Vorgaben, die für alle
Beteiligten endlich den Umgang mit Gentechnik auf eine faire und dem
Vorsorgeprinzip entsprechende Weise regeln.

'Die Bundesregierung muss mit der Neuregelung des Gentechnik-Gesetzes
sicherstellen, dass eine Landwirtschaft ohne Gentechnik möglich bleibt', fasst
Dr. Beatrix Tappeser vom Öko-Institut Freiburg ihre Position zusammen.

Gemeinsam mit ihren MitarbeiterInnen hat die Leiterin des Forschungsbereichs
'Biodiversität, Ernährung & Landwirtschaft' im Öko-Institut Eckpunkte
erarbeitet, deren Umsetzung einen sicheren Umgang mit Gentechnik in der
Landwirtschaft erlauben.

Ihre Forderungen an den deutschen Gesetzgeber lauten

1. Wahlfreiheit
Verbraucher und Landwirte müssen frei wählen können, ob sie Gentechnik-Produkte
kaufen beziehungsweise anbauen wollen oder nicht. Dafür müssen getrennte
Produktions- und Verarbeitungswege realisiert werden.

2. Saatgutreinheit
Im Saatgut dürfen keine gentechnischen Verunreinigungen toleriert werden.

3. Koexistenz
Konventionelle Landwirtschaft und Öko-Landbau dürfen von der Gentechnik nicht
unmöglich gemacht werden. Für Pflanzen mit einem besonders hohen
Ausbreitungspotenzial muss ein Anbauverbot durchgesetzt werden.

4. Haftungsregelungen
Wer durch die Verwendung von Gentechnik Schaden verursacht, muss auch dafür
haftbar gemacht werden können. Es muss ein Haftungsfond eingerichtet werden, der
diejenigen unbürokratisch entschädigt, deren Ernte durch Pollenflug oder
Sameneintrag verunreinigt wurde.

5. Anbauvorgaben
Mindestabstände, Heckenpflanzungen und andere Maßnahmen müssen regeln, wie die
Koexistenz ermöglicht wird.

Dr. Stephan Albrecht von der VDW sieht diese Forderungen wissenschafts- und
gesellschaftspolitisch begründet. 'Die langjährig vorgetragene Behauptung, dass
der Anbau von transgenen Nutzpflanzen im Vergleich zu konventionellen Praktiken
keine nachteiligen Wirkungen zeige, ist unzutreffend', stellt der
Wissenschaftler fest.

Erst im letzten Monat veröffentlichte die britische Roval Society die Ergebnisse
einer langjährigen Studie, die einen Zusammenhang zwischen dem Anbau
von genmanipuliertem Raps und Zuckerrüben und einem Rückgang der Artenvielfalt
nachwies. Ein anderer aktueller Artikel fasst die Ergebnisse verschiedener
Studien zu den Gesundheitsauswirkungen von transgenem Futter zusammen und zeigt,
dass in allen unabhängigen Studien Hinweise auf einen negativen Einfluss des
veränderten Futters auf die Gesundheit der Versuchstiere festgestellt wurde.

Öko-Institut und VDW sind der Ansicht, dass das neue Gentechnik-Gesetz diesen
Erkenntnissen Rechnung tragen und dem von der Mehrheit der Bevölkerung
geäußerten Wunsch nach gentechnikfreien Lebensmitteln nachkommen muss. Es ist
demokratisch hoch bedenklich, dass sich die Regierungen um diese Tatsache
schlicht nicht bekümmern, betont Stephan Albrecht.

Links zum Thema Biotechnologie,
Links zum Thema Gesetze und Verordnungen.

 


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