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@grar.de Aktuell - 23.10.2003

Öko-Markt mit Chancen und Risiken

DBV-Forum zur Zukunft des Ökolandbaus


Berlin (agrar.de) - Der Öko-Markt für Lebensmittel steht vor großen
Herausforderungen. In den vergangenen Jahren stieg die Bio-Landwirtschaft in
Deutschland zwar um über 50 Prozent, so dass derzeit mehr als 4 Prozent aller
landwirtschaftlichen Flächen ökologisch bewirtschaftet werden. Doch
Konsumzurückhaltung, Preiskampf im Lebensmitteleinzelhandel auch bei
Bioprodukten sowie die gesetzlich noch unzureichend geklärte Grüne Gentechnik
setzen den Markt erheblich unter Angebots- und Preisdruck. Dies erklärte der
Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner,
anlässlich des DBV-Perspektivforums zur Zukunft des Ökolandbaus in Deutschland.

Trotz der Wachstumsraten in den vergangenen Jahren sei man zwar noch weit von
der politischen Vorgabe von 20 Prozent Ökoproduktion entfernt, doch hätte sie
ihren Platz im Lebensmittelhandel gefunden. 'Die Nische wurde verlassen, die
Zukunft ist aber ungewiss', erklärte Sonnleitner. Denn das schnelle Wachstum in
zweistelligen Größenordnungen führe auch zu Marktverwerfungen, besonders wenn
das höhere Angebot nur teilweise auf wachsender Verbrauchernachfrage beruhe,
aber auch auf staatlicher Förderung der Erzeugung. Gleichzeitig habe das
Bio-Siegel den deutschen Markt für ausländische Bioerzeugnisse geöffnet. Damit
erlebe der Ökomarkt derzeit, welche Probleme es mit sich bringe, wenn der Staat
zu sehr in funktionierende Märkte eingreife. Auch der augenblickliche
gesellschaftliche 'Geiz-ist-geil-Kult' mit seinem ruinösen Preiskampf im
Lebensmittelhandel mache dem Öko-Landbau zu schaffen, was natürlich auch im
Zusammenhang mit der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage stehe.

Als Beispiel nannte Sonnleitner den Bio-Milchmarkt. Im Jahr 2002 mussten allein
16 Prozent der deutschen Bio-Milcherzeugnisse zu konventionellen Preisen
vermarktet werden. Damit seien die Bio-Milchbauern derzeit einem erheblichen
Preisdruck ausgesetzt, wie sie ihn bisher noch nicht erlebt hätten. Die
Verzweiflung sei so groß, dass Bio-Milchbauern von zwei bedeutenden Molkereien
im September sogar in einen Lieferstreik getreten seien, um ihren Forderungen
nach kostendeckenden Preisen Nachdruck zu verleihen.

Der Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels müssten auf der Seite der Anbieter
gleichwertige Partner gegenüberstehen, um sowohl im Bio- als auch im
konventionellen Bereich stabilere Preise für die Bauern zu sichern. Sonnleitner
forderte die Bundesregierung auch auf, bei der Überarbeitung der
EU-Ökoverordnung sich stärker zu engagieren und Durchsetzungsfähigkeit zu
beweisen. Die Wettbewerbsnachteile, die die deutschen Ökobetriebe dadurch
erleiden, dass in anderen Ländern die Betriebsteilung möglich sei und die
Verwendung konventioneller Wirtschaftsdünger laxer gehandhabt werde, sei einfach
unerträglich. Denn für den Verbraucher seien die so erzeugten Produkte nicht
besonders gekennzeichnet und würden auf dem deutschen Markt einheimische Ware
verdrängen.

Die Zukunft des Öko-Landbaus werde in Deutschland zudem von einigen wichtigen
Entwicklungen abhängen. Es gelte, die Koexistenz zwischen Produktionssystemen
mit und ohne Einsatz von Grüner Gentechnik sicherzustellen. Nur damit könne man
die Wahlfreiheit für Landwirte und Verbraucher erhalten. Voraussetzungen dafür
seien die Umsetzung der Kennzeichnungsvorschriften von gentechnisch veränderten
Lebens- und Futtermitteln sowie der Schwellenwerte. Für den DBV mit seinem
Fachausschuss für ökologischen Landbau sei klar, dass diese Schwellenwerte auch
für Ökoerzeugnisse gelten, erklärte Sonnleitner. Die Schwellenwerte für Saatgut
müssten jedoch deutlich niedriger als die für Lebens- und Futtermittel liegen,
damit diese auch bei möglicher Anreicherung und Beimengung im Produktionsprozess
sicher einzuhalten sind. Daher seien die Schwellenwerte für Saatgut auf wissensc
haftlicher Basis und kulturartenspezifisch festzulegen. Die von
Nichtregierungsorganisationen vorgeschlagene Nachweisgrenze erfülle diese
Voraussetzungen nicht, der von der EU-Kommission vorgeschlagene Grenzwert von
0,3 Prozent dagegen schon eher, stellte Sonnleitner klar.

Der DBV-Präsident schlug vor, wegen der bisher ungeklärten Koexistenz das
Moratorium für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen aufrecht zu
erhalten, solange Bundesregierung wie EU-Kommission keine verbindlichen
gesetzlichen Regelungen für den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen
und die damit verbundenen Haftungsfragen für Vermarktungsschäden bei
Verunreinigungen erlassen hätten. Die Bauern in Deutschland hätten kein
Verständnis dafür, dass die Bundesregierung in dieser für den Ökolandbau und für
den Frieden auf den Dörfern zentralen Frage weiterhin tatenlos zusehe, was in
Brüssel geschehe. In der Frage der Koexistenz bei Grüner Gentechnik werde die
Bundesregierung keinesfalls aus der Verantwortung entlassen werden.

Links zum Thema Bio-Landbau,
Links zum Thema Verbände.

 


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