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@grar.de Aktuell - 24.09.2003

Zuckermarktreform: WZV fordert Dialog und Berücksichtigung aller Optionen


Bonn/Berlin (agrar.de) - Mit großer Sorge hat die deutsche Zuckerwirtschaft das
Papier der Europäischen Kommission zur Reform des Zuckermarktes zur Kenntnis
genommen. Die Kommission erwägt darin unter anderem eine völlige Liberalisierung
des EU-Zuckermarktes bzw. Maßnahmen mit ähnlicher Wirkung: 'Wenn es hierzu käme,
wäre die Existenz der gesamten europäischen Zuckerwirtschaft und damit von
europaweit 270.000 Landwirten und mehr als 130 Zuckerfabriken in Frage
gestellt', erklärte Dr. Hans-Jörg Gebhard, Vorstandsvorsitzender der
Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WZV) in Bonn.

Zugleich hob Dr. Gebhard die Bedeutung der EU-Zuckermarktordnung (ZMO) hervor.
Seit ihrer Einführung im Jahr 1968 habe die ZMO maßgeblich zur Existenzsicherung
der europäischen Zuckerwirtschaft beigetragen. In Deutschland sind rund 50.000
Landwirte vom Zuckerrübenanbau abhängig. Ohne diesen Betriebszweig wären viele
der überwiegend bäuerlichen Familienbetriebe nicht überlebensfähig. Gleichzeitig
profitierten auch zahlreiche Entwicklungsländer von der Marktordnung. Seit 1975
verfügen die AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) und weitere Länder der
Dritten Welt über eine Einfuhrgarantie in die EU, die ihnen kostendeckende und
stabile Exporterlöse sichert.

Das von der Kommission vorgelegte Papier enthält drei Optionen: die Beibehaltung
des Status quo; die Reduzierung der garantierten Preise, verbunden mit einem
möglichen Auslaufen der EU-Quotenregelung für Zucker; die vollständige
Liberalisierung des Marktes. Eine ursprünglich vorgesehene vierte Option wird
überraschend nur noch am Rande erwähnt. Sie sah vor, die Produktionsquoten in
der EU zu senken und mit den am wenigsten entwickelten Ländern feste
Einfuhrrechte in die Gemeinschaft zu vereinbaren.

Dr. Gebhard forderte die Kommission auf, auch eine realistische Option in ihre
Überlegungen aufzunehmen. Eine solche Option könne ausschließlich in der
Weiterentwicklung der bisherigen Regelung mit Beibehaltung eines ausreichenden
Außenschutzes und in gleichzeitiger Verbindung mit der Schaffung fester
Einfuhrgarantien für die am wenigsten entwickelten Länder in Form von
vereinbarten Liefermengen bestehen. 'Es ist unverständlich, weshalb die
Kommission diesen einzig gangbaren Ansatz in ihrem Optionenpapier nicht weiter
ausführt. Die Zuckerwirtschaft ist bereit, ihre Produktion noch stärker auf den
Eigenbedarf der Europäischen Union auszurichten und zugleich die Interessen der
Entwicklungsländer noch stärker zu berücksichtigen. Mit diesem kombinierten
Modell könnten beide Ziele am ehesten erreicht werden.'

Nach Einschätzung der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker birgt jedoch auch die
'Preissenkungsoption' erhebliche Gefahren, da sie auf nicht nachvollziehbaren
Hypothesen beruht. Dr. Gebhard: 'Die angedachten Preissenkungen hätten ebenfalls
verheerende Konsequenzen für die europäische Zuckerwirtschaft und ihre
traditionellen Handelspartner in der Dritten Welt. Auch in diesem Fall wäre die
Existenz vieler tausend Landwirte und einer großen Zahl von Zuckerfabriken
gefährdet.' Dabei beschränke sich das Problem keinesfalls auf die
Zuckerwirtschaft. In den überwiegend strukturschwachen ländlichen Regionen
hingen von der Zuckerindustrie zahlreiche weitere Arbeitsplätze in Handwerk,
Handel und Anlagenbau ab.

Nutznießer der von der Kommission vorgelegten Optionen wären einige wenige
Drittländer, vor allem Brasilien. Das Land hat seine Zuckerproduktion seit
Anfang der neunziger Jahre mehr als verdoppelt und die Zuckerexporte nahezu
verzehnfacht. Heute ist Brasilien mit Abstand der weltgrößte Erzeuger und
Exporteur von Zucker. Dr. Gebhard: 'Möglich war dies nur, weil Brasilien mit den
weltweit niedrigsten Sozial- und Umweltstandards produziert und der Staat die
Zucker- und die damit verbundene Alkoholwirtschaft massiv subventioniert hat.'

Die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker erkennt die internationalen
Verpflichtungen der EU an und ist daher zu einem Dialog mit der Politik bereit,
um Chancen für eine Weiterentwicklung der Zuckermarktordnung auszuloten. Am Ende
muss aber eine Lösung stehen, die die Existenz der nachhaltig wirtschaftenden
europäischen Zuckerwirtschaft sichert und auch den traditionellen
Handelspartnern in der Dritten Welt gerecht wird.

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