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@grar.de Aktuell - 28.08.2003

Sonnleitner weist kirchliche Kritik an EU-Agrarpolitik zurück


Berlin (agrar.de) - Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV),
Gerd Sonnleitner, hat Äußerungen des katholischen Bischofs von Tier, Reinhard
Marx, zu den WTO-Agrarverhandlungen als unzutreffend zurückgewiesen. Marx hatte
auf einer Tagung in Berlin kritisiert, er sehe im Hinblick auf den Agrarteil der
bevorstehenden WTO-Ministerkonferenz in Cancun keine Fortschritte. Sonnleitner
widersprach dem Eindruck, als würde die EU-Agrarpolitik die Agrarmärkte in den
Entwicklungsländern zerstören und die Landwirte in den Industriestaaten wären
schuld am Hunger in der Welt. Marx hatte als ein besonders eklatantes Beispiel
die Baumwolle genannt und die EU als größten Subventionierer dargestellt.
Sonnleitner stellte in seinem Brief an Marx richtig, dass die EU mit zwei
Prozent Anteil an der Weltproduktion zu den kleinen Baumwollproduzenten gehöre
und keine Exportsubventionen zahle. Demzufolge sei die EU ein großer Importeur
von Baumwolle. In Deutschland selbst werde keine Baumwolle angebaut.

Sonnleitner vermisst bei den Äußerungen des Bischofs den Hinweis, wonach die
Europäische Union deutliche politische Veränderungen durch mehrere große
Reformen der Agrarpolitik mit gravierenden Folgen für die Bauernfamilien und die
Agrarstrukturen vollzogen hat, die besonders den Entwicklungsländern zugute
kommen. Die Bevorzugung der Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten und die absolute
Zollfreiheit für Agrargüter aus den ärmsten Entwicklungsländern durch die
EU-Politik seien zwei Beispiele. Damit sei es kein Zufall, dass heute die EU
mehr Agrargüter aus Entwicklungsländern importierten als die USA, Japan, Kanada
und Neuseeland zusammen, stellte Sonnleitner fest.

Es sei unverständlich, dass Bischof Marx keine Veränderungen der vielfach
erschreckenden politischen Defizite in vielen Entwicklungsländern angemahnt
habe. Aus den Gesprächen im Weltbauernverband wisse er, so Sonnleitner, wie
häufig jeglicher Fortschritt erst durch das Zusammenspiel von korrupten Eliten,
Armut, ungerechter Besitz- und Landverteilung, Umweltzerstörung und
Bürgerkriegen verhindert werde. Somit blieben verbesserte globale
Rahmenbedingungen oder Förderungen unwirksam. Sonnleitner betrachtet es zudem
als kritisch, dass sich bei den WTO-Verhandlungen Ölländer wie Bahrein, eine
Weltmacht wie China oder der aggressive Agrarexporteur Brasilien selbst in die
Reihe der Entwicklungsländer stellen könnten.

Zur Befürchtung des Bischofs, wonach bei WTO ein Patentschutz für Saatgut
eingeführt werde analog des Schutzes von geistigem Eigentum, stellte Sonnleitner
klar, dass dieses Thema kein alleiniges Thema der Entwicklungsländer sein dürfe.
Mit beiden großen Kirchen in Deutschland sei der DBV der Meinung, dass es
generell keine Patentierung von Genen geben dürfe.

Sonnleitner verwies in seinem Brief an den Bischof nachdrücklich auf die
gemeinsame Veranstaltung des Land-Kirchentages auf der Grünen Woche, wo Marx
eine positive Entwicklung in der Agrarpolitik sah. Gemeinsamer Konsens sei
gewesen, dass Fortschritte erzielten worden seien. Einig sei man gewesen, wonach
Politik und Gesellschaft ihren Teil dazu beitragen müssten, dass die
Landwirtschaft ihre besondere Verantwortung gegenüber Natur und Schöpfung
wahrnehmen könne. Deshalb dürften Strukturveränderungen nicht auf dem Rücken der
Bauern ausgetragen werden. Die erreichten hohen Standards in der EU zum Beispiel
beim Tier- und Umweltschutz müssten auch Gegenstand der WTO-Verhandlungen sein,
lautete seinerzeit die gemeinsame Forderung von Marx und Sonnleitner.

Auch mit der gemeinsamen Erklärung zu den WTO-Verhandlungen auf dem Ökumenischen
Kirchentag in Berlin haben die beiden deutschen Kirchen,
Nichtregierungs-Organisationen und Bauernverband eine gemeinsame Position zu
Cancun aufgezeigt. In der Erklärung von Evangelischem Entwicklungsdienst,
EuroNatur und DBV im Frühjahr diesen Jahres mit einer ganzen Anzahl von NGO's
aus dem Bereich der Landwirtschaft, des Umweltschutzes und der Entwicklungshilfe
und der kirchlichen Träger ländlicher Arbeit wird deutliche Kritik an den
WTO-Vorschlägen geübt, aber auch zugleich tragfähige Wege der möglichen
Verständigung aufgezeigt.

Links zum Thema Verbände.

 


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