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@grar.de Aktuell - 28.08.2003

Künast zur Ernte 2003: Starke Ertragseinbußen durch Dürre, aber gute Brotgetreidequalitäten und Getreidepreise


Berlin (agrar.de) - Bei der Vorstellung der diesjährigen Ernteergebnisse führte
Bundesverbraucherministerin Renate Künast u.a. folgendes aus:

. 'Als wir vor einem Jahr hier zusammengesessen haben, musste ich Ihnen
berichten, dass die Ernte wegen des Hochwassers stark gelitten hatte. In diesem
Jahr haben wir das andere Extrem. In diesem Jahr haben Hitze und Dürre dazu
geführt, dass die deutsche Getreideernte noch niedriger ausgefallen ist als im
vergangenen Jahr. Insbesondere in weiten Regionen Ost- und Süddeutschlands gibt
es drastische Ertragseinbußen. Wegen der Hitze und Trockenheit haben in diesem
Jahr die Erntearbeiten durchschnittlich zwei Wochen früher begonnen als in
'normalen' Jahren. Die Getreideernte ist inzwischen abgeschlossen.

. Nach den vorläufigen Ergebnissen der Sachverständigen liegt die Getreideernte
mit 39,5 Mill. Tonnen um 8,9 Prozent unter dem Ergebnis des Vorjahres (43,4
Mill. t). Um die Zufälligkeiten eines Einzeljahres auszuschalten, ist es
sinnvoller, das aktuelle Ergebnis mit dem langjährigen Durchschnitt (von 1997
bis 2002: 45,5 Mill. t) zu vergleichen. Die diesjährige Getreideernte lag um
13,1 Prozent unter diesem Durchschnitt. Eine ähnlich schlechte Ernte gab es
zuletzt 1995.

. Die Anbaufläche für Getreide ging gegenüber 2002 nur leicht zurück (-1,1
Prozent). Das niedrige Ernteergebnis liegt deshalb im wesentlichen an den
Ertragsrückgängen. Die Hektarerträge erreichen im Durchschnitt 57,6 dt und
bleiben um 7,9 Prozent unter dem niedrigen Vorjahresniveau (62,5 dt). Das
langjährige Mittel wird sogar um 12 Prozent unterschritten.

. Die Ertragseinbußen sind insgesamt hoch, aber sehr uneinheitlich über das
Bundesgebiet verteilt. Der Norden hat insgesamt nur wenig gelitten -
Schleswig-Holstein hat mit einem Plus von 7,9 Prozent sogar ein deutlich
besseres Ergebnis als letztes Jahr erzielt. Auch in Niedersachsen lag die
Getreideerntemenge noch um 2,4 Prozent über der von 2002. Im Westen gab es
deutliche Ertragsrückgänge. Am stärksten sind aber der Südwesten und Südosten
und vor allem der Osten Deutschlands betroffen. Die Situation im Osten wird
dadurch verschärft, dass hier bereits die Ernte des vergangenen Jahres in weiten
Teilen buchstäblich ins Wasser gefallen war.

. Am stärksten betroffen ist Brandenburg. Insgesamt liegt hier die diesjährige
Ernte fast 40 Prozent unter dem mehrjährigen Durchschnitt. In einzelnen Regionen
sind es sogar Einbußen von mehr als 50 Prozent und einzelne Betriebe hat es noch
wesentlich stärker getroffen. In Sachsen, Sachsen-Anhalt, dem Saarland und
Bayern liegen die Verluste bei über 15 Prozent im Vergleich zum mehrjährigen
Durchschnitt. In fast allen Bundesländern gibt es einzelne Regionen mit weit
höheren Verlusten. Das ist bitter für die Landwirte.

. Ein kleiner Lichtblick: Die Qualitäten bei Brotgetreide sind gut. Brotweizen
und Brotroggen werden trotz kleiner Gesamternte ausreichend zur Verfügung
stehen. Die trockene Witterung hat dazu geführt, dass die Ernte schnell und
meist trocken eingefahren werden konnte. Eine teure Nachtrocknung des Getreides
war deshalb nur selten notwendig. Der Pilzbefall war in diesem Jahr ebenfalls
schwächer als im verregneten Vorjahr.

. Im ökologischen Landbau dürften die Verluste prozentual etwa dem
Gesamtergebnis entsprechen. Besonders stark sind auch hier die Betriebe auf den
leichten, trockenen Standorte betroffen, während auf den guten Standorten mit
ausreichend Wasser aufgrund des tendenziell niedrigen Pilzbefalls gute
Ergebnisse erzielt wurden. Große Probleme bereitet jedoch die Versorgung mit
Grundfutter. Denn Ökobetriebe haben überproportional viel Grünlandflächen, die
besonders stark unter der Trockenheit gelitten haben. Hier ist mit
Futterproblemen zu rechnen. Die hohen Kosten für Zukauffuttermittel werden sich
negativ auf die Betriebsergebnisse auswirken.

. Insgesamt ist für viele Futterbaubetriebe der teilweise extrem niedrige
Grünlandertrag ein enormes Problem. Auch die häufig schon Mitte August begonnene
Silomaisernte wird weit unter dem Durchschnitt bleiben. Viele Landwirte müssen
sich überregional mit Heu und Stroh versorgen und dafür relativ hohe
Transportkosten zahlen.

. Auch in der EU insgesamt zeichnet sich in diesem Jahr eine sehr niedrige
Getreideernte ab. Die Schätzungen liegen bei rund 190 Mill. Tonnen, etwa 9,5
Prozent weniger als 2002. Die Hälfte des Mengenrückgangs entfällt dabei
voraussichtlich auf die Weichweizenerzeugung. Für Körnermais wurden die
Ernteerwartungen ebenfalls deutlich auf 33 Mill. Tonnen reduziert (im Vorjahr 40
Mill. Tonnen).

. Die Preisbildung für Getreide ist in diesem Jahr schon relativ weit
fortgeschritten. Dennoch gibt es große regionale Unterschiede. Im Schnitt liegen
die Erzeugerpreise für Getreide aufgrund der allgemein niedrigen Ernte deutlich
über Vorjahresniveau. Für Roggen konnten in der letzten Woche durchschnittlich
über 1,5 ?/100 kg mehr als in der Vorjahreswoche erlöst werden. Auch für
Brotweizen liegen die Preise im Schnitt um mehr als 1 ? höher. Für Futterweizen
konnte teilweise das Niveau von Brotweizen erreicht werden.

. Durch die im Vergleich zum Vorjahr sehr hohen Getreidepreise können die
Ertragsverluste teilweise ausgeglichen werden. Besonders freuen werden sich die
Landwirte im hohen Norden, die ihre relativ hohe Ernte zu guten Preisen
vermarkten können. In vielen Regionen Deutschlands sind die höheren Preise
jedoch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Was hier an Hilfen
möglich ist und auch um Teil schon geleistet wird, erläutere ich Ihnen im
Anschluss an diese Bilanz.

. Der Anbau von Raps und Rübsen erreichte 2003 1,27 Mill. Hektar und liegt damit
2 Prozent unter Vorjahr. Die Erntemenge dürfte bei rund 3,6 Mill. Tonnen liegen,
7 Prozent weniger als 2002. Die Preise liegen gegenwärtig über dem
Vorjahresniveau. Die weitere Entwicklung ist derzeit schwer abzusehen und hängt
stark von der Weltölsaatenproduktion ab. In der EU wird eine eher
unterdurchschnittliche Ölsaatenernte erwartet.

. Auch bei anderen Kulturen wirkt sich die extreme Trockenheit aus. Die
Erntemenge bei Zuckerrüben wird bei rückläufiger Fläche und einem
voraussichtlich niedrigeren Hektarertrag unter dem Vorjahr liegen. Für
Kartoffeln kann noch keine sichere Prognose abgegeben werden, die Erntemenge
wird aber das Vorjahresniveau voraussichtlich deutlich unterschreiten. Im
Marktobstbau wird bei Äpfeln die Erntemenge etwas über dem
unterdurchschnittlichen Vorjahr liegen. Bei Birnen, Pflaumen sowie Zwetschgen
werden unterdurchschnittliche Erntemengen geschätzt. Die Kirschenernte war
zumindest besser als letztes Jahr, aber schlechter als im mehrjährigen
Durchschnitt. Frühgemüse verzeichnete recht gute Ernteergebnisse. Die Winzer
erwarten eine mengenmäßig normale bis leicht geringere Weinernte mit
voraussichtlich sehr guter Qualität.

. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher wirken sich die Trockenheitsschäden
voraussichtlich nur wenig aus. Bei Brot und anderen Backwaren macht der
Getreidepreis nur einen sehr kleinen Anteil am Endpreis aus. Preissteigerungen
bei Brotgetreide dürften sich deshalb nicht in den Verarbeitungsprodukten
niederschlagen. Die Hartweizenpreise liegen dieses Jahr sehr hoch, das könnte
Auswirkungen auf den Nudelpreis haben. Bei Frischgemüse werden sich die Preise
voraussichtlich weiterhin auf niedrigem Niveau halten, während Obst etwas
teuerer als in den Vorjahren bleiben wird.

Dürrehilfen

Wenn es um die Bewältigung von Naturkatastrophen geht, sind zunächst einmal die
Länder in der Verantwortung.
Gleichwohl habe ich mich, schon als wir die ersten belastbaren Hinweise auf
gravierende Dürreschäden erhielten, bei der EU-Kommission um Zustimmung zu
Hilfen für die deutschen Landwirte bemüht und seitdem eine ganze Reihe von
Hilfsmaßnahmen auf den Weg gebracht:

1. Vorschuss auf Flächenzahlungen
Gewährung eines Vorschusses von 50 Prozent auf die Flächenzahlung ab dem
16.Oktober 2003. Dies wird dazu beitragen, die Liquidität der betroffenen
Betriebe zu verbessern. Nach jetzigem Stand werden die Bundesländer
Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die
Vorschusszahlung ab dem 16.10.2003 gewähren. Darüber hinaus ermöglichen wir es
den Bundesländern, in diesem Jahr ausnahmsweise den gesamten Betrag der
Flächenzahlung schon zum frühest möglichen Zeitpunkt, dem 16. November,
auszuzahlen. Auch dies ist eine zusätzliche Liquiditätshilfe. Denn in der Regel
werden die Prämien zum 30. 11. ausgezahlt. Die Kosten für die
Zwischenfinanzierung wird der Bund übernehmen.


2. Nutzung des Aufwuchses von Stilllegungsflächen zur Viehfütterung.
Seit Anfang Juli dürfen Landwirte in diesem Jahr ausnahmsweise den Aufwuchs
ihrer Stillegungsflächen für Futterzwecke verwenden. Dies dient im Wesentlichen
den Futterbaubetrieben, die besonders von der Dürre betroffen sind. Der Aufwuchs
darf nicht kommerziell genutzt werden. Eine unentgeltliche Abgabe an Dritte ist
möglich. Zusätzlich ist ausnahmsweise die Aussaat von Grünfutter auf
Stilllegungsflächen und Nutzung des Aufwuchses als Viehfutter erlaubt.

3. Nutzung der für die Verwendung in Biogasanlagen des eigenen Betriebes
vorgesehenen nachwachsenden Rohstoffe von Stilllegungsflächen zur Viehfütterung.
Hierbei handelt es sich um nachwachsende Rohstoffe von Stilllegungsflächen, die
zur Verwendung in hofeigenen Biogasanlagen vorgesehen sind und jetzt als
Viehfutter genutzt werden können (im Wesentlichen Silomais).

4. Erhöhung der Vorschüsse auf Rinderprämien von 60 Prozent auf 80 Prozent
Seit dem 25.Juli können die Vorschusszahlungen auf die Rinderprämien von 60
Prozent auf 80 Prozent erhöht werden. Auch dies eine Liquiditätshilfe für die
Landwirte. Von dieser Möglichkeit werden voraussichtlich alle Bundesländer
Gebrauch machen.

5. Vorziehen der Vorschusszahlung für Rinder- und Schafprämien
Seit dem 14. August können von der Dürre besonders betroffene Mitgliedstaaten
(D, F, I, Lux, P) einen Teil der Vorschusszahlungen auf Tierprämien (Rinder- und
Schafprämien) noch vor dem 16. Oktober, dem Ende des EU-Haushaltsjahres,
auszahlen. Für Deutschland wurde ein Betrag von 87 Mio. ? zur Verfügung
gestellt.
Ich vermute, dass aufgrund des begrenzten Liquiditätsvorteils für betroffenen
Landwirte und des beträchtlichen Verwaltungsaufwandes nur wenige Bundesländer
diese Möglichkeit nutzen werden.

6. Liquiditätshilfen der landwirtschaftlichen Rentenbank
Die Landwirtschaftliche Rentenbank bietet dürregeschädigten landwirtschaftlichen
Betrieben Darlehen zu besonders günstigen Konditionen für Maßnahmen zur
Überbrückung von Liquiditätsengpässen an.
Voraussetzung für die Darlehensgewährung ist, dass sich die zu erwartenden
dürrebedingten Ertragsausfälle auf mehr als 30 Prozent belaufen. Die
Liquiditätshilfedarlehen werden mit einer Laufzeit von vier Jahren angeboten und
sind wahlweise mit einem Tilgungsfreijahr ausgestattet. Der Nominalzinssatz
beträgt zur Zeit 3,45 Prozent.
Bis jetzt (Stand 26.08.2003) wurden in 160 Fällen Darlehen über insgesamt 6,4
Mio. Euro zur Verfügung gestellt.

Die Sonderkredite der Rentenbank dürfen neben anderen öffentlichen
Förderkrediten eingesetzt werden. Außerdem ist die Inanspruchnahme von
Zinszuschüssen aus öffentlichen Mitteln möglich. Dies schließt eine mögliche
Zinsverbilligung aus Mitteln des Bundes und der Länder für die Dürrehilfe ein.
Den Landwirten ist also zu empfehlen, beide Maßnahmen in Anspruch zu nehmen. Wie
bei allen Darlehen der Rentenbank üblich, sind die Kreditanträge formlos an die
Hausbank zu richten.

7. Bund-Länder-Programm für Liquiditätshilfen
Angesichts des Ausmaßes der diesjährigen Dürre wird sich der Bund darüber hinaus
an einem Programm für Liquiditätshilfen für besonders betroffene Betriebe
beteiligen.

Dies ist im Rahmen der ungeschriebenen Zuständigkeit der gesamtstaatlichen
Repräsentation bei Katastrophen nationalen Ausmaßes möglich. Wir werden dabei
keinesfalls die gesamten Einbußen der Betriebe ausgleichen. Helfen wollen wir
jedoch jenen, die ohne Hilfe wirtschaftlich nicht überleben würden.

Die Details des Programms werden derzeit zwischen Bund und Ländern abgestimmt.
Was das Ausmaß der Schäden und davon abgeleitet das Finanzvolumen des Programms
anbelangt, sind die Länder am Zuge. Sie wissen, dass ich bereits mehrfach die
Länder gebeten habe, baldmöglichst belastbare Zahlen vorzulegen, die ich auch in
Brüssel vertreten kann. Darauf warte ich noch.'

Weitere Informationen zur Ernte-Bilanz 2003.

Links zum Thema Agrarpolitik.

 


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