Aktuelle Meldungen  -  Nachricht suchen  -   kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

@grar.de Aktuell - 18.08.2003

EU-Kommission bedauert Antrag auf Einsetzung eines WTO-Panels über GVO


Brüssel (agrar.de) - Argentinien, Kanada und die Vereinigten Staaten haben heute
die Einsetzung eines WTO-Panels beantragt, das das Vorgehen der EU in Bezug auf
gentechnisch veränderte Organismen (GVO) prüfen soll.

EU-Handelskommissar Pascal Lamy sagte dazu: 'Wir standen mit Argentinien, Kanada
und den Vereinigten Staaten in einem unserer Meinung nach ziemlich konstruktiven
Dialog und bedauern diese unnötige Beschwerde. Die EU-Regelung für GVO ist klar,
transparent, vernünftig und nicht diskriminierend. Wir sind sicher, dass die WTO
bestätigen wird, dass die EU ihren Verpflichtungen in vollem Umfang nachkommt.'

Der Gesundheits- und Verbraucherschutzkommissar der EU, David Byrne, äußerte sich
wie folgt: 'Erst vor einem Monat haben wir unsere GVO-Vorschriften auf der
Grundlage der neuesten wissenschaftlichen und internationalen Entwicklungen
aktualisiert. Eine klare Kennzeichnung und Vorschriften für die Rückverfolgbarkeit
sind wichtig, um das Vertrauen der europäischen Verbraucher in GVO
wiederherzustellen.' David Byrne erinnerte daran, dass die geringen Verkäufe von
GV-Produkten auf dem europäischen Markt auf die geringe Nachfrage der Verbraucher
nach solchen Produkten zurückzuführen ist. 'So lange die Verbraucher nicht sicher
sind, dass das Genehmigungsverfahren auf dem neuesten Stand ist und ihren
berechtigten Befürchtungen Rechnung trägt, wird ihre Skepsis gegenüber
GV-Produkten bestehen bleiben'.

Die EU-Umweltkommissarin Margot Wallström fügte hinzu: 'Es sollte klar sein, dass
wir nicht die Absicht haben, Handelshemmnisse zu errichten. Aber meine Befürchtung
ist, dass durch diesen Antrag die Diskussion in Europa verfälscht wird. Wir müssen
dafür sorgen, dass die Bürger Vertrauen in die GVO bekommen und wir müssen ihnen
die Möglichkeit der Wahl geben - und genau das sollen unsere neuen
Rechtsvorschriften leisten. Der Standpunkt der EU in Bezug auf GVO steht im
Einklang mit den WTO-Vorschriften.'

Die Europäische Union hat klare und transparente Rechtsvorschriften (Richtlinie
2001/18/EG zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG und Verordnung (EG) Nr. 258/97)
für die Genehmigung und das Inverkehrbringen von GVO und GV-Lebensmitteln in
Europa. Dazu gehört eine unabhängige wissenschaftliche Bewertung der möglichen
Folgen für die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen und die Umwelt, bevor
GV-Produkte in den Verkehr gebracht werden können. Unternehmen, die GVO oder
GVO-haltige Lebensmittel in der EU auf den Markt bringen wollen, müssen zunächst
in einem Mitgliedstaat einen entsprechenden Antrag stellen, der eine umfassende
Risikobewertung für GVO bzw. eine Sicherheitsprüfung für GV-Lebensmittel enthalten
muss.

Der Mitgliedstaat legt die Risikobewertung der Kommission vor, die sie an die
übrigen Mitgliedstaaten weiterleitet.

Bei Einwänden holt die Europäische Kommission eine Stellungnahme des
Wissenschaftlichen Ausschusses (künftig Europäische Behörde für
Lebensmittelsicherheit) ein und trifft dann eine Entscheidung. In der EU wurden
bisher 18 GVO und 15 GV-Lebensmittel zugelassen.

Kanada und die Vereinigten Staaten haben am 13. Mai und Argentinien hat am 14. Mai
2003 bei der WTO Konsultationen über das Genehmigungssystem der EU für genetisch
veränderte Organismen (GVO) und GV-Lebensmittel beantragt. Sie behaupten
insbesondere, die EU habe die Prüfung der Anträge und die Genehmigungen
ausgesetzt, was de-facto einem Moratorium für neuartige gentechnisch veränderte
Sorten gleichkomme. Gemeint ist damit die Tatsache, dass seit Oktober 1998 gemäß
der Richtlinie 90/220/EG keine neuartigen GVO zur Freisetzung in die Umwelt mehr
zugelassen wurden, weil das EU-Regulierungssystem überarbeitet wurde, um besser
für die Herausforderungen durch die modernen Biotechnologie gerüstet zu sein. Der
neue ordnungsrechtliche Rahmen wurde im März 2001 angenommen und trat im Oktober
2002 in Kraft.

Im Juli 2003 wurde außerdem ein besseres System für die Kennzeichnung und die
Rückverfolgbarkeit von GV-Lebensmitteln und GV-Futtermitteln erlassen. Damit kommt
die EU den Forderungen der Bürger nach umfassender und zuverlässiger Aufklärung
über GVO nach und trägt der Überzeugung Rechnung, dass sich die Verbraucher frei
zwischen neuartigen und herkömmlichen Erzeugnissen der Land- und
Ernährungswirtschaft entscheiden wollen. Deshalb ist es das Hauptanliegen der EU,
ein möglichst hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau zu gewährleisten.

Für eine Reihe von Anträgen für das Inverkehrbringen von GVO ist die Prüfung
bereits weit fortgeschritten, so dass in den kommenden Monaten die Genehmigung
entsprechend den EU-Vorschriften erfolgen könnte.

Die Konsultationen

Die EU hat am 19. Juni mit den Vereinigten Staaten und Argentinien und am 25. Juni
2003 mit Kanada Konsultationen geführt. Konsultationen sind der erste Schritt in
einem WTO-Streitbeilegungsverfahren. Mit ihnen beginnt ein Dialog zwischen den
Beschwerde führenden Parteien, bei dem versucht wird, die strittigen Fragen auf
gütlichem Wege zu lösen. Aus diesem Grund hat die EU angeboten, den Prozess
fortzusetzen und bei dieser Gelegenheit neue Informationen über den Rechtsrahmen
und die Fortschritte bei den einzelnen Genehmigungsanträgen vorgelegt, um mögliche
Missverständnisse auszuräumen. Zur Überraschung der EU haben die Vereinigten
Staaten sofort nach Beendigung der Konsultationen verlauten lassen, die
Konsultationen seien gescheitert und man werde in Kürze die Einsetzung eines
Panels beantragen. Mit Kanada und Argentinien fanden weitere Gespräche statt, bei
denen die EU den Eindruck gewann, beide Länder seien an einer Fortsetzung der
Konsultationen interessiert. Die EU ist auch weiterhin überzeugt, dass ein offener
und konstruktiver Dialog zu einer Lösung führen würde und bedauert deshalb die
Entscheidung, ein Panel einzuberufen.

Die EU (wie jedes andere WTO Mitglied auch) hat das Recht dafür zu sorgen, dass
GVO nur nach einer gründlichen Risikobewertung und nach umfassender Aufklärung der
Verbraucher in den Verkehr gebracht werden. Mehrere WTO-Abkommen wie das GATT
1994, das WTO-Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und
pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS), das WTO-Übereinkommen über technische
Handelshemmnisse sowie Standards wie die kürzlich angenommenen Grundsätze des
Codex Alimentarius für die Risikobewertung von biotechnologischen Lebensmitteln
erkennen das Recht der Vertragsparteien an, auf der nach ihrem Ermessen geeigneten
Ebene Maßnahmen zu ergreifen, um z.B. die Gesundheit von Menschen und Tieren oder
die Umwelt zu schützen. Darüber hinaus wird auch im Protokoll von Cartagena über
biologische Sicherheit zum Übereinkommen über biologische Vielfalt die
Spezifizität des Handels mit biotechnologischen Lebensmitteln und damit das Recht
anerkannt, mit GVO vorsichtig und umsichtig umzugehen.

In vielen Ländern gibt es Genehmigungsverfahren für GVO und GV-Lebensmittel auf
Einzelfallbasis, in einigen gibt es außerdem Moratorien für den Anbau von
gentechnisch veränderten Pflanzensorten.

Die Behauptung, die EU behindere die Bekämpfung des Hungers in Afrika ist haltlos.
Viele Länder, in denen Lebensmittelknappheit herrscht, haben die wichtigsten
Geberländer gebeten, im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe keine GV-Lebensmittel zu
liefern. Wie alle Länder haben sie das legitime Recht, die Entscheidungen zu
treffen, die sie zum Schutz des eigenen Hoheitsgebiets vor einer unabsichtlichen
Verbreitung von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen für erforderlich halten.
Die EU geht bei Nahrungsmittelnotständen so vor, dass sie die Nahrungsmittelhilfe
so weit wie möglich in der Region beschafft, um zur Entwicklung der lokalen Märkte
beizutragen, und den Verbrauchergewohnheiten der Lokalbevölkerung
entgegenzukommen. Bei der Nahrungsmittelhilfe sollte es um die Deckung dringender
humanitärer Bedürfnisse und nicht um die Förderung wirtschaftlicher Interessen
gehen.

In den Vereinigten Staaten selbst kam eine Studie der American National Academy of
Sciences vom Februar 2002 ebenfalls zu dem Schluss, dass die US-Vorschriften über
GV-Pflanzen zahlreiche Unstimmigkeiten aufweisen.

Ein Großteil der Amerikaner wünscht eine Kennzeichnung genetisch veränderter
Lebensmittel. Nach einer unter 1024 Erwachsenen durchgeführten Telefonumfrage von
ABC News vom Juli 2003 befürwortet mit 92 Prozent ein überwältigender Anteil der
Amerikaner die Kennzeichnung.

Das Genehmigungssystem der EU ist klar, transparent, nicht diskriminierend und hat
bereits bewiesen, dass es den Zugang zum EU-Markt ermöglicht. Viele Länder
orientieren sich im Hinblick auf die Entwicklung ihrer eigenen Politik am
Rechtsrahmen der EU.

Hintergrund

Konsultations- und Streitbeilegungsverfahren der WTO

Der erste Schritt in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren ist der Antrag des
Beschwerde führenden Mitglieds. Der Beklagte hat zehn Tage, um auf den Antrag zu
antworten und soll binnen eines Zeitraums von nicht mehr als 30 Tagen in
Konsultationen eintreten (außer beide Parteien haben etwas anderes vereinbart).
Ziel der Konsultationen sollte es sein, eine positive Lösung zu der betreffende
Frage zu finden.

Kann der Streit nicht innerhalb von 60 Tagen nach dem Zeitpunkt des Eingangs des
Konsultationsantrags beigelegt werden, kann die Beschwerde führende Partei beim
Streitbeilegungsgremien die Einrichtung eines Panels beantragen (falls jedoch
beide Parteien der Ansicht sind, dass die Streitbeilegung gescheitert ist, kann
die Beschwerde führende Partei während des Zeitraums von 60 Tagen ein Panel
beantragen).

Sobald die Mitglieder des Panels ernannt sind, hat die Beschwerde führende Partei
normalerweise zwischen drei und sechs Wochen, um ihre ersten schriftlichen
Unterlagen einzureichen und die beklagte Partei verfügt über weitere zwei bis zwei
Wochen, um zu antworten. Es folgen zwei mündliche Anhörungen und eine weitere
Einreichung schriftlicher Unterlagen.

Ein Panel-Verfahren dauert durchschnittlich zwölf Monate. Danach kann eine
Berufung erfolgen, die nicht länger als 90 Tage dauern sollte. In einem Fall wie
dem vorliegenden kann die Notwendigkeit, wissenschaftliche Sachverständige
anzuhören, den Zeitplan verlängern.

Links zum Thema Biotechnologie,
Links zum Thema EU und Landwirtschaft.

 


zurück zur Übersicht  zum Seitenbeginn   

zur @grar.de Homepage

    
 

© Copyright 1997-2007 @grar.de, Rheine, http://www.agrar.de