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@grar.de Aktuell - 30.07.2003

DBV: Kürzungen bei landwirtschaftlicher Krankenversicherung verfassungswidrig

Verfassungsrechtler Prof. Isensee unterstützt Position des Bauernverbandes


Berlin (agrar.de) - Der Deutsche Bauernverband (DBV) hält die vorgesehene
drastische Kürzung der Bundesmittel zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung
für verfassungsrechtlich bedenklich. Der DBV hat dies bereits in seiner
Stellungnahme zum Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 betont. Jetzt hat der
renommierte Bonner Verfassungrechtler Prof. Dr. Josef Isensee in einer
Kurzbewertung 'Kürzungen des Bundeszuschusses und Grundgesetz' die Kritik des
Berufsstandes nachdrücklich bestärkt. Isensee hält die Kürzungen des
Bundeszuschusses um 218 Millionen Euro für sachwidrig und die Mehrbelastung der
Landwirte für unverhältnismäßig. Er sehe darin einen Verstoß gegen den
Gleichheitssatz (Art. 3 Abs.1 Grundgesetz) sowie einen Verstoß gegen den
rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutz und gegen die Berufsfreiheit, so
Isensee.

DBV-Präsident Gerd Sonnleitner hat deshalb Bundesjustizministerin Brigitte Zypries
und Bundesinnenminister Otto Schily aufgefordert, bei der Prüfung der
Verfassungsmäßigkeit der vorgesehenen gesetzlichen Regelungen die Argumente von
Isensee gebührend zu berücksichtigen.

Mehrbelastungen mit bundesweit durchschnittlich 30 bis 40-prozentigen
Beitragserhöhungen der aktiven Landwirte zur Landwirtschaftlichen
Krankenversicherung in Folge der Kürzung der Bundeszuschüsse sind nach Isensee
nicht gerechtfertigt. In Einzelfällen seien sogar Beitragssteigerungen um bis zu
90 Prozent zu erwarten. Mit der Mehrbelastung korrespondiere keine Erweiterung des
Leistungsanspruchs. Die Senkung des Bundeszuschusses führe zu Beitragssätzen und
finanziellen Belastungen der betroffenen aktiven Landwirte, die weit oberhalb
denen der Mitglieder in der allgemeinen gesetzlichen Krankenversicherung liegen.

Der Bundeszuschuss zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung sei in den
ungünstigen Versichertenproportionen zwischen aktiven Landwirten und Alternteilern
begründet. Diese Schere aber werde weiter auseinandergehen. Der Bundeszuschuss sei
systemnotwendig und somit systemgerecht, betonte Isensee, die geplante Absenkung
erweise sich als systemfremd. Auch die Unterschiede der Beitragssätze der
Landwirtschaftlichen Krankenversicherungen zu anderen gesetzlichen
Krankenversicherungen erreichten, so Isensee, ein unangemessenes Ausmaß und seien
nicht zu rechtfertigen. Die pflichtversicherten Landwirte hätten keine
Ausweichmöglichkeit; die freiwillig Versicherten hingegen würden ausscheiden und
die Unterschiede noch verschärfen. Isensee betonte, dass der Gesetzgeber mit
seinen Vorschlägen nicht auf eine Milderung hinwirke, sondern die Unterschiede
planmäßig verschärfe. Der schlagartige Beitragssprung würde sich auch als
unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der selbstständigen
Landwirte erweisen.

Der Stellvertretende Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Adalbert
Kienle, machte bei einem Pressegespräch in Berlin darauf aufmerksam, dass der
Berufsstand seine Bereitschaft erklärt habe, allgemeine und für alle Bürger
geltende Belastungen und Kürzungen im Gesundheitswesen zu akzeptieren. Keineswegs
aber dürfe es erneut zu Sonderlasten für die Bauernfamilien kommen. Was jetzt
unter dem Finanzdiktat des Bundesfinanzministers den Landwirtsfamilien zusätzlich
zu den allgemeinen Kürzungen und Einsparungen im Sozialbereich zugemutet werde,
sei eine extreme Sonderlast und ebenso unsozial wie unzumutbar. Auch müsse man
Klartext reden, dass mit einer Umsetzung dieser Regelung wohl auch das Ende des
eigenständigen landwirtschaftlichen Krankenversicherungssystem eingeleitet werde.
Eine Fortführung eines Sozialversicherungssystems gegen den Willen der
Versicherten werde nicht von langer Dauer sein, folgerte Kienle.

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