Aktuelle Meldungen  -  Nachricht suchen  -   kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

@grar.de Aktuell - 23.07.2003

GVO: EU-Kommission veröffentlicht Empfehlungen für die Koexistenz gentechnisch veränderter und nicht veränderter Kulturpflanzen


Brüssel (agrar.de) - Heute hat die Europäische Kommission Leitlinien für die
Entwicklung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die
Koexistenz gentechnisch veränderter (GV-) Kulturen mit herkömmlichen und
ökologischen Produktionsformen veröffentlicht. Sie sollen den Mitgliedstaaten
dabei helfen, im Einklang mit dem geltendem Gemeinschaftsrecht praktikable
Maßnahmen zur Koexistenz zu erarbeiten. Die Leitlinien legen die allgemeinen
Grundsätze sowie technische und verfahrensspezifische Aspekte fest, die
berücksichtigt werden sollten, und enthalten eine Liste möglicher Aktionen, die an
die jeweiligen nationalen, regionalen oder örtlichen Bedingungen angepasst werden
könnten.

Hierzu erklärte Franz Fischler, Kommissar für Landwirtschaft, Entwicklung des
ländlichen Raums und Fischerei: 'Wir wollen sicherstellen, dass die Landwirte
selbst wählen können, ob sie gentechnisch veränderte, herkömmliche oder
ökologische Kulturen anbauen. Deshalb brauchen wir Maßnahmen, die die Koexistenz
dieser verschiedenen Produktionsformen gewährleisten. Was am effizientesten und
kostenwirksamsten ist, hängt von den jeweiligen nationalen, regionalen oder
örtlichen Bedingungen ab. Daher ist eine EU-weite Einheitslösung nicht
praktikabel. Die Empfehlungen stützen sich auf die neuesten Forschungsergebnisse
und schaffen eine solide Grundlage, auf der die Mitgliedstaaten aufbauen sollten.'

Nach der neuen GVO-Regelung, wie sie der Rat gestern (siehe IP/03/1056)
verabschiedet hat, können die Mitgliedstaaten nunmehr geeignete Maßnahmen treffen,
um das zufällige Vorhandensein gentechnisch veränderter Organismen in anderen
Erzeugnissen zu verhindern, und die Kommission hat den Auftrag, Leitlinien für die
Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen zu
erarbeiten.

Die Koexistenz-Leitlinien ergänzen die umfassende Rahmenregelung der Europäischen
Union für GVO und GVO-haltige Lebens- und Futtermittel. Die EU wird neue GVO
weiterhin genau prüfen, denn nach geltendem Gemeinschaftsrecht dürfen GVO nur dann
zum Anbau und/oder zur Vermarktung zugelassen werden, wenn sie die menschliche
Gesundheit und die Umwelt nicht gefährden. Es wurden bereits Zulassungsanträge für
eine Reihe von GVO gestellt, die von der Kommission und den Mitgliedstaaten
zurzeit bearbeitet werden.

Die Kommission wird die Einhaltung der gemeinschaftlichen GVO-Regelung genau
überwachen und etwaige Probleme infolge divergierender nationaler Maßnahmen, die
mit den geltenden Gemeinschaftsvorschriften nicht in Einklang stehen, in Angriff
nehmen.

Allgemeine Grundsätze der Leitlinien

Aufbauend auf den Erfahrungen mit den bestehenden Trennungsverfahren (z. B. bei
der Erzeugung von zertifiziertem Saatgut), müssen Koexistenz-Maßnahmen in
transparenter Weise, auf wissenschaftlicher Grundlage und unter Einbeziehung aller
Interessengruppen entwickelt werden. Sie sollten gewährleisten, dass die
Interessen der Landwirte aller Produktionstypen angemessen berücksichtigt werden.
Einzelstaatliche Strategien und geeignete Verfahren sollten sich auf die
vorgeschriebenen Etikettierungsschwellen und Reinheitsstandards für gentechnisch
veränderte Nahrungs- und Futtermittel sowie Saatgut beziehen. Die Maßnahmen
sollten effizient und kostenwirksam sein, ohne über das hinauszugehen, was
notwendig ist, um die EU-Schwellen für die Etikettierung von GVO einzuhalten. Sie
sollten auf die unterschiedlichen Kulturarten zugeschnitten sein, da die
Wahrscheinlichkeit der Vermischung je nach Pflanzenart sehr unterschiedlich ist.
Bei bestimmten Pflanzen (etwa bei Ölsaatenraps) ist diese Wahrscheinlichkeit groß,
bei anderen (etwa bei Kartoffeln) wiederum eher gering. Außerdem sollten auch
örtliche und regionale Aspekte in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Strategien sind notwendig, um deutlich zu machen, dass die Interessen der
Landwirte aller Produktionsformen in ausgewogener Weise berücksichtigt werden
müssen. Die Landwirte sollten die Möglichkeit haben, selbst zu wählen, welchen
Produktionstyp sie praktizieren wollen, ohne benachbarten Betrieben eine Änderung
bereits bewährter Produktionsmuster aufzuzwingen. Grundsätzlich sollten Landwirte,
die in einer Region einen neuen Produktionstyp einführen, während der
Einführungsphase alle erforderlichen Aktionen unternehmen müssen, um das Risiko
von Beimischungen zu begrenzen. Schließlich sollten zur ständigen Verbesserung
dieser Maßnahmen eine kontinuierliche Überwachung und Bewertung sowie die rasche
Verbreitung der bewährtesten Verfahren unbedingt gewährleistet sein.

Indikativer Maßnahmenkatalog

Diese in den Leitlinien enthaltene nicht erschöpfende Liste gibt den
Mitgliedstaaten Anhaltspunkte für Maßnahmen, die sie anpassen und miteinander
kombinieren und in die einzelstaatlichen Verfahren und Strategien einbeziehen
können. Zu nennen sind insbesondere:

• innerbetriebliche Maßnahmen (wie z. B. Sicherheitsabstände, Pufferzonen,
Pollenfallen oder -barrieren wie z. B. Hecken),

• Zusammenarbeit zwischen benachbarten Betrieben (wie z. B. gegenseitige
Information über Aussaatpläne, die Verwendung von Pflanzensorten mit
unterschiedlichen Blütezeiten),

• Überwachung (und Meldesysteme),

• Schulung der Landwirte,

• Austausch von Informationen,

• Beratungsdienste.

Der geeignete Geltungsbereich für die Koexistenz-Maßnahmen

Vorrang sollten die Maßnahmen erhalten, die je nach Kultur und Erzeugnisyp (z.B.
Saatgut bzw. Kulturanbau) im Betrieb selbst und in enger Zusammenarbeit mit
benachbarten Betrieben angewandt werden können. Maßnahmen mit regionaler Geltung
könnten ins Auge gefasst werden, wenn sie verhältnismäßig sind und wenn sich auf
andere Art kein ausreichender Reinheitsgrad erzielen lässt.

Warum sollen die Mitgliedstaaten über ihre Koexistenz-Maßnahmen selbst
entscheiden?

Nach der Verabschiedung der EU-Vorschriften betreffend die Rückverfolgbarkeit und
Etikettierung/Kennzeichnung von GV-Lebens- und Futtermitteln wurde die Richtlinie
2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in
die Umwelt dahingehend geändert, dass Koexistenz-Maßnahmen künftig auf Ebene der
Mitgliedstaaten durchgeführt werden können. Viele Faktoren, die darüber
entscheiden, welche Maßnahmen effizient, kostenwirksam und geeignet sind, sind
abhängig von den jeweiligen nationalen und regionalen Besonderheiten und
landwirtschaftlichen Verfahren und können je nach Mitgliedstaat und sogar
innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten stark voneinander abweichen. Eine
Einheitslösung wäre daher nicht sinnvoll.

Haftung

Bezüglich der Frage der Haftung im Falle einer wirtschaftlichen Schädigung
aufgrund der Vermischung gentechnisch veränderter und nicht veränderter Organismen
wird den Mitgliedstaaten empfohlen, ihre diesbezüglichen Rechtsvorschriften
daraufhin zu prüfen, ob sie in dieser Hinsicht genügenden und gleichwertigen
Schutz bieten. Die Lösung, die die Mitgliedstaaten für die Koexistenz gewählt
haben, könnte sich auch auf die jeweiligen Haftungsregeln auswirken. Landwirte,
Saatgutlieferanten und andere Marktteilnehmer sollten in vollem Umfang über die
Haftungskriterien informiert sein, die im Falle einer Schädigung durch Beimischung
gelten. In diesem Zusammenhang könnten die Mitgliedstaaten gegebenenfalls auch
prüfen, inwieweit es sinnvoll wäre, bestehende Versicherungsregelungen
entsprechend anzupassen oder neue Regelungen zu erarbeiten.

In zwei Jahren wird die Kommission dem Rat und dem Europäischen Parlament über die
Erfahrungen berichten, die in den Mitgliedstaaten gesammelt wurden, und
gegebenenfalls mitteilen, ob weitere Schritte erforderlich sind.

Was ist Koexistenz?

Unter Koexistenz versteht man die Möglichkeit für den Landwirt, dem Verbraucher
die Wahl zwischen herkömmlichen, ökologischen und gentechnisch veränderten
Produkten, die den europäischen Etikettierungs- und Reinheitsvorschriften
entsprechen, zu lassen. Koexistenz bedeutet nicht, dass ein Umwelt- oder
Gesundheitsrisiko entsteht, weil in der EU nur gentechnisch veränderte Pflanzen
angebaut werden dürfen, die als gesundheitlich und ökologisch unbedenklich
zugelassen wurden.

Da verschiedene Landbaumethoden naturgemäß nicht voneinander getrennt praktiziert
werden, sind geeignete Maßnahmen für Anbau, Ernte, Transport, Lagerung und
Verarbeitung erforderlich, um die Möglichkeit einer zufälligen Vermischung von
gentechnisch veränderten und nicht veränderten Kulturen zu verhindern, die durch
Verunreinigung des Saatguts, Kreuzbestäubung, Durchwuchs oder unsachgemäße Ernte-
bzw. Lagerpraktiken verursacht werden können. Koexistenz betrifft die möglichen
wirtschaftlichen Einbußen infolge der Vermischung gentechnisch veränderter und
nicht veränderter Kulturen, die sich wertmindernd auswirken kann, sowie die
Festlegung praktikabler Betriebsführungsmaßnahmen zur Minimierung der Vermischung
und die Kosten dieser Maßnahmen.

Links zum Thema Biotechnologie,
Links zum Thema EU und Landwirtschaft.

 


zurück zur Übersicht  zum Seitenbeginn   

zur @grar.de Homepage

    
 

© Copyright 1997-2007 @grar.de, Rheine, http://www.agrar.de