Aktuelle Meldungen  -  Nachricht suchen  -   kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

@grar.de Aktuell - 26.06.2003

PDS: GAP-Reform verdient keinen Lorbeerkranz


Potsdam (agrar.de) - Zum Ergebnis des EU-Agrarministerrates von Luxemburg erklärt
das Mitglied des Europaparlamentes Christel Fiebiger, PDS-Mitglied im
Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des EP und die
landwirtschaftspolitische Sprecherin der PDS-Landtagsfraktion Brandenburg
Kornelia Wehlan:

'Der vom EU-Agrarrat verabschiedete nächtliche Kompromiss zur Reform der
Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) markiert gewiss nicht den von Agrarkommissar
Fischler beschworenen 'Beginn einer neuen Ära'. Bei Lichte besehen wird mit dem
Reformpaket die mit der GAP-Reform 1992 eingeleitete und Agenda 2000 weiter
geführte Liberalisierungspolitik, d. h. die Weltmarktausrichtung der
EU-Landwirtschaft, unbeirrt fortgesetzt.

Tatsächlich neu ist nur ein verändertes Instrumentarium für die künftige
Verteilung der Agrarsubventionen. Das Zauberwort heißt „Entkopplung“ der
Einkommensstützung der Landwirte von der Produktion. Damit will die EU sich mehr
Handlungsspielraum bei den WTO-Agrarverhandlungen verschaffen. Ob das gelingt, ist
angesichts der radikalen Forderungen im Liberalisierungskonzept des WTO-Agrarchefs
Harbinson wenig wahrscheinlich. Deshalb dürfte der Halbzeitwert der beschlossenen
GAP-Reform kurz sein.

Bitter stößt auch auf, dass der Kompromiss von Luxemburg offenbar auf 'höheren'
Druck zustande kam, weil ohne Vorleistungen im Agrarsektor der angestrebte
weltweite Zugang zum Wachstumsmarkt Dienstleistungen nicht zu haben ist.
Bislang war die Liberalisierung weder für die europäischen Bauern noch für die
Entwicklungs-länder vom Nutzen, auch nicht für regionale Strukturen und die
Umwelt.

Auch wenn diese GAP-Reform keine neue Agrarpolitik bedeutet, stellen wir mit
Erleichterung fest, dass Fischlers 'Radikalreform' pragmatisch entschärft wurde.
Die den Mitgliedsstaaten eingeräumte Flexibilisierung bietet die Voraussetzung für
vernünftige Lösungen. Allerdings bleibt abzuwarten, was das Künast-Ministerium aus
der Möglichkeit macht, die Prämienrechte flächenbezogen zu gewähren und welche von
den Optionen der Rinderprämien es für Deutschland auswählt. Das sollte nicht im
Alleingang, sondern in Konsens mit den Bauernverbänden und Ländern erfolgen.

Im Vergleich zu den Kommissionsvorschlägen bewerten wir besonders folgende Punkte
positiv:

• Verzicht auf die Totalentkopplung, dafür Einstieg über eine Teilentkopplung,
weil dadurch Verwerfungen in benachteiligten Gebieten verhindert bzw. minimiert
werden.
• Bindung der Prämienmittel an die Einhaltung von Umwelt-, Tierschutz- und
Qualitätsvorschriften, sofern die damit verbundene Bürokratie klein gehalten wird.
• Nichteinführung der nach betrieblicher Prämienhöhe gestaffelten Kürzung der
Direktbeihilfen und damit keine Benachteiligung der größeren ostdeutschen
Betriebe.
• Beibehaltung des Rotationsprinzips und der Möglichkeit des Anbaus von
nachwachsenden Rohstoffen auf Stilllegungsflächen, was im Interesse von
Wertschöpfung, Klimaschutz und der notwendigen Substitution fossiler Rohstoffe und
Energien sinnvoll ist.
• Anhebung des Kofinanzierungssatzs für Agrarumweltmaßnahmen von 50 auf 60
Prozent, in Ostdeutschland (Ziel 1-Gebiet) von 75 auf 85 Prozent.

Dass es eine finanzielle Ausgleichsmöglichkeit für die Abschaffung der
Roggenintervention geben soll, ist auch ein Erfolg der PDS, die wie keine andere
Partei ihre parlamentarischen Möglichkeiten für eine vertretbare Lösung eingesetzt
hat. Immerhin sah der Vorschlag der Kommission die ersatzlose Abschaffung der
Intervention vor. Allerdings zeigt ein erster Überschlag, dass die Verwendung des
um 10 Prozent höheren Rückflusses der modulierten Mittel nach Deutschland (90
statt 80 Prozent) nur einen Bruchteil der Einbußen der Roggenanbauer ausgleichen
würde.

Wenig gelungen erscheint uns die Milchmarktreform. Hier erwarten wir eine komplexe
Analyse der Auswirkungen.

Nicht sehr vertrauenserweckend ist, dass Kommissar Fischler bislang jeden Beleg
für seine Argumentation schuldig blieb, dass der Bauer nach der Entkopplung „mehr
Geld in der Tasche“ haben wird. Sich dabei auf Aussagen der OECD zu berufen, ist
dürftig. Notwendig ist der Nachweis durch die Kommission. Auch der Bauernverband
wäre gut beraten, nicht von vornherein einen Verlust von 1,5 Mrd. Euro Einkommen
für die deutschen Bauern zu behaupten.

Insgesamt werden wir unser Urteil zur Reform jedoch erst nach Vorliegen der
Details und auf Basis konkreter Auswirkungsberechnungen fällen. Am heutigen Tag
sind weder Lorbeerkranz noch Fundamentalkritik hilfreich.

Links zum Thema EU und Landwirtschaft,
Links zum Thema Agrarpolitik.

 


zurück zur Übersicht  zum Seitenbeginn   

zur @grar.de Homepage

    
 

© Copyright 1997-2007 @grar.de, Rheine, http://www.agrar.de