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@grar.de Aktuell - 26.06.2003

Görlach: Was lange währt... - hätte mutiger ausfallen können


Luxemburg (agrar.de) - Der SPD-Europaabgeordnete und Agrarexperte Willi Görlach
(Butzbach) zu den heutigen Beschlüssen der EU-Landwirtschaftsminister in
Luxemburg:

'Die nach langen und zähen Verhandlungen zustande gekommenen Reformentscheidungen
hinterlassen bei mir ein lachendes, aber auch ein weinendes Auge. Zufrieden bin
ich mit dem Einstieg in die Entkopplung, der neuen produktionsunabhängigen
betriebs- oder flächenbezogenen Einheitszahlung. Mit dieser entkoppelten Prämie
sichern wir langfristig die Existenz unserer Landwirte, bewegen uns aber
gleichzeitig weg von der bisherigen EU-Mengenförderung. Einen solchen
grundsätzlichen Systemwechsel fordern wir Sozialdemokraten schon seit Jahren.

Weitere wesentliche Neuerungen bestehen in der EU-weit einheitlichen Anbindung von
Prämienzahlungen an die Einhaltung von Kriterien in den Bereichen Umwelt-, Tier-
und Arbeitsschutz, der sog. Cross Compliance, sowie die Einführung einer
obligatorischen Modulation. Diese sind zu begrüßen. Durch die Modulation fließen
ab 2005 Mittel aus dem Marktbereich in den Bereich der ländlichen Entwicklung. Die
ländliche Entwicklung wird aber auch inhaltlich gestärkt. Dafür werden zusätzliche
förderfähige Maßnahmen zur Erreichung einer höheren Lebensmittelsicherheit, zur
Förderung von Qualitätserzeugung sowie zur Hebung von Produktionsstandards
eingeführt.

Mein größter Kritikpunkt: Die Entkopplung wurde leider nicht mutig genug
angegangen. Um den Bedenken insbesondere Frankreichs entgegenzukommen, wird es
beispielsweise im Getreide- oder Rindfleischbereich teilweise den Mitgliedstaaten
überlassen, ob und wie viel entkoppelt wird. Diese Änderungen werden dazu führen,
dass unter dem Dach der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik viele
unterschiedliche nationale Agrarpolitiken entstehen, die an Unübersichtlichkeit
und Verwaltungsaufwand kaum überboten werden können. Auch die Möglichkeit, das
neue System bis 2007 aufzuschieben, hinterlässt einen faden Beigeschmack.

Damit ist für mich bereits sicher, dass es Nachbesserungen geben muss. Dies gilt
auch und gerade vor dem Hintergrund, dass nach den heutigen Beschlüssen viele
Bereiche (z.B. Zucker, Baumwolle oder Oliven) noch gar nicht unter das
Entkopplungsregime fallen. Ich erwarte ebenfalls, dass uns auch die Ergebnisse der
Verhandlungen auf der nächsten Welthandelsrunde im Herbst 2003 noch zu weiteren
Reformschritten zwingen werden.

Abschließend muss klar festgestellt werden: Das Prozedere hin zu der heutigen
Einigung in Luxemburg mit Nachtsitzungen, Verschiebungen, Drohungen eines
Scheiterns usw. hat verdeutlicht: Es muss ein Ende haben, dass die gewählten
Abgeordneten in einem Sektor, der beinahe die Hälfte des EU-Haushalts umfasst, nur
angehört werden. Damit werden leider, wie wir auch diesmal erleben mussten,
Kungeleien hinter verschlossenen Türen und bilateralen Absprachen einzelner
Mitgliedstaaten zulasten der gesamten EU Tür und Tor geöffnet. Wir benötigen
gerade im Agrarbereich endlich die volle Mitentscheidung des Europäischen
Parlaments.'

Links zum Thema EU und Landwirtschaft.

 


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