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@grar.de Aktuell - 20.06.2003

DBV: Bauern sehen durch die Agrarverhandlungen ihre Zukunft gefährdet


Berlin (agrar.de) - Mit scharfen Worten hat der Präsident des Deutschen
Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, vor der Bundespressekonferenz
die Verhandlungen der EU-Agrarminister in Luxemburg bewertet. 'Dieses
Verhandlungspaket ist kein Beitrag zur Ermutigung junger Bauern und Bäuerinnen am
Agrarstandort Deutschland. Die Solidarität der Bauern untereinander wird
untergraben. Die Bundesländer, die in Deutschland diesen europäischen Kompromiss
umsetzen müssten, werden in ihren administrativen Möglichkeiten überfordert',
sagte Sonnleitner in Berlin. Der Bauernpräsident befürchtet, dass die Umsetzung
des Verhandlungspakets die wirtschaftliche Situation auf den Höfen drastisch
verschlechtern würde. Zudem würde die europäische Verhandlungsposition in der
laufenden WTO-Runde massiv geschwächt.

Die auf dem Verhandlungstisch liegenden Vorschläge sind für den Deutschen
Bauernverband kein Zukunftsmodell. Agrarkommissar Franz Fischler will seine
Vorschläge offenbar mit kleinen Abstrichen durchboxen, ohne die Beschlüsse des
Europäischen Parlaments zur Reform der Agrarpolitik überhaupt zu berücksichtigen.
Die deutschen Bauern sind mit dem bisherigen Verhandlungsergebnis überhaupt nicht
einverstanden und in höchstem Maße alarmiert.

Ministerin Künast hat in den letzten Jahren immer wieder betont, Qualität muss
auch bei Nahrungsmitteln ihren Preis haben. Ohne Not wird jetzt durch die
Reformvorschläge zur Gemeinsamen Agrarpolitik zusätzlicher Preisdruck auf den
Märkten für Milch und Getreide ausgelöst. Dies ist ein völlig falsches Signal
sowohl für die Verbraucher als auch für die nachhaltig produzierenden Bauern - und
das Gegenteil der Agrarwende von Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast.

Agrarkommissar Fischler bezeichnet seine Vorschläge als 'politische
Langzeitperspektive für eine nachhaltige Landwirtschaft'. Gemessen an diesem Ziel
sind die derzeitigen Kompromissvorschläge blanker Hohn - nichts wird für die
Bauern verlässlicher sein als bisher, vielmehr würde eine solche Reform
unkalkulierbare Risiken und Einkommensverluste für die Bauern in Milliardenhöhe
bringen.

Ohne Not wird mit diesen Vorschlägen der Verhandlungsspielraum der EU bei der
anstehenden WTO-Runde verschenkt - ein völlig falsches Signal zum falschen
Zeitpunkt an Nord- und Südamerika, Australien und Neuseeland, die den Freihandel
über den Natur- und Tierschutz stellen. Die EU hat in den Verhandlungen erhebliche
Zugeständnisse gemacht, die sogenannten Cairns-Länder haben jedoch bisher noch
nichts eingebracht.

Durch die so genannte Modulation und Degression wird die Agrarpolitik für die
Landwirte völlig unberechenbar. So sollen Direktzahlungen ab 2007 zur Deckung
aktueller Lücken im EU-Agrarhaushalt herangezogen werden. Damit kann kein Landwirt
mehr kalkulieren, wie hoch die Ausgleichszahlungen für seinen Betrieb sein werden.
Außerdem bedeuteten allein die Vorschläge für eine 5-prozentige Kürzung der
Direktzahlungen (Modulation), dass den deutschen Bauern faktisch zweieinhalb
Prozent ihres Einkommens verloren gehen.

Zentraler Streitpunkt im Agrarrat ist nach wie vor die Entkopplung. Der Deutsche
Bauernverband hat einen pragmatischen Vorschlag unterbreitet zur Unterscheidung
zwischen Ackerbau und Tierhaltung. Wenn die Vorschläge der Teil-Entkopplung so
beschlossen werden, kann kein Landwirt in der EU erkennen, mit welchen
Direktzahlungen er noch rechnen kann. Die Mitgliedstaaten können den einzelnen
Bauern praktisch ohne Begrenzung alle jetzigen Direktzahlungen entziehen und sie
völlig neu verteilen, ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der
Betriebe. Zudem droht mit dem Fischler-Vorschlag zur Teilentkopplung ein
bürokratischer Super-Gau für die kleinbäuerlichen und mittelständischen Betriebe
in der Landwirtschaft. Außerdem wird der Status quo festgeschrieben, Entwicklung
und Wachstum der Betriebe sowie die Gründung neuer Betriebe durch Junglandwirte
werden blockiert.

Die Existenz vieler Milcherzeuger in Deutschland ist wegen der desolaten Marktlage
und des Preisverfalls ohnehin ernsthaft gefährdet. In dieser Situation ist eine
Senkung der Interventionspreise für Butter um 28 Prozent bzw. für Magermilchpulver
in Höhe von 15 Prozent nicht zustimmungsfähig. Eine solche Politik gefährdet nicht
nur Tausende bäuerliche Existenzen inklusive der vor- und nachgelagerten Bereiche,
sondern ist gegen die Erhaltung der Kulturlandschaft, insbesondere der
Grünlandstandorte ausgerichtet. Diese Preissenkungen würden für einen
durchschnittlichen Milchviehbetrieb in Deutschland mit ca. 30 Kühen einen
Einkommensverlust von jährlich rund 10.000 Euro (40 bis 50 Prozent) bedeuten. Mit
den diskutierten Ausgleichszahlungen werden die Verluste nur zur Hälfte
kompensiert.

Einziger Lichtblick ist die Fortschreibung der Rotationsbrache bei der
Flächenstilllegung aus Gründen der Marktentlastung und der Umwelt. Außerdem wird
der Anbau nachwachsender Rohstoffe damit weiterhin unterstützt.

Links zum Thema EU und Landwirtschaft,
Links zum Thema Verbände.

 


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