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@grar.de Aktuell - 02.06.2003

DBV: Wo die EU-Agrarpolitik den Entwicklungsländern hilft

Sonnleitner auf dem Ökumenischen Kirchentag


Berlin (agrar.de) - Ein globaler und gerechter Agrarhandel allein wird das Problem
des weltweiten Hungers von etwa 800 Millionen Menschen nicht lösen. Bei der
Überwindung von Hunger und Armut können bewährte Erfahrungen in der europäischen
Geschichte helfen. Denn Armut und Hunger, die in den vergangenen Jahrhunderten zu
Auswanderungswellen zum Beispiel aus Deutschland und Irland nach Amerika führten,
wurden in erster Linie durch Nutzung des wissenschaftlichen und technischen
Fortschritts in Verbindung mit einer Förderung der Landwirtschaft überwunden.
Somit erhält die Landwirtschaft auch heute bei der Bekämpfung des Hungers eine
Schlüsselrolle. Dies erklärte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes
(DBV), Gerd Sonnleitner, auf dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin.

Im Vorfeld einer Diskussionsrunde über die gerechte Gestaltung des globalen
Agrarhandels betonte Sonnleitner, die heutigen Ursachen des Hungers in den
Entwicklungsländern ständen im Zusammenhang mit Armut, ungerechter
Besitzverteilung, Landvertreibung, Naturkatastrophen, Umweltzerstörung und
kriegerischen Auseinandersetzungen. Schlüsselfaktoren für eine produktive
Landwirtschaft seien weltweit vor allem das Recht der Bauern auf Eigentum,
funktionierende Märkte für Boden und Kapital, ein Schutz und Regelungsrahmen für
die nationalen und internationalen Agrarmärkte sowie die Förderung von Ausbildung,
Beratung und Infrastruktur. Daneben bilden der Aufbau von unabhängigen
Bauernverbänden und genossenschaftlichen Selbsthilfeeinrichtungen in einer
demokratischen Gesellschaft wichtige Voraussetzungen für eine produktive und
sozial gerechte Landwirtschaft. Ausreichende Nahrungsmittelproduktion und
effektive Armutsbekämpfung könnten nur erreicht werden, wenn die Bauern in den
Entwicklungsländern positive Rahmenbedingungen für die Erzeugung der
Nahrungsmittel erhielten.

Sonnleitner befürchtet, dass die Entwicklungsländer trotz weltweit großer
Anstrengungen auch in den kommenden Jahren auf Importe von Nahrungsmitteln
angewiesen bleiben. Es sei deshalb notwendig, diese Importe so zu organisieren,
dass sie die Entwicklung der heimischen Landwirtschaft nicht zerstörten. Die EU
und die europäischen Bauern seien sich ihrer Verantwortung bewusst und bereit,
durch einen weiteren Abbau der in den vergangenen Jahren bereits massiv
verringerten Exportsubventionen ihren Beitrag zu leisten. Doch auch die großen
Konkurrenten auf den Weltmärkten müssten ihre Exportfördermechanismen angemessen
zurückfahren.

Die Europäische Union habe ihre Agrarpolitik seit 1993 zunehmend liberalisiert und
handelsverzerrende Maßnahmen abgebaut, gleichzeitig mit besonderen Programmen die
Entwicklungsländer gefördert. Mit dem Abkommen von Contonou im Jahr 2000 und der
Vereinbarung 'Alles außer Waffen' des Jahres 2001 habe die EU ihre Märkte für 71
ehemalige europäische Kolonien und die ärmsten Staaten der Welt weit geöffnet.
Heute importiert die EU aus den Entwicklungsländern landwirtschaftliche Produkte
und Nahrungsmittel im Wert von 35 Milliarden Euro pro Jahr. Dies sei mehr als die
USA, Neuseeland, Australien, Kanada und Japan zusammen importieren. In den
kommenden zwei bis drei Jahren, werden die Importe der EU aus den
Entwicklungsländern weitere Dynamik entfalten und auf 45 bis 50 Milliarden Euro
anwachsen, prognostizierte Sonnleitner.

Die laufenden WTO-Verhandlungen, in denen es um die besonderen Belange der
Entwicklungsländer und den Abbau von handelsverzerrenden Formen der
Exportförderung gehe, müssten den Entwicklungsländern auch ermöglichen, ihre
heimische Märkte vor Dumpingimporten zu schützen, um die heimische Produktion
wirkungsvoll fördern zu können, forderte Sonnleitner. Die vollständige
Liberalisierung der Weltagrarmärkte, die insbesondere Vertreter der USA und der
Freihandelsstaaten, der genannten Cairns-Länder, wiederholt lautstark forderten,
sei offensichtlich ein falscher Weg. 'Die bitterarmen Kaffeebauern in Asien und
Lateinamerika dienen als mahnendes Beispiel dafür, dass die völlige
Liberalisierung eines Agrarmarktes nicht zwingend zum Wohlstand für die Bauern
führt', betonte Sonnleitner auf dem Kirchentag 2003. Der Deutsche Bauernverband
hat gemeinsam mit den Nichtregierungsorganisationen des Umwelt-,
Entwicklungsbereiches und der kirchlichen Träger ländlicher Arbeit eine gemeinsame
Gegenposition zu den 'Freihändlern' erarbeitet, die zum Kirchentag veröffentlicht
wurde.

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