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@grar.de Aktuell - 20.03.2003

Die Milch macht's! Wie lange noch?

Die Vorschläge der EU zur Milchpolitik treffen auf Widerstand. Bauern, Umweltschützer, Verbraucher und Tierschützer wollen den Preisverfall bei Milch nicht hinnehmen.


Bonn (agrar.de) - 'Die Milch macht's! Wie lange noch?'. Unter diesem Titel
diskutierten die Verbände des AgrarBündnisses gestern in Bonn die
Situation unseres Lebensmittels Nr. 1.

Das AgrarBündnis mit seinen Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt-, Natur- und
Tierschutz, Verbraucher- und Entwicklungspolitik war sich einig: Die komplexen
Zusammenhänge in der Milchwirtschaft erfordern eine gemeinsame Strategie zum
Nutzen aller. Angesichts der großen und vielfältigen Probleme ruft das
AgrarBündnis Ministerin Künast auf, einen Milchgipfel einzuberufen, an dem alle
wichtigen gesellschaftlichen Gruppen beteiligt sind.

Das AgrarBündnis spricht sich vehement gegen eine Ausdehnung der Milchquote, aus,
wie sie von der EU geplant wird (in Europa darf nur eine genau festgelegte Menge -
'Quote' - an Milch produziert werden). Bei einer stagnierenden Nachfrage hätte
jede Ausweitung der Mengen eine drastische Preissenkung für die Bauern zur Folge.
Bereits jetzt sind die Preise für Milch soweit gefallen, dass viele Bauern nicht
mehr kostendeckend Milch erzeugen können. Alle Verbände sprachen sich gegen eine
Milchpolitik aus, die zu einem weiteren Zwang zur Intensivierung der
Milcherzeugung und letztlich zur Zerstörung von bäuerlichen Betriebsstrukturen
führe.

50 Prozent der Arbeitsplätze und 25 Prozent der Einkommen in der Landwirtschaft
hängen an der Milchwirtschaft. Die Einkommen der Milchviehbetriebe befanden sich
im innerlandwirtschaftlichen Vergleich schon immer am unteren Ende - jetzt drohe
der Kollaps.

Hubert Weiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz machte deutlich, dass
insbesondere der Milcherzeugung auf Grünland das endgültige Aus drohe. Grünland
sei in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich zurückgegangen: 'Wie es in der
Milchwirtschaft weitergeht, ist eine zentrale Frage des Naturschutzes. Grünland
hat eine große Bedeutung sowohl für den Artenschutz, für Erosionsschutz, aber auch
für Kulturlandschaft und Tourismus. Wenn der Erhalt von Grünland nicht durch
Nutzung gesichert wird, sind auch alle Hochwasserschutzprogramme zum Scheitern
verurteilt.'

Weiger rechnete vor, dass bei einem Preisrückgang von nur 4 Cent pro Liter Milch
den Bauern so viel Geld verloren gehe, wie Bund und Länder in Deutschland
insgesamt an staatlichen Fördermitteln für umweltfreundliche Landwirtschaft
zusammen ausgebe. Deshalb sei ein hoher Milchpreis nicht nur für die Bauern,
sondern auch für den Naturschutz eine zentrale Forderung.

Von zentraler Bedeutung sei eine einheitliche Flächenprämie, so Bernd Voß von der
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Damit könne die derzeitige
Benachteiligung von Grünland gegenüber Ackerkulturen aufgehoben werden. In Bezug
auf die schlechte Situation der europäischen Landwirtschaft bei den Verhandlungen
in der WTO betonte Voß, dass die EU nicht Opfer, sondern eher Täter sei. In allen
anderen Wirtschaftsbereichen plädiere die EU für eine weitere Liberalisierung.
Wenn man so verhandle, könne man natürlich nicht gleichzeitig auch noch den
notwendigen Schutz für die heimische Landwirtschaft aufrecht erhalten.

Die aktuelle Entwicklung in der Milchviehhaltung hat auch Auswirkungen auf den
Tierschutz. Barbara Rempe vom Deutschen Tierschutzbund monierte, dass Fütterung
und Haltung häufig nicht artgerecht seien und dass der ökonomische Druck einer
Zucht führe, die den natürlichen Ansprüchen der Tiere nicht entspräche. Sie
forderte verbindlichen Haltungsvorschriften zur Rinderhaltung, wie es sie für
Kälber und Legehennen gibt.

Friedrich von Homeyer von Demeter beklagte ein zunehmend entfremdetes Verhältnis
zu Lebensmitteln; Qualität und Agrarkultur seien im Verhältnis zum
'Preisbewusstsein' in den Hintergrund getreten. Auch der Ökologische Landbau stehe
vor großen Problemen, weil die notwendigen Preise für die aufwendig erzeugte Milch
nicht mehr realisiert werden könnten.

Bei den Verbrauchern hat die Milch immer noch einen sehr guten Ruf. Sie war bisher
kaum von Lebensmittelskandalen betroffen. Für Brigitta Poppe von der
Verbraucherinitiative ist jedoch der aktuelle niedrige Preis der Skandal. Die
Dumpingpreise, mit denen einige deutsche Lebensmittelketten derzeit Kunden
anziehen, seien fatal. Für die Verbraucher entstehe der Eindruck, dass die
Preisspirale auch für Grundnahrungsmittel ohne Ende nach unten weitergehen könne,
ohne dass es irgendwo Einschränkungen geben müsse. Würden solche Preise zur
Normalität, wäre der Einzug der Gentechnik in die Milchwirtschaft nur eine Frage
der Zeit.

Links zum Thema EU und Landwirtschaft,
Links zum Thema Verbände.

 


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