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@grar.de Aktuell - 05.03.2003

Kommission befasst sich mit der Koexistenz gentechnisch veränderter Pflanzen


Brüssel (agrar.de) - Die Europäische Kommission hat heute eine politische
Erörterung über die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und
ökologisch angebauter Pflanzen geführt. Die Kommissare befassten sich dabei mit
dem Konzept der Koexistenz, den bislang durchgeführten vorbereitenden Arbeiten,
möglichen Betriebsführungsmaßnahmen, der Machbarkeit GVO-freier Gebiete und der
Frage der Haftung im Fall zufälliger Vermischung. Weitere Themen der
Kommissionssitzung waren die politischen Optionen und die auf nationaler und
EU-Ebene zu treffenden Maßnahmen.

Die Kommission stellte fest, dass es bei der Koexistenz um die wirtschaftlichen
Folgen des zufälligen Vorhandenseins genetisch veränderter Kulturen in nicht
veränderten Kulturen geht. Koexistenz ergibt sich aus dem Grundsatz, dass die
Landwirte frei entscheiden sollten, welche Kulturpflanzen sie anbauen wollen, ob
es sich nun um gentechnisch veränderte, konventionelle oder ökologische Kulturen
handelt. Keine Form der Landwirtschaft sollte in der EU ausgeschlossen werden. Die
heutige Erörterung wird als Grundlage für einen Runden Tisch über Koexistenz am
24. April 2003 dienen, bei dem die Beteiligten ihren Standpunkt vorbringen können.
Die Kommission wird dann zügig Leitlinien für die Lösung des Problems der
Koexistenz vorlegen.

'Die Koexistenz wirft Fragen auf, die beantwortet werden müssen. Die Vorschriften
und der rechtliche Rahmen müssen sowohl auf nationaler wie auch auf EU-Ebene genau
festgelegt werden. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Bei der Koexistenz
geht es um wirtschaftliche und rechtliche Fragen, nicht um Risiken oder
Lebensmittelsicherheit, denn in der EU dürfen ohnehin nur zugelassene gentechnisch
veränderte Kulturen angebaut werden. Die Anwendung der Koexistenz-Maßnahmen ist
auch nicht neu. In der konventionellen Landwirtschaft beispielsweise haben
Saaterzeuger bereits viel Erfahrung mit Maßnahmen zur Sicherstellung der
Reinheitsstandards von Saatgut. Der nächste Schritt wird die ausführliche
Erörterung der Optionen mit den Mitgliedstaaten und den Beteiligten sein. Dann
wird die Kommission rasch Leitlinien vorlegen', erklärte Franz Fischler,
zuständiges Kommissionsmitglied für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und
Fischerei.

Was ist Koexistenz?

Der Anbau zugelassener GVO in der EU wird sich auch auf die landwirtschaftliche
Erzeugung auswirken. Die Frage lautet insbesondere, wie mit der zufälligen
Vermischung gentechnisch veränderter und nicht veränderter Kulturen wegen
Saatgutverunreinigungen, Fremdbestäubung, Durchwuchs (selbstaussäende Pflanzen,
hauptsächlich von Ernteresten, die in die nächste Vegetationsperiode übertragen
werden), Ernte- und Lagerungsverfahren und Transport sowie mit den möglichen
wirtschaftlichen Folgen umzugehen ist. Ob die Landwirtschaft dem Verbraucher eine
breite Palette von Wahlmöglichkeiten bieten kann, hängt davon ab, ob sie
verschiedene Anbauformen aufrechterhalten kann.

Das am häufigsten genannte Beispiel für Einkommenseinbußen sind konventionelle
oder ökologische Landwirte, die ihre Erzeugnisse wegen einer zufälligen
Beimischung von GVO, die über dem zulässigen Schwellenwert liegt, billiger
verkaufen müssen. Das Gegenbeispiel wäre die Wertminderung einer speziellen
gentechnisch veränderten Kultur wegen der Beimischung nicht veränderter Kulturen.

Beispiele für mögliche Betriebsführungsmaßnahmen

- Sicherheitsabstände zwischen den Feldern
- Pufferzonen
- Pollenbarrieren
- Bekämpfung von durchwachsenden (selbstaussäenden) Pflanzen
- Fruchtwechsel und Bepflanzungsvorkehrungen für unterschiedliche Blütezeiten
- Überwachung bei Anbau, Ernte, Lagerung, Transport und Verarbeitung.

GVO-freie Gebiete

Die Kommission ist der Auffassung, dass freiwillige örtliche Vereinbarungen
zwischen Landwirten und Industrie, die sicherstellen, dass in bestimmten Gebieten
eine oder mehrere gentechnisch veränderte Kulturen nicht angebaut werden,
natürlich immer möglich sind. Bei Kulturen, die wie erucasäurehaltiger Raps hohe
Reinheitsstandards oder die Trennung verlangen, gibt es bereits Beispiele für
solche Vereinbarungen. Ein allgemeines Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter
Kulturen in den Mitgliedstaaten muss jedoch ausgeschlossen werden, da der Schutz
der wirtschaftlichen Interessen alleine keine ausreichende rechtsgültige
Begründung für derart einschneidende Beschränkungen grundlegender Freiheiten ist.
Außerdem widerspricht die Einrichtung GVO-freier Gebiete gegen den Willen einiger
Landwirte dem Grundsatz der Koexistenz.

Haftung

Es wurde die Frage gestellt, ob mögliche Schadenersatzforderungen bei
wirtschaftlichen Verlusten wegen der Beimischung von Fremdgenen auf
Gemeinschaftsebene geregelt werden müssen. Die Kommission ist der Auffassung, dass
nach dem Subsidiaritätsprinzip zunächst zu prüfen ist, ob das geltende nationale
Recht nicht bereits ausreichende und gleiche Möglichkeiten für diese Fälle bietet.
Ein weiteres Problem ist die Feststellung eines Kausalzusammenhangs zwischen
Handlung und Schaden.

Kulturspezifische Lösungen

Bei jedem Ansatz zur Regelung der Koexistenzfrage muss berücksichtigt werden, wie
wahrscheinlich bei der jeweiligen Pflanze bzw. Sorte die Möglichkeit einer
Ausbreitung auf Nachbarfelder ist. Eine Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle
und ein kürzlich von einer dänischen Sachverständigengruppe zur Koexistenz
verfasster Bericht haben bestätigt, dass die Wahrscheinlichkeit von Beimischungen
und die Maßnahmen zu ihrer Verminderung in hohem Maße von der jeweiligen Kultur
abhängig sind. In der dänischen Studie heißt es außerdem, die Koexistenz könne bei
einem begrenzten GVO-Anteil (10 Prozent) und einem allgemeinen Schwellenwert für
GVO-Spuren in unveränderten Kulturen von 1 Prozent für die meisten Kulturen in
Dänemark (d. h. rote Rüben, Mais, Kartoffeln, Gerste, Weizen, Hafer, Triticale,
Roggen, Lupinen, Saubohnen und Erbsen) sichergestellt werden. Bei manchen Kulturen
müssen die Bewirtschaftungsmethoden möglicherweise geändert zu werden, während es
unter denselben Bedingungen in anderen Fällen praktisch keine Schwierigkeiten
gibt.

Bei Raps und Mais sowie bei der Erzeugung von Saatgut bestimmter Getreidesorten
kann sich die Sicherstellung der Koexistenz jedoch als problematischer erweisen,
und weitere Bewertungen sind nötig, bevor Leitlinien aufgestellt werden können.

Standortbedingte Unterschiede sind wichtige Elemente bei der Bestimmung wirksamer
und kostengünstiger Maßnahmen zur Sicherstellung der Koexistenz verschiedener
Anbauformen. Bei einigen wenigen Kulturen, hauptsächlich bei Raps, würden
Maßnahmen zur Sicherstellung der Koexistenz erhebliche Änderungen bei den
landwirtschaftlichen Praktiken mit sich bringen.

Links zum Thema Biotechnologie,
Links zum Thema EU und Landwirtschaft.

 


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