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@grar.de Aktuell - 03.03.2003

Regionalität statt Futtermittel-Importe

Naturland-Bauern fordern den Schwerpunkt einer regionalen Erzeugung im Öko-Landbau nicht PR-Strategien zu opfern


Hohenkammer (agrar.de) - Naturland meldet sich in der aktuellen
Diskussion um die Fütterung im Ökologischen Landbau zu Wort: '100% Öko-Futter sind
unser erklärtes Ziel, jedoch mit heimischen Eiweißfuttermitteln heute noch nicht
umsetzbar!'

Diese Umsetzung müsse mit Energie und Konsequenz, aber auch mit Augenmaß voran
getrieben werden. Das Pferd kann auch im Öko-Landbau nicht von hinten aufgezäumt
werden: Ohne eine ausreichende Produktion von ökologischen Eiweißfuttermitteln in
den Regionen Deutschlands führt der Ausschluss bisher unverzichtbarer
herkömmlicher Eiweißkomponenten automatisch zu einer Globalisierung der
Futtermittel-ströme auch im Öko-Landbau - mit allen damit verbundenen Nachteilen
und Risiken. Eine solche Vorgehensweise hat damit eher mit Aktionismus als mit
einer ressourcenschonenden Landwirtschaft zu tun. Öko-Landbau und Regionalität
müssen weiter eine Einheit bilden.

'Selbstverständlich ist es auch unser Ziel, dass alle Öko-Betriebe nur noch
ausschließlich Öko-Futtermittel einsetzen. Eine sofortige Umsetzung wäre mit einer
Vielzahl von Problemen und Risiken verbunden', so Hans Hohenester, Naturland-Bauer
aus Bayern. Der konventionelle Anteil sei seit Jahrzehnten auf ganz wenige
pflanzliche Futtermittel (lediglich zur Eiweißversorgung) und auf ein Mindestmaß
(10 Prozent bei Wiederkäuern, 15 Prozent bei Schwein und Geflügel) beschränkt.
Einzelne Naturland Betriebe und andere Öko-Betriebe verwirklichen die 100 Prozent
Öko-Fütterung bereits. Dennoch ist eine Umsetzung für alle Betriebe auf Basis der
viel zu dünnen Grundlage an Eiweißfuttermitteln aus heimischer Erzeugung nicht
möglich. Nur in einem Stufenplan kann der Anbau von Eiweißfuttermitteln
ausgeweitet und in der Folge der Anteil herkömmlicher Futterkomponenten weiter
vermindert werden. Die Erreichung einer ausschließlichen Öko-Fütterung ist nicht
abhängig von einer politischen Willensbekundung oder einer gesetzten Jahreszahl,
sondern von der praktischen Umsetzung im Pflanzenbau.

'Der Öko-Landbau darf seine Bodenhaftung nicht verlieren', so Hans-Dieter Blume,
Naturland-Bauer aus Nordrhein-Westfalen, 'regionale Erzeugung war immer einer der
Eckpfeiler des Öko-Landbaus und muss es auch weiter bleiben. Hohe Rationsanteile
von ökologisch produziertem Soja aus China oder Brasilien sind eher fragwürdig als
bspw. vor Ort erzeugtes konventionelles Kartoffeleiweiß oder Rapskuchen. Weite
Transporte belasten die Ökobilanz stark. Die noch notwendigen Prozentanteile
dieser herkömmlichen Futtermittel werden selbstverständlich u.a. auch auf
GVO-Freiheit hin untersucht!'. Import-Futtermittel müssten gerade im Öko-Landbau
die Ausnahme bleiben. Weil diese zusätzlich noch deutsches Öko-Futtergetreide aus
den Rationen verdrängten, würden die deutschen Betriebe doppelt belastet. Blume
weiter: 'Hier würde sonst das Kind mit dem Bade ausgeschüttet!'.

Neben den massiven Bedenken hinsichtlich der Öko-Bilanz sprechen eine ganze Reihe
weiterer gewichtiger Argumente gegen überstürzte Schritte:

- In der Fütterung liegen noch viel zu wenig Erfahrungen mit Rationen vor, die die
bisher unverzichtbaren hochwertigen Eiweißträger (z.B. Kartoffeleiweiß,
Rapskuchen) ausschließen; die Betriebe und v.a. die Tiere würden so quasi zu
Versuchskaninchen gemacht.

- Selbst mit den bisher zur Verfügung stehenden herkömmlichen Futtermitteln ist
eine bedarfsgerechte Versorgung mit essentiellen Aminosäuren und geschütztem
Eiweiß bei einzelnen Tierarten nur mit ausgefeilten Rationen zu gewährleisten.
Ohne diese sind Probleme in der Tiergesundheit und mit den Produktqualitäten sind
damit so gut wie vorprogrammiert.

- Aus regionaler Erzeugung kann der Anbau der benötigten
Qualitäts-Eiweißfuttermittel nur langsam ausgeweitet werden. Hier sind
insbesondere die deutschen Klimaverhältnisse das Haupthindernis (z.B. bei Soja-
oder Sonnenblumenanbau in weiten Teilen des Landes); aber auch nach wie vor
ungelöste Fragen beim Anbau (z.B. Raps) oder samenbürtige Krankheiten einzelner
Kulturen (z.B. Lupinen). Erbsen als bereits derzeit weitaus wichtigste
Eiweißquelle sind aus Fruchtfolgegründen kaum ausweitbar.

- Die Sicherheit der Produkte würde durch einen derartigen Schritt nicht erhöht.
Insbesondere GVO-Verunreinigungen und verschiedenste Lager- und Transportrisiken
bergen nicht unerhebliche Gefahren. Als weltweit engagierter Verband weiß
Naturland um Probleme und Risiken. Detlef Hansen, Naturland-Bauer aus
Schleswig-Holstein: 'Ohne eigene Projekte und ohne Erfahrung im internationalen
Bereich könnte ein solches Verfahren bei Verbänden, die im Gegensatz zu Naturland
lediglich in Deutschland aktiv sind, das Harakiri sein und damit im Ergebnis dem
gesamten ökologischen Landbau schaden!'.

- Die aktuelle wirtschaftliche Lage und Konsumhaltung hat Auswirkungen auf die
Nachfrage nach Öko-Produkten - wie auch auf andere hochpreisige Lebensmittel. Der
Preisabstand entwickelt sich zunehmend zum Hemmschuh eines weiteren Wachstums.
Durch geänderte Futterrichtlinien würde, ohne dass fassbare Fortschritte in der
Qualitätssicherung erreicht werden, die Erzeugung weiter verteuert. Angesichts der
wirtschaftlichen Lage der Betriebe kann dies weder den Landwirten zugemutet, noch
über Verarbeitung und Handel abgefangen werden, wenn dies nicht mit einem
substantiellen Sicherheitsfortschritt verbunden ist. Ein weiterer Preisanstieg für
Öko-Produkte wäre ein schwerer Schlag für den Absatz und damit für die Entwicklung
des Öko-Landbaus.

Pflanzenbau-Experten sehen kurzfristig keine Chance, den benötigten Eiweißbedarf
auch in der erforderlichen Qualität aus heimischer Öko-Produktion sicherstellen zu
können. Walter Kress, Naturland-Bauer aus Baden-Württemberg: 'Wir müssen des-halb
weiterhin und verstärkt auf Forschung und Züchtung einwirken, damit unsere
Betriebe mittelfristig den Bedarf an hochwertigen Eiweißträgern aus eigener
regionaler Produktion decken können. Öko-Landbau und Regionalität müssen weiter
eine Einheit bilden!'.

Die Naturland-Bauern aus den Regionen haben klare Positionen, die in den
zuständigen Verbandsgremien diskutiert werden: Dem Öko-Landbau droht von zwei
Seiten Gefahr: Einerseits durch inkonsequente Richtlinien in der EU-Verordnung –
z.B. durch Teilumstellung – mit den entsprechenden Konsequenzen im Wettbewerb
gegenüber dem strengen Standard von Öko-Verbandsbetrieben in Deutschland. Die
EU-Öko-Verordnung rollt bei bestehender Umsetzung dem Billig-Bio aus aller Welt
einen roten Teppich aus. Andererseits droht dem Öko-Landbau Gefahr durch unseriöse
Versprechungen, die überzogene Erwartungen wecken. Da diese nicht zu halten sind,
muss die Enttäuschung umso größer ausfallen. Auch auf diese Weise droht das
Verbraucher-Vertrauen Schaden zu nehmen. Der anerkannte Öko-Landbau muss seinen
Weg konsequent weiterentwickeln, ohne dabei auf Schminke und Tünche angewiesen zu
sein. Dies wäre nur von kurzer Dauer.

Links zum Thema Bio-Landbau Praxis,
Links zum Thema Bio-Berbände.

 


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