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@grar.de Aktuell - 27.02.2003

Sachsens Privatbauern gegen Fischler-Pläne

Resolution des VDL auf der Landesmitgliederversammlung - Autobahnblockaden wie bei der Diesel-Demo 2000 denkbar


Freiberg (agrar.de) - Sachsens Privatbauern werden auf der
Landesmitgliederversammlung des Verbandes der privaten Landwirte und
Grundeigentümer Sachsen (VDL) am 5. März 2003 in Freiberg eine Resolution
gegen die Pläne von Agrarkommissar Franz Fischler verabschieden. Künftig sind auch
wieder spontane Aktionen, wie die Autobahnblockaden des VDL bei der Diesel-Demo im
Jahr 2000, durchaus denkbar.

Der VDL wendet sich insbesondere gegen die Pläne der EU-Kommission, das
Prämienniveau der Produktionsjahre 2000, 2001 und 2002 zur Grundlage für die
sogenannte Entkoppelung künftiger Preisausgleichszahlungen zu machen.

'Dieser Plan ist unsinnig und hirnrissig, er ist hinterhältig und zugleich
einfältig - und daran wird er letztlich scheitern,' so der Verband in seiner
Pressemitteilung. Weiter heißt es:

'Dem VDL ist es wiedereinmal aufgegeben, sich an die Spitze des bäuerlichen
Widerstandes zu stellen, gegen die Interessenallmacht rücksichtsloser Großagrarier
und dümmlicher Politiker. Der VDL steht für den Rechtsstaat, wie stets seit 1990
und

- gegen die Fortschreibung von LPG-Zwangskollektivierung und kommunistischem
Bodenreform-Unrecht,

- gegen die LPG-Vermögensverschiebung durch/an SED-Altgenossen,

- gegen den Rechtsbruch der Roten Barone bei der LPG-Umwandlung,

- gegen die berufsständische Beschämung der Rentzsch & Kliem & Co.

- gegen die Persilschein-Hehlerei der Jähnichen & Kompanie,

- gegen die Heuchelei der rot-schwarzen Couleur die LPG-Altschulden streichen zu
lassen und ein LPG-Heilungsgesetz zu installieren,

- gegen zahnlose Minister-Erlasse bei LPG-Scheinfirmen und LPG i.L.,

- gegen Flächenverschiebung von BVVG-Land an LPG-Holdings, dubiose
Agrargesellschaften oder Großpächter aus dem Westen,

- gegen die Weigerung der politischen Klasse, den ostdeutschen Bauern ein
Sondererbrecht, gemäß dem westdeutschen Höferecht einzuräumen.

1. Die EU-Kommission und die Bundesministerin Künast sind wiedereinmal der
agrarindustriellen Lobby in Westeuropa, den Ost-Agrarministern und dem
LPG-unterwanderten Bonner Bauernverband unterlegen.

2. Der Fischler-Künast-Plan begünstigt einseitig die großen LPG-Strukturen,
benachteiligt die flächenarmen Wiedereinrichter und die gründungswilligen
Jungbauern. Der Fischler-Künast-Plan zementiert die LPG-Verhältnisse, zerstört
weitere Arbeitsplätze und kommt einem Berufsverbot für Jungbauern gleich. Er ist
zudem verfassungswidrig, weil er gegen das Gebot der Berufs- und Gewerbefreiheit
verstößt.

Was wurde ausgeheckt?

Die bisher produktionsgebundenen Zahlungen sollen ab 2004 in eine Einheitsprämie
umgewandelt werden. Tier- und Flächenprämien werden von der Produktion
'entkoppelt'. Die betriebliche Prämie errechnet sich aus der Summe aller Flächen
und Tierprämien der Jahre 2000 bis 2002, geteilt durch die vorhandenen Hektar des
Betriebes an Acker- und Grünland. Soweit so gut. Aber was noch kommen soll,
schlägt den Fass den sprichwörtlichen Boden aus!

Fischlers Kernelement bleibt die Entkoppelung der Tier- und Flächenprämien von der
Produktion. Das werden die Geschäftsführer und Vorstände flächenstarker
ostdeutscher Pachtbetriebe mit Genugtuung hören. Nicht nur dass es keine
Obergrenze bei 300.000 Euro geben wird – der Europaabgeordnete Lutz Göbel (CDU)
zieht derzeit durch Sachsen und brüstet sich dieses Erfolges, genauso wie der
Stoiber-Kandidat als Bundeslandwirtschaftsminister, MdB Peter Harry Carstensen,
der sich vergangene Woche im Bundestag gemeinsam dieses 'Erfolges' mit dem
Agrarminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus (SPD), ganz ungeniert
freute.

Gut schmeckt das süße Ochsenblut der gottverdammten Läusebrut!

Die LPG-Nachfolger und die Nichtnachfolger, die Holländer und die Sieben Schwaben,
nicht zu vergessen die Freiherren, die vor und hinter dem Busche hocken, werden
ihre Viehbestände noch weiter herunterfahren, werden noch mehr Mitarbeiter
(Landarbeiter, Mägde und Knechte) den Arbeitsämtern überlassen und selbst auf dem
ledernen Sofa sitzen. Winters aber, werden sie die sicheren Prämien in die
Spielbanken nach Monte Carlo tragen und nach Grand Canaria. Ja, Genossen und
Genießer! Es wird sich gut leben lassen von dem Prämienniveau aus 2000 bis 2002.

Denn eine goldene Fischler-Hausse, genannt nach dem (uns enttäuschenden)
Kleinbauern aus Österreich, erwarten zumindest 5 fette Jahre lang und wie immer
sehr dankbar: die Ost-West-Barone.

Geschenkte Prämienrechte

Die nur einmal, 2004 zugeteilten, also geschenkten Prämienrechte, werden
handelbar, ähnlich dem Quotenhandel bei der Milchbörse. Na, das stärkt doch den
derzeitigen Bewirtschafter! Oder? Was aber wenn nun ein flächenarmer
Familienbetrieb wachsen muss oder ein Jungbauer Vaters Klitsche aus der LPG
herausnimmt? Dann stehen seine Prämienrechte mit Kreide in der Esse!

Denn der bisherige Pächter, der LPG-Boss beispielsweise, muss das Land, welches
2004 oder später mit Ablauf des Pachtvertrages aufgekündigt wurde, zwar
herausgeben, nicht aber die Prämienrechte, die auf diesem Lande ruhen. Diese
können dann kapitalisiert werden und, wenn der Baron lustig ist, auch verkauft
werden - mit oder ohne Fläche!

Die Prämie ist voll handelbar, auch ohne Boden! Was ist aus dem Bauernstand
geworden. Es soll aber 'nationale Obergrenzen' in der Prämienhöhe geben, na wie
schön! Von denen soll dann '1 Prozent als Reserve für Härtefälle' für arme
Bäuerlein in die Landesreserve gestellt werden.

Der Privatbauer, der ab 2004 Flächen übernimmt, übernimmt sie von seinem
Verpächter oder Verkäufer mit großer Sicherheit ohne Prämienrechte. Denn der
Vorpächter, also hier, der Großbetrieb, muss mit der Flächenabgabe die Prämie
nicht mit übergeben. Der Pacht- und Bodenmarkt wird eingefroren. Die Pacht- und
Kaufpreise werden sinken. Ohne Prämien, kein Wirtschaften - also bleiben die
Flächen, wo sie bisher waren. Oder sie fallen künftig brach. Eine Zementierung
zugunsten der großen Agrargesellschaften. Freie Bauern wehrt euch!

Brachfallen ganzer Landstriche

Prof. Dr. Folkhard Isermeyer, FAL, ein Apologet für Wachsen oder Weichen:
Eine Entkoppelung habe grundsätzlich Vorteile: Die EU werde bei den
WTO-Verhandlungen besser dastehen. Kein Bauer werde gezwungen, als Voraussetzung
für die Prämie, eine unrentable Produktion aufrecht zu erhalten. Die
Ungerechtigkeiten, die aus einem zufällig entstandenen Preisausgleich 1992
herrührten, könnten überwunden werden. Auch die Verwaltungskosten würden sinken.
Na, wer letzteres glaubt?

Er erkennt aber auch Nachteile: Es werde nur noch das produziert, was auch ohne
Prämie rentabel ist. Das Brachfallen ganzer Landstriche könne mittels
Bewirtschaftungsverpflichtung (Cross Compliance) oder mit Geldern für die
ländliche Entwicklung verhindert werden. Doch räumt er ein, 'dass auf den guten
Standorten noch effizienter und auf den schlechten noch extensiver gewirtschaftet
wird'.

Die künftigen Pachtpreise werden sinken, erwartet auch Isermeyer, und er begründet
das damit, dass in Deutschland die landwirtschaftlich bewirtschaftete Fläche
insgesamt größer ist als die prämienbegünstigte Fläche. Die Pacht werde sich dann
nicht mehr an der Grundrente, also am Ergebnis orientieren, sondern am
Prämienrecht der Fläche. Die bisherigen Pächter würden ihre Prämien nicht mit dem
aufgekündigten Land zurückgeben, sondern auf prämienfreie Flächen in ihren
Betrieben buchen. Die Prämienrenten liegen zumindest 5 Jahre beim früheren
Bewirtschafter, der inzwischen die Fläche los ist. Bund der Steuerzahler, hilf!
Alles sehr grotesk.

Gestärkt wird die Position der Roten Barone. Sie gelten als aktive Bewirtschafter
in den Quoten-relevanten Referenzjahren 2000 bis 2002. Die auf Wachstum
angewiesene Familienbetriebe dagegen erhalten dagegen nur noch prämienfreie
Flächen, wenn sie pachten oder kaufen.

Im Lauf der Jahre wird aber ein immer größerer Teil dieses Personenkreises nicht
mehr Landwirt sein wollen, fürchtet Isermeyer. Die Prämienrenten zahlen dann aber
die flächenarmen Familienbetriebe, als die noch aktiven Landwirte, an die
Sofa-Agrarier.

Alles noch unklar

Isermeyer fragt: 'Wie stark kann ich meine Verpächter angesichts der Konkurrenz um
Flächen unter Druck setzen? Wie sieht künftig die Pachtpreisstatistik aus, und
kann ich sie bei Neuverpachtungen als Argument einsetzen? In Regionen mit viel
Kartoffeln, Zuckerrüben, und Feldgemüse (z.B. Rheinland) dürften die Pachtpreise
eher sinken als in Veredlungsgebieten, wo die Viehobergrenzen die entscheidenden
Größen sind. Streit im Dorf ist ohnehin programmiert angesichts der Möglichkeiten,
die das neue System bieten soll. Der Anteil prämienfreier Fläche hängt auch davon
ab, wie viel Futterfläche den Rinder- und Schafprämien zugeordnet wird. Der
Verordnungsentwurf lässt hier Spielraum. Für Betriebe mit knapp über 20 ha
prämienbegünstigter Fläche wird der Verkauf von Prämienrechten attraktiv sein, um
der Stillegungsverpflichtung zu entkommen. Auch Großbetriebe werden die 'letzten'
Hektar Prämienrechte, die stärker moduliert werden, eher abgeben als die ersten.
Und auch die Bewirtschaftungsverpflichtung verursacht Kosten, die Kauf- oder
Pachtpreise für Prämienrechte mindern.'

Neue Betriebe gründen wegen Prämien?

Die EU-Länder könnten (freiwillig oder unter dem Druck von Gerichtsurteilen) die
Möglichkeit nutzen, aus der 'Härtefallklausel' eine Regelung für Junglandwirte zu
machen, vermutet die DLG. Und weiter: Isermeyer kann sich nun folgendes Szenario
vorstellen: 'Eigentümer (oder noch besser: ihre Kinder) gründen, bevor sie Flächen
(weil prämienfrei) zum Nulltarif abgeben, einen neuen Betrieb und beantragen dafür
Prämien aus der Landesreserve. Oder ein Zuckerrübenanbauer bringt seine
prämienfreien Flächen in einen solchen Betrieb ein. Da man in einem solchen Fall
die Prämien billiger vom Staat bekäme als auf dem freien Markt, ginge dort die
Nachfrage zurück. Die Pachtpreise blieben auf hohem Niveau, denn jeder
prämienfreie Hektar könnte Prämien aus der nationalen Reserve 'fangen'. Und weil
die 1 Prozent dann natürlich nicht reichen, aber vielleicht ein Anspruch auf die
nationale Reserve gerichtlich eingeklagt werden könnte, müssten die Mittel dann
den 'normalen' Prämien abgezwackt werden. Das wäre die absurde Konsequenz eines
neuen Systems.'

Paradox, in welches System wir geraten werden. Aber Recht hat der Mann!

Verhängnisvolle Saat gelegt

Damit entsteht auch die soziale Frage für Karl-Marx im Himmel neu:

Warum bekommt der Baron eigentlich noch Prämien fürs Nichtstun?
Und welches kranke Hirn hat sich das eigentlich ausgedacht?
Und was sagen eigentlich Sara Wagenknecht und Markus Wolf dazu?

Im Ernst: Die Dörfer werden noch tiefer gespalten, nun auch im Westen, vor allem
aber hier im 'LPG-Land'. Dieser rot-grüne Staat hat ordnungspolitisch jedoch nicht
mehr versagt, als die Kohl-Koalitionen, die diese verhängnisvolle Saat schon 1990
gelegt hatte.

Bauern aller Länder, entkoppelt Euch!

Die Entkoppelung von der Produktion wird zu Kämpfen um Flächen und Prämienrechten
und zu Unruhen mit gesellschaftlichen Auswirkungen führen.

Betriebe werden aufgeben müssen, weil ihre Flächen 'prämienfrei' geworden sind.
Das sagt sich so leicht dahin. Ein skrupelloses Bauernlegen und der Bauer, ein
weiterer Sozialfall in unser immer maroder werdenden Gesellschaft. Doch zuvor kann
es zu entkoppelten Bauernunruhen kommen: Hier und in Frankreich und in Polen.

Motto: Bauern aller Länder, entkoppelt Euch!'

Links zum Thema Verbände.

 


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