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@grar.de Aktuell - 24.02.2003

Friedlich miteinander: Ackerbau und Artenschutz

Ministerin Petra Wernicke: Ertragsorientierte Landwirtschaft in einem vielfältigen Naturraum lässt Raum für artenreiche Fauna und Flora


Gerbstedt (agrar.de) - Intensiver Ackerbau in Großbetrieben und die Artenvielfalt
im Agrarraum sind miteinander vereinbar, wenn Lebensraum bietende
Landschaftsstrukturen wie Feldsäume, Ufer- und Krautstreifen sowie Hecken und
Ackerrandstreifen erhalten und gefördert werden. Die Artenvielfalt auf der
eigentlichen Produktionsfläche ist allerdings in jeder Form heutiger
Landwirtschaft nur sehr begrenzt möglich. Maßnahmen zum Artenschutz stellen ein
Anliegen der Gesellschaft dar. Deshalb müssen sie in Kooperation aller Beteiligten
gestaltet werden. So lautete das Fazit der Veranstaltung 'Artenschutz und
intensive Landwirtschaft - nachhaltige Wege zum Erfolg' der Fördergemeinschaft
Nachhaltige Landwirtschaft (FNL), die am 20. Februar 2003 in Gerbstedt
(Sachsen-Anhalt) stattfand.

Sachsen-Anhalts Landwirtschafts- und Umweltministerin Petra Wernicke betonte, sie
sehe keinen grundsätzlichen Interessenkonflikt zwischen einer intensiven
Landwirtschaft und dem berechtigten Wunsch nach Artenvielfalt im Agrarraum. Frau
Wernicke sagte: 'Richtig ist, dass jede Form der Bewirtschaftung einer Fläche die
Artenvielfalt eben auf dieser Fläche einschränkt. Richtig ist auch, dass
Landwirtschaft immer ertragsorientiert arbeiten wird. Daraus jedoch zu
schlussfolgern, dass Artenvielfalt in Nachbarschaft zur Ackerfläche nicht möglich
wäre, ist falsch. Es geht doch nicht nur um eine Vielfalt von Flora und Fauna auf
der landwirtschaftlichen Produktionsfläche. Es geht vielmehr um Artenvielfalt im
Naturraum. Diese wird sowohl von der Existenz des Ackers als auch von der Ein-
oder Vielfältigkeit des Biotopes in dem Naturraum bestimmt.'

'Nachhaltige landwirtschaftliche Tätigkeit, selbst unter den Bedingungen harter
Marktwirtschaft und Einkommenssicherung, umfasst die Erhaltung der
Kulturlandschaft und der Artenvielfalt', stellte Dr. Fritz Schumann,
Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes Sachsen-Anhalt zu Beginn seines
Statements fest. 'Wir bieten uns als Partner an und wollen gemeinsam mit anderen
Gruppen optimale Lösungen für alle Beteiligten erarbeiten.' Voraussetzung sei
aber, dass alle Maßnahmen, die über die 'gute landwirtschaftliche Praxis'
hinausgingen, entsprechend honoriert würden. Als Beispiele nannte Schumann die
Anlage und Pflege von Schutzflächen, Blühstreifen oder Hecken. Wenig hilfreich
seien hingegen aktuelle Vorschläge zur GAP-Reform, die auf eine 10-jährige
Dauerbrache abzielten und eine Verödung der Kulturlandschaft zur Folge hätten.
Freiwillige und flexible, auf die Region bezogene Maßnahmen sollten Vorrang haben.
Ebenso mahnte Schumann an, von überzogenen Abstandsregelungen für den
Pflanzenschutz entlang von Hecken und Gewässern abzusehen.

Dr. Wolfgang Heyer, Institut für Acker- und Pflanzenbau der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, unterstrich in seinem Beitrag, dass
bei der Beurteilung der Artenvielfalt besonderes Augenmerk auf die Arten gelegt
werden solle, die für die Selbstregulation der Ökosysteme wichtig seien.
Biodiversität sei ein Umweltschutzziel der Landwirtschaft und könne insbesondere
durch einen vielfältigen Lebensraum gesichert werden. Die Intensität der
Bewirtschaftung spiele hingegen eine untergeordnete Rolle. Dr. Heyer gab zu
bedenken, dass auch andere Umweltschutzziele wie Boden-, Wasser- und
Atmosphärenschutz wichtig seien. Die einseitige Bevorzugung eines
Umweltschutzzieles könnte andere Ziele beeinträchtigen. Der Wissenschaftler
forderte die Landwirtschaft und den Gesetzgeber auf, gemeinsam praktikable
Lösungen zu erarbeiten. Agrarumweltprogramme seien in diesem Zusammenhang
prinzipiell ein richtiger Ansatz. Forschungsbedarf sieht Dr. Heyer in der
Erarbeitung von regionaltypischen Artenzahlen, die als Referenzdaten zur
Beurteilung der tatsächlich vorhandenen Artenzahl hinzugezogen werden können.

'Die faunistische Artenvielfalt auf den Untersuchungsflächen rund um Gerbstedt hat
uns überrascht. Auf einem Feldrain haben wir beispielsweise im Mittel 80 Tierarten
aus fünf untersuchten Tiergruppen gefunden', erklärte Dr. Thomas Esser vom Kölner
Büro für Faunistik (KBF). Zusammen mit seinen Kollegen hätte er auf den 4
untersuchten und nach den Prinzipien des Integrierten Landbaus bewirtschafteten
Betrieben in verschiedenen Naturräumen Deutschlands zahlreiche Rote-Liste-Arten
erfasst. Auf den Ackerbegleitstrukturen in Gerbstedt seien neben gefährdeten
Vogelarten wie Braunkehlchen, Neuntöter und Rotmilan auch Arten der Vorwarnliste
wie Feldlerche, Dorngrasmücke und Feldsperling beobachtet worden. Auch der
gefährdete Warzenbeißer (Heuschreckenart) und der auffällige
Schwalbenschwanz-Schmetterling oder der Neuntöter (Vogelart) seien in der
Ackerbauregion heimisch. 'Entscheidend für die Artenvielfalt ist nicht der
Naturraum, das Bewirtschaftungsverfahren oder die Betriebsgröße, sondern das
Vorhandensein von vielfältigen Biotopen, die möglichst selten durch
Bewirtschaftungsmaßnahmen beeinflusst werden', betonte der Biologe und stützte
damit die Aussage von Dr. Heyer. Jede Form der Bewirtschaftung, die auf Ertrag
ausgerichtet sei, schränke jedoch die Artenvielfalt auf der Produktionsfläche ein.
Dr. Esser stellte abschließend fest, dass durch die regionale Zusammenarbeit von
Landwirtschaft, Naturschutz, Politik, Verwaltung und den übrigen Beteiligten die
besten Lösungen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung erarbeitet werden könnten.

Die ausführlichen Ergebnisse der Untersuchungen auf dem Standort Gerbstedt im
Rahmen des Forschungsprojektes 'Lebendige Natur durch Landwirtschaft' sind unter
dem Titel 'Vielfalt der Tierwelt in der Agrarlandschaft - Ergebnisse des Projektes
Lebendige Natur durch Landwirtschaft' als Heft 4/2002 der ilu-Schriftenreihe
erschienen. Autoren sind C. Albrecht, T. Esser, J. Weglau und H. Klein. Der Bezug
erfolgt über die FIL GmbH, Konstantinstraße 90, 53179 Bonn, per Fax unter
0228-9799340 oder E-Mail. Der Preis beträgt 10,70 Euro zzgl. 1,30 Euro
Versandkosten.

Links zum Thema Landschaft und Natur.

 


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