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@grar.de Aktuell - 21.02.2003

Milch: Qualität und Sicherheit nicht zum Nulltarif

Milchindustrie-Verband warnt vor sinkendem Wertebewusstsein für Milchprodukte und rückläufigen Erlösen


Berlin (agrar.de) - 'Der Konsum von Milch und Milchprodukten hat sich in
Deutschland trotz schwachem Konsumklima im Jahr 2002 stabil gezeigt. Die Akzeptanz
und das Vertrauen der Verbraucher in die hohe Qualität und Sicherheit der
Milcherzeugnisse ist besser denn je. Trotzdem ist die messbare Leistung unserer
Qualitätsbemühungen – sprich das hochwertige Produkt selbst – immer weniger das
Kriterium für die eigentliche Kaufentscheidung. Milchprodukte sind dem Verbraucher
lieb - aber nicht teuer', konstatierte Dr. Manfred W. Tag, Vorsitzender des
Milchindustrie-Verbandes (MIV), im Rahmen der Jahrespressekonferenz der
Milchbranche am 20. Februar in Berlin. Die zunehmende Billigpreisorientierung des
Verbrauchers würde diese Situation noch verschärfen. Der MIV befürchtet, dass
diese Entwicklung in Verbindung mit den enormen Kostensteigerungen in den
Unternehmen für zahlreiche Molkereien nicht mehr tragbar sein wird. Es müsste sich
endlich grundlegend etwas im Bewusstsein der Verbraucher ändern, so der MIV.

Unsichere Verbraucher

Sorge bereiten dem Milchindustrie-Verband vor allem das Kaufverhalten der
Konsumenten und die damit verbundene Preisentwicklung im
Lebensmittel-Einzelhandel. Die konjunkturelle Lage in Deutschland im Jahr 2002
habe gezeigt, dass die Sparrate der Verbraucher deutlich angezogen habe. Die
Verunsicherung werde sich voraussichtlich auch im Jahr 2003 fortsetzen. Im
Wettbewerb um das zur Verfügung stehende Budget im Haushalt würden die Ausgaben
für Ernährungsgüter einer zunehmend kritischeren Prüfung unterzogen. 'Der
niedrigste Preis ist beim Verbraucher immer häufiger der einzig entscheidende
Impuls für eine Kaufentscheidung. Das gilt auch für Milch und Molkereiprodukte',
so Dr. Tag. Derzeit werden nur noch 12 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens
für Nahrungsmittel ausgegeben. 1970 musste ein Industriearbeiter für ein Päckchen
Butter 22 Minuten arbeiten, heute sind es nur noch 5 Minuten. Ähnliches gilt für
Trinkmilch, wo heute 3 Minuten entlohnte Arbeit ausreichen, vor 30 Jahren aber
immerhin dreimal soviel Arbeitszeit nötig war.

Discountschiene einziger Gewinner

Markenartikel mit hoher Wertschöpfung würden immer weniger nachgefragt.
Gleichzeitig sei eine starke Hinwendung zum Discount festzustellen, der im Jahr
2002 einen Umsatzzuwachs von über 11 Prozent verzeichnen konnte. Alle anderen
Sparten im Lebensmitteleinzelhandel mussten dagegen Verluste hinnehmen. Bereits
heute würden über 40 Prozent des Umsatzes bei Milch und Milchprodukten der
sogenannten 'Weißen Linie' (Konsummilch, Milchfrischprodukte,
Sahne/Sahneerzeugnisse) über den Discount abgewickelt. Im SB-Bereich der 'Gelben
Linie' (Käse, Butter und Milchstreichfette) seien es sogar über 50 Prozent. Laut
MIV werden die Anteile auch künftig steigen, wodurch die Preise für Milchprodukte
immer weiter unter Druck gesetzt und die Erlössituation für die
milchverarbeitenden Unternehmen verschärft wird.

Kostendruck steigt weiter an

Neben der ansteigenden Discountorientierung warnte der Verband vor den
zusätzlichen Kostenbelastungen für die Milchindustrieunternehmen im laufenden
Jahr. Als Beispiel nannte der MIV die gravierenden Auswirkungen der letzten
Anhebung der Ökosteuer für die Molkereien. Allein bei der Stromsteuer müssen die
Molkereien eine Steigerung um 350 Prozent gegenüber dem Vorjahr verkraften.

Auch die ab 31.08.2003 voraussichtlich in Kraft tretende Lkw-Maut stellt für die
Milchindustrie eine unverhältnismäßig hohe Belastung dar. Mit Unverständnis
reagierte der Verband auf die pauschale Aussage des Bundesverkehrsministerium, das
die Erhöhungen in einzelnen Produktbereichen als marginal und für den Verbraucher
kaum spürbar bezeichnete. MIV-Vorsitzender Dr. Tag: 'Diese Aussage mag vielleicht
bei hochpreisigen Konsumgütern noch zutreffen. Im Bereich der Lebensmittel - und
hier besonders der Molkereiprodukte - ist die Belastung im Gegensatz dazu jedoch
um ein Vielfaches höher. Am Beispiel des Joghurt wird dies deutlich: Die vom
Bundesverkehrsministerium ausgelobte Belastung von 0,5 Cent durch die Lkw-Maut
stellt bei einem Produktpreis von 17 Cent, gemäß GfK-Erhebungen, einen Anteil von
3 Prozent dar. Außerdem lässt diese Betrachtungsweise unserer Meinung nach die
Mautbelastungen im Zulieferungsbereich außer Acht, die das Produkt zusätzlich
verteuern werden. Wer die Margen bei Lebensmitteln kennt, weiß um die Brisanz '.

Neben diesen beiden Beispielen habe die Milchindustrie 2003 außerdem Verteuerungen
bei Zutaten, Verpackung, Löhnen und Maschinenkosten zu verkraften. Darüber hinaus
werde die auch politisch beeinflusste Entwicklung auf den Rohölmärkten nicht nur
im Energiebereich eine Rolle spielen, sondern sich auch auf die Verpackungskosten,
z. B. durch erhöhte Folien- und Kunststoffpreise, auswirken.

Qualitätsmanagement-System für Milch sichert Vertrauen und Märkte

Das gute Image der Milchprodukte komme nicht von ungefähr, stellte der MIV
zufrieden, aber dennoch nachdenklich fest. Die deutsche Milchwirtschaft arbeite
kontinuierlich an der Optimierung der Prozesse, um dem Anspruch des Verbrauchers
an sichere und hochwertige Lebensmittel gerecht zu werden. Die aufwändigen
Qualitätssicherungs-Systeme lägen zum Teil weit über den umfangreichen rechtlichen
Vorgaben. Dabei geht es laut MIV nicht nur um die Überwachung der betriebsinternen
Abläufe. Die Prozessverantwortung beginne bereits beim Milcherzeuger. Die
Besonderheiten der Milcherzeugung und -verarbeitung würden in Kürze durch die
Einführung eines eigenständigen und stufenübergreifenden
'Qualitätsmanagement-Systems Milch' dokumentiert. Neben einer Erfassung bei
Futtermitteln, Milchgewinnung und Bestandsregistern werde auch die Gesundheit und
das Wohlbefinden der Tiere einbezogen. Damit werde gleichzeitig ein wichtiger
Beitrag zur Rückverfolgbarkeit von Produkten geleistet. 'Dies ist wieder einmal
ein Beispiel dafür, welche Anstrengungen Milcherzeuger und -verarbeiter zur
Sicherung der Produkte unternehmen. Dass auch solche Maßnahmen dauerhaft Zeit und
Geld kosten, sollte nicht unerwähnt bleiben. Es wäre daher nur fair, wenn der
Verbraucher solche Leistungen entsprechend zu würdigen wüsste', so der
MIV-Vorsitzende Dr. Manfred Tag.

Links zum Thema Milchwirtschaft,
Links zum Thema Lebensmittelqualität und Kontrolle.

 


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