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@grar.de Aktuell - 18.02.2003

Studie räumt mit Vorurteilen gegenüber Nebenerwerbslandwirten auf


Beierfeld (agrar.de) - Landwirtschaft im Nebenerwerb ist durchaus eine dauerhafte
Betriebsform. Untersuchungen der Uni Hohenheim in zwei verschiedenen Regionen
ergaben, dass dort 75 Prozent der Betriebe aus dem Nebenerwerb übernommen worden
sind. Die Studie räumt auch mit dem Vorurteil auf, dass Nebenerwerbslandwirte
unwirtschaftlich arbeiten würden, so der sächsische Verband der Landwirte im
Nebenberuf (VLN-Sachsen).

Vom Institut für Landwirtschaftliche Betriebslehre der Universität
Hohenheim
wurde im Herbst 2001 eine Untersuchung von Nebenerwerbsbetrieben in
einer industriestarken und einer industrieschwachen Ackerbauregion durchgeführt.
Die Ergebnisse der Umfrage von Dr. Ruth Schwenninger und Prof. Dr. Reiner
Doluschwitz geben Anlass, diese anhand von zwei häufig aufgestellter Hypothesen zu
erörtern.

Nicht wirtschaftlich?

1. Vorurteil: 'Nebenerwerbslandwirte wirtschaften aufgrund der geringen
Betriebsgröße und der Doppelbelastung unwirtschaftlich und handeln irrational.'

Diese Ansicht, die von Gegnern der Nebenerwerbslandwirtschaft häufig vertreten
wird, muss aufgrund der Ergebnisse der Befragung verworfen werden.
Nebenerwerbslandwirte entscheiden beim Kauf von Maschinen und Geräten durchaus
rational.

Während Schlepper, die für nahezu alle Feldarbeiten benötigt werden, nur in
geringem Maße gemeinschaftlich genutzt werden, geht bei Maschinen und Geräte
(Pflüge, Sämaschinen, Bodenbearbeitungsgeräte) der Trend immer mehr zum
Gemeinschaftseigentum. Zur besseren Auslastung eigener Spezialmaschinen bieten die
Nebenerwerbslandwirte teilweise selbst Überbetriebliche Arbeiten an.
Kapitalintensive Maschinen (Mähdrescher, Pressen, etc.) werden vorwiegend
überbetrieblich durch Lohnunternehmen, Maschinenringe oder Nachbarn bzw. Kollegen
genutzt. Die Beanspruchung des überbetrieblichen Maschineneinsatzes liegt je nach
Region zwischen 77, 1 und 83,8 Prozent. Das beweist, dass Nebenerwerbslandwirte
durchaus rational denken und handeln.

Die Nebenerwerbslandwirte können in den beiden untersuchten Regionen trotz des
hohen überbetrieblichen Maschineneinsatzes als investitionsfreudig bezeichnet
werden. Immerhin gaben rund 65 Prozent der Befragten an, in den letzten Jahren
Investitionen getätigt zu haben. Die genauere Aufschlüsselung der Investitionen
ergab, dass bei den Wirtschaftsgebäuden selten in die Instandsetzung der
vorhandenen Bausubstanz investiert wurde, sondern vielmehr in neue
Maschinenhallen. In Stallgebäude wurde nur wenig investiert.
Maschineninvestitionen wurden vor allem in Schlepper und Bodenbearbeitungsgeräte,
die für die Grundmechanisierung im Marktfruchtbereich erforderlich sind, getätigt.

Nur selten Kredite

Kleine Betriebe unter 10 ha verhalten sich bei Investitionen eher zurückhaltend.
Die Ungewissheit über die Fortführung des Betriebes aber vor allem auch die
fehlende Rentabilität größerer Investitionen, dürften hierfür maßgeblich sein.

Über die Hälfte der befragten Landwirte finanzieren die die Investitionen rein aus
Eigenkapital. Gemischtfinanzierungen aus Eigen- und Fremdkapital werden von etwa
einem Viertel der Landwirte getätigt. Nach Angaben der Befragten wird nur selten
zu 100 Prozent aus Fremdkapital finanziert. Dies zeigt, dass die Land- wirte bei
Neuinvestitionen keine Risiken durch hohe Kreditaufnahmen eingehen wollen und nur
dann investieren, wenn sie die Investitionen größtenteils selbst finanzieren
können.

Zur Finanzierung der Investitionen können sie Nebenerwerbslandwirte neben dem
Eigen- und Fremdkapital auch das außerlandwirtschaftliche Einkommen heranziehen.
Grundsätzlich sollte das außerlandwirtschaftliche Einkommen nicht in die
Landwirtschaft transferiert werden, weil dann die Nebenerwerbslandwirtschaft zum
Hobby wird und keine dauerhafte Betriebsform ist. Es ist jedoch immer noch
günstiger, sich aus dem außerlandwirtschaftlichen Einkommen eigenzufinanzieren als
über eine Fremdfinanzierung. Wenn das transferierte Einkommen aus dem
Haushaltseinkommen für die Familie tragbar und die Investition rentabel ist, so
ist einer Finanzierung aus dem außerlandwirtschaftlichen Einkommen nicht
entgegenzubringen.

Fazit: Die Behauptung, Nebenerwerbslandwirte würden nicht rational denken und
handeln, kann nach Betrachtung der Betriebsorganisation und des Verhaltens der
befragten Landwirte nicht bestätigt werden. Sicherlich bestehen noch
Optimierungsmöglichkeiten in der Betriebsorganisation, aber auch
Haupterwerbslandwirte produzieren nicht im absoluten Optimum. Den sich laufend
ändernden Rahmenbedingungen können sich weder Haupt- noch Nebenerwerbslandwirte
ständig anpassen.

Nicht dauerhaft?

2. Vorurteil: 'Nebenerwerbsbetriebe können im Strukturwandel nicht als dauerhafte
Betriebsform bestehen, sondern steIlen lediglich einen Übergangsstadium beim
Einstieg in den Ausstieg dar.'

Auch diese Ansicht kann nicht bestätigt werden. Die mittlere Altersverteilung der
Untersuchten Betriebe zeigt, dass nicht nur ältere Landwirte in der
Nebenerwerbslandwirtschaft zu finden sind, sondern auch jüngere die Form der
Erwerbskombination wählen. Die Zukunft der Nebenerwerbsbetriebe hängt vornehmlich
von der Hofnachfolgesituation ab. So zeigt die Darstellung der
Hofnachfolgesituation in Abhängigkeit der Betriebsgröße, dass bei Betrieben mit
mehr als 25 ha die Hofnachfolge bei über 25 Prozent gesichert ist. Je größer also
der Betrieb, desto geringer der Prozentsatz der ungesicherten Nachfolge.

Vergleichsweise günstig ist auch die Situation in den Betrieben mit über
50-jährigen Betriebsleitern, wo über kurz oder lang die Hofübergabe ansteht. In
der industrienahen Region sind bereits bei 40,9 Prozent und in der industriefernen
Region bei 26,6 Prozent die Nachfolger bekannt.

Viele Faktoren, sowohl ökonomische als auch persönliche, spielen bei der
Entscheidung einen Betrieb im Nebenerwerb zu übernehmen eine Rolle. Landwirt zu
sein ist nicht nur ein Beruf, sondern auch eine Lebenseinstellung. Bei den
Nebenerwerbslandwirten wird besonders deutlich, dass die immateriellen Gründe weit
mehr als die ökonomischen Gründe zählen. So steht auch in der Umfrage nach den
Motiven für die Übernahme des Betriebes im Nebenerwerb die Freude an der
Landwirtschaft an erster Stelle, gefolgt von der Tradition in der Familie und dem
Erhalt des Hofes.

Ökonomische Gründe, wie die Sicherheit eines zweiten Einkommens, wurden kaum
genannt. Die starke Gewichtung der außerökonomischen Motive ist ein klarer Beweis,
dass sie Nebenerwerbslandwirtschaft eine dauerhafte Erwerbsform ist. Sie wird auch
dann betrieben, wenn finanzielle Aspekte unwichtig werden, weil immer die
immateriellen Werte stärker gewichtet werden.

Bei der Übernahme des Betriebes im Nebenerwerb spielten die wenigsten
Betriebsleiter bereits mit dem Gedanken, diesen bald auslaufen zu lassen. Die
Entscheidung, den Hof aufzugeben, hängt von mehreren Faktoren, wie zum Beispiel
der Betriebsnachfolge oder den Rahmenbedingungen ab, die bei der Übernahme des
Betriebes noch unbekannt sind und sich erst im Laufe der Zeit herausstellen
werden.

Die Frage, in welcher Generation der Betrieb im Nebenerwerb geführt wird, zeugt
ebenfalls von der Dauerhaftigkeit dieser Erwerbsform. So haben 75 Prozent der
Befragten den betrieb aus dem Nebenerwerb übernommen und davon wiederum 70 Prozent
in mehr als der zweiten Generation. 30 Prozent würden sich heute sofort wieder für
die Landwirtschaft entscheiden. Die Hälfte antwortete mit vielleicht und nur 20
Prozent entschieden sich aus heutiger Sicht gegen die Nebenerwerbslandwirtschaft.

 


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