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@grar.de Aktuell - 11.02.2003

Gen-Reis könnte Gesundheitssituation in armen Ländern verbessern

ZEF-Forscher legen Untersuchung am Beispiel der Philippinen vor


Bonn (agrar.de) - Gentechnisch veränderter Reis könnte die Versorgung der
Bevölkerung mit Vitamin A erheblich verbessern. Darauf haben die beiden
Agrarökonomen Roukayatou Zimmermann und Matin Qaim vom Bonner Zentrum für
Entwicklungsforschung (ZEF) in einer Untersuchung am Beispiel der
Philippinen hingewiesen.

Der Mangel an wichtigen Mikronährstoffen wie Vitamin A, Eisen oder Jod hat in den
Entwicklungsländern gravierende Folgen: Jedes Jahr erblinden etwa eine halbe
Million Kinder an Vitamin A-Mangel und weitaus mehr sterben, weil durch
Vitaminmangel ihr Immunsystem geschwächt ist. Auch für Erwachsene, insbesondere
für Schwangere und stillende Mütter, ist Vitamin A-Mangel lebensbedrohlich. Vor
allem die armen Bevölkerungsgruppen sind betroffen, weil sie sich überwiegend von
Grundnahrungsmitteln mit geringem Vitamingehalt ernähren müssen.

Eine entscheidende Verbesserung bei der Versorgung mit nährstoffreichen
Lebensmitteln erwarten Wissenschaftler von gentechnisch verändertem Reis, der im
Endosperm der Körner Beta-Carotin produziert, das vom menschlichen Körper in
Vitamin A umgewandelt werden kann. Die beiden Agrarökonomen Roukayatou Zimmermann
und Matin Qaim vom Bonner Zentrum für Entwicklungsforschung haben jetzt weltweit
zum ersten Mal am Beispiel der Philippinen die Gesundheitseffekte für die
Bevölkerung und die wirtschaftlichen Vorteile untersucht, die mit dem 'Goldenen
Reis' verbunden sind. In ihrer Studie kommen sie zu einem eindrucksvollen
Ergebnis: Es gibt kaum eine höhere soziale Verzinsung von Forschungsinvestitionen.

Entwickelt wurde die neue Reistechnologie von deutschen und Schweizer Forschern an
der Universität Freiburg und der ETH Zürich. Der Aufwand dafür betrug etwa 3 Mio.
US-Dollar, die aus öffentlichen Forschungsmitteln finanziert wurden. Für die
Einführung und Verbreitung der Reistechnologie auf den Philippinen einschließlich
der Test- und Registrierungsverfahren im Land kalkulieren die Autoren der
ZEF-Studie noch einmal etwa 10 Millionen US-Dollar. Dieser Investition stehen
positive Gesundheitseffekte gegenüber, die Zimmermann und Qaim auf bis zu rund 137
Mio. US-Dollar pro Jahr beziffern.

Für ihre Berechnungen haben die beiden Wissenschaftler einen innovativen Ansatz
entwickelt, um die Kosten, vor allem aber den Nutzen ermitteln zu können, den der
'Goldene Reis' erwarten lässt. Sie verwendeten dabei aktuelle Gesundheits-,
Ernährungs- und Forschungsdaten, die sie durch zahlreiche Experteninterviews und
Gespräche mit Reisbauern und Verbrauchern auf den Philippinen untermauerten. Für
ihre Arbeit griffen sie außerdem auf eine neue Berechnungsmethode zurück, die seit
kurzem von der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Weltbank zu Ermittlung
eines einheitlichen Krankheits- und Sterbeindex angewendet wird. Dieser Index
bezieht sich auf die jährlich durch Krankheiten und vorzeitigen Tod 'verlorenen'
gesunden Lebensjahre der Bevölkerung eines Landes. Jedes dieser verlorenen
Lebensjahre setzt die Weltbank für Entwicklungsländer mit Gesundheitskosten von
1.000 US-Dollar gleich. Zimmermann und Qaim schätzen, dass unter optimistischen
Annahmen durch die Einführung des 'Goldenen Reis' auf den Philippinen jährlich
fast 9.000 Neuerblindungen und 950 Todesfälle vermieden werden können. Analog zu
dem genannten Weltbank-Index entspricht dies 137 Mio. US-Dollar an
Gesundheitskosten, die gar nicht erst entstehen würden.

Allerdings ist der 'Goldene Reis', der wegen seiner goldgelben Farbe so genannt
wird, noch gar nicht am Markt vorhanden. Derzeit laufen in verschiedenen
asiatischen Staaten Tests und Zulassungsverfahren. Außerdem gibt es noch nicht
genügend Saatgut, um die neuen Reissorten in großem Stil anzupflanzen. Das wird
nach Einschätzung von Zimmermann und Qaim frühestens in vier bis fünf Jahren der
Fall sein. Kritiker der Gentechnik haben sich bereits vehement gegen die
Einführung der neuen Reistechnologie ausgesprochen und bezichtigen vor allem die
Agrarindustrie, ein besonderes wirtschaftliches Interesse daran zu haben.

Dagegen verweisen die beiden Autoren der ZEF-Studie auf die Tatsache, dass wegen
der für die Entwicklung eingesetzten öffentlichen Forschungsgelder die
gentechnisch veränderten Reissorten für Kleinbauern frei nutzbar sein werden.
Außerdem ist es biologisch möglich, dass Bauern in Entwicklungsländern auch das
Saatgut dieser gentechnisch veränderten Reissorten beliebig vermehren können. Ein
Liefermonopol der Agroindustrie kann damit verhindert werden, betonen Zimmermann
und Qaim. Allerdings sehen auch sie im 'Goldenen Reis' keinen Ersatz für eine
insgesamt zu verbessernde Nahrungsmittelversorgung der armen Bevölkerungsgruppen,
wohl aber eine lebenswichtige Ergänzung zu den verfügbaren und weniger
nährstoffreichen Grundnahrungsmitteln. 'Der Goldene Reis ist eine effiziente
Möglichkeit, um den Mikronährstoffmangel unter den Armen zu reduzieren, aber nicht
die einzige Strategie. Es ist unstrittig, dass auch höhere Einkommen und eine
gezielte Aufklärung über Ernährungsfragen zur Verbesserung der Versorgung in den
Entwicklungsländern erforderlich sind,' hebt Roukayatou Zimmermann hervor.

Die ZEF-Studie ist die erste ihrer Art und könnte dazu beitragen, die polarisierte
Debatte über den Einsatz der Gentechnik in Entwicklungsländern zu versachlichen.
Die von beiden Bonner Agrarökonomen Zimmermann und Qaim entwickelte Methode dürfte
darüber hinaus hilfreich sein, um künftig Agrartechnologien bezüglich ihrer
Ernährungs- und Gesundheitseffekte besser bewerten zu können.

Die vollständige Studie mit dem Titel 'Projecting the Benefits of Golden Rice in
the Philippines' (ZEF-Discussion Papers on Development Policy No. 51, ISSN:
1436-9931) kann kostenlos von der ZEF-Internetseite bezogen werden.

Links zum Thema Biotechnologie.

 


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