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@grar.de Aktuell - 03.02.2003

Energie aus der Agrarwirtschaft?

Zukunftsbewusste Landwirte sind Träger einer ökologisch fundierten Industriellen Revolution


Bad Godesberg/Wuppertal (agrar.de) - Klare Worte fand Dr. Hermann Scheer auf der
Tagung 'Wie wird der Landwirt zum Energiewirt' zum Thema Biomasse: 'Das weltweite
Biomasse-Potential reicht aus, um große Teile des Energiebedarfs zu decken. Das
ist nicht nur eine Feststellung, sondern eine Aufforderung, das Potential auch zu
nutzen', so der Präsident von EUROSOLAR. 'Allem voran geht es um eine
Strategie zur raschen Überwindung der Abhängigkeit von Erdöl und den damit
verbundenen globalen Kriegsgefahren. Dazu gehören vor allem bio-synthetische
Kraftstoffe und Bio-Alkohol als Kraftstoff', so Scheer. Rund 150 Fachleute aus
Politik, Wirtschaft und Forschung waren zu der Tagung der Energieagentur
NRW
und von EUROSOLAR in die Godesberger Stadthalle gekommen.

NRW-Energieminister Dr. Axel Horstmann erklärte, die Biomassenutzung für
energetische Zwecke sei unter landwirtschaftspolitischen und insbesondere
industriepolitischen Gesichtspunkten interessant. Horstmann: 'Es gibt ein großes
Interesse sowohl der Mineralölindustrie als auch der Automobilindustrie an
regenerativ erzeugten Kraftstoffen.' Zurzeit arbeite man an der Umsetzung des so
genannten 'Biomasse-Regionen-Konzeptes'. Neben einer Bestandsaufnahme gehe es in
diesem Konzept um die Entwicklung von Vorschlägen zur Verarbeitung von Biomasse
sowie der Entwicklung von Anlagen und Technologien.

Scheer erklärte den Wandel des Landwirts zum Energiewirt zu einem wesentlichen
Bestandteil des Bemühens, über kurz oder lang die Energieversorgung von fossilen
Ressourcen auf erneuerbare Energien umzustellen. Nach Scheer ist eine finanzielle
Begünstigung für Strom und Treibstoffe aus Biomasse unumgänglich, wenn sie sich
gegen fossile Energieträger durchsetzen sollen. 'Das beinhaltet natürlich auch
unpopuläre Maßnahmen.'

Der EUROSOLAR-Präsident betonte, dass die 'Energiewende' eine globale
Herausforderung sei. Während sich in der EU der Gesamtenergieverbrauch zwischen
1990 und 2020 um ein Viertel erhöhe, steige er z.B. in den Entwicklungsländern im
gleichen Zeitraum um das Dreifache. Bereits heute sei ihr Gesamtenergieverbrauch
zweimal höher als in der EU.

'Wir befinden uns mitten in einer weiteren Industriellen Revolution', erklärte Dr.
Norbert Hüttenhölscher, Leiter der Energieagentur NRW. Hüttenhölscher sagte, es
gehe um die konkrete Umsetzung der Wende bei der Energieversorgung. 'Die Zukunft
liegt in der dezentralen Energieversorgung. Dabei wird die Energie vom Acker oder
aus dem Stall zur Eigen- oder Regionalversorgung weltweit an Bedeutung gewinnen',
prognostizierte Hüttenhölscher. Derzeit werden rund acht Prozent des
Stromverbrauchs in Deutschland aus erneuerbaren Energien gezogen. Den möglichen
Anteil der Agrarwirtschaft am Gesamtenergieverbrauch Deutschlands schätzt
Hüttenhölscher auf über zehn Prozent.

Technische Voraussetzungen

Die Referenten waren sich einig, dass die technischen Möglichkeiten zur Gewinnung
von Energie aus Agrarprodukten vielversprechend fortgeschritten seien oder sich
teilweise in der Praxis bereits bewährt hätten. Das gelte für die Gewinnung von
Glukose als Treibstoff für chemo-elektrische Antriebe ebenso wie für die Erzeugung
von Bio-Wasserstoff aus der Landwirtschaft. 'Kraftstoffe einschließlich
Wasserstoff aus Biomasse ist die Antwort auf die Krisen unserer Zeit. So lassen
sich alle Anforderungen an Umwelt- und Klimaschutz, Nachhaltigkeit,
Versorgungssicherheit sowie niedrige Energiekosten und Komfort erfüllen',
versichert Karl Heinz Tetzlaff vom Deutschen Wasserstoffverband. Als besonders
effiziente Methode, kohlenstoffhaltige Energieträger in Wasserstoff umzuwandeln,
habe sich die thermische Vergasung (Steam-Reforming) erwiesen. Allerdings sei man
über den Betrieb einer Pilotanlage noch nicht hinaus.

Für die Substitution des fossilen Erdgases biete sich zudem die Umwandlung von
Biogas in 'Greengas' an. 'Greengas' kann als Kraftstoff verwendet werden oder ins
Gasnetz eingespeist werden. 'Die technischen Möglichkeiten stehen nach
mehrjähriger Erfahrung in der Schweiz, den Niederlanden und Schweden bereits zur
Verfügung', referiert Peter Schrum, Präsident des Bundesverbandes Biogene
Kraftstoffe. Nach Schrem betragen die Aufbereitungskosten von Biogas derzeit etwa
5 Cent pro Kilowattstunde (bei weniger als 30 Kubikmeter Rohbiogas/h). 'Bei mehr
als 400 Kubikmetern sinken die Kosten auf zirka 1 Cent pro Kilowattstunde. Vor
allem in der Aufbereitung kleiner Gasmengen werden zukünftig durch den
technologischen Fortschritt und Serienproduktionen die Kosten noch weiter sinken.'

Qualifizierung

Inzwischen haben Politik, Forschung und Wirtschaft auf die Nachfrage nach
Qualifizierungsmöglichkeiten zum 'Energiewirt' reagiert. An der Fachhochschule
Köln werden im Diplom-Studiengang Maschinenbau die Schwerpunkte 'Regenerative
Energie- und Stofftechnik' sowie 'Regenerative Boden- und Landschaftstechnik'
angeboten. Neben Grundlagen, Verfahren und Technik von Solartechnik und
Windenergie steht die Nutzung von Biomasse im Zentrum der Ausbildung. 'Es geht um
die Bereitstellung von Festbrennstoffen sowie um Anbau, Ernte, Transport oder
Aufbereitung. Behandelt werden zudem alle Belange rund um die energetische
Nutzung: von Brennstoffeigenschaften bis zur Stromerzeugung', so Prof. Christiane
Rieker von der FH Köln.

Um dem gestiegenen Weiterbildungsbedarf am Thema Biomasse gerecht zu werden,
bietet die Energieagentur NRW ab sofort das Seminar 'Land- und Forstwirt als
Energiewirt' an. Das Seminar wurde im Rahmen des Programms RAVEL NRW
entwickelt. 'Bei der Erstellung des Seminars sind die Erfahrungen aus der
Bearbeitung von über 600 Projekt-Anfragen zur Biomasse-Nutzung im Jahr 2002
berücksichtigt worden', erklärt Dipl.-Ing. Torsten Brose von der Energieagentur
NRW. Zu den Inhalten gehören u.a. die Vorstellung der technischen Möglichkeiten
sowie die Nutzung von Förderprogrammen. Das Seminar steht sämtlichen
Weiterbildungsein-richtungen inklusive Teilnehmerunterlagen zur Verfügung.

Weitere Informationen gibt es bei der Energieagentur NRW, Kasinostraße
19-21, 42103 Wuppertal, Tel.: 0202-24552-0 und bei EUROSOLAR. Der Tagungsband ist
erhältlich bei EUROSOLAR, Kaiser-Friedrich-Str. 11, 53113 Bonn Tel.:
0228-362373.

Links zum Thema Energie.

 


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