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@grar.de Aktuell - 14.01.2003

Forscher: Weniger Schwefeldioxid, aber mehr Dünger in der Luft


Bonn (agrar.de) - Noch vor 20 Jahren waren flechten- oder moosbewachsene Bäume in
Nordrhein-Westfalen eine Rarität: Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid hatten den
empfindlichen Indikator-Pflanzen schleichend den Garaus gemacht. Heute ist die
Situation genau umgekehrt: Biologen der Universität Bonn konnten bei
einer landesweiten Untersuchung des Baumbestandes über 130 verschiedene Flechten-
und Moos-Arten identifizieren, darunter auch sehr seltene und empfindliche.
Dennoch geben die Wissenschaftler keine Entwarnung: Vor allem in den
landwirtschaftlich geprägten Gebieten haben stickstoffliebende Arten stark
zugenommen – ein Indiz für die zunehmende Belastung von Luft und Wasser durch
Dünger und Verkehrsabgase.

'Was sind denn das für Parasiten auf meinen Apfelbäumen?' – Fragen wie diese hören
die Mitarbeiter des Botanisches Institutes der Universität Bonn immer häufiger.
Die Sorgen des Schrebergärtners aus dem Ruhrgebiet waren unbegründet: Bei den
'Parasiten' handelte es sich um Blattflechten, die hier erstmals seit Jahrzehnten
wieder auftauchten.

Auf Bäumen lebende Flechten und Moose waren in den 70er und 80er Jahren vielerorts
selten geworden. 'Saurer Regen' hatte ihnen zugesetzt. 'Moose und Flechten
reagieren sehr empfindlich auf Luftschadstoffe, da sie Wasser und Nährstoffe
direkt aus der Luft über ihre Oberfläche aufnehmen', erklärt der Bonner Botaniker
Professor Dr. Jan-Peter Frahm. 'Damit eignen sie sich hervorragend als
Indikatororganismen, die uns Veränderungen in der Umwelt anzeigen können.'

Die Mitarbeiter seiner Arbeitsgruppe Isabelle Franzen und Dr. Norbert Stapper
haben nun – erstmals flächendeckend für Nordrhein-Westfalen – die Luftqualität
anhand von Moosen und Flechten bestimmt. Auftraggeber war das Ministerium für
Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MUNLV).
Positives Ergebnis: Während noch vor 20 Jahren flechten- und moosbewachsene Bäume
in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens eine Seltenheit waren, konnten die Biologen
2001 über 130 Arten finden, darunter auch sehr seltene und empfindliche. Eifel und
Sauerland gehören dabei zu den artenreichsten Gebieten, aber auch im Ruhrgebiet
gibt es heute wieder zahlreiche Flechten und Moose.

Professor Frahm sieht in dem Ergebnis einerseits die Bestätigung, dass durch die
strengen Auflagen für Industrie und private Heizungsanlagen die Schwefelbelastung
der Luft drastisch gesenkt werden konnte. 'Andererseits gewinnen jedoch
stickstoffhaltige Immissionen durch die zunehmenden Belastungen aus Verkehr und
Landwirtschaft immer mehr an Bedeutung.' Heute gelangen in manchen Teilen
Deutschlands bis zu 40 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr in den Boden. Auch
Flechten und Moose werden durch den Regen überreichlich mit diesem Dünger
versorgt. 'Unsere Untersuchung zeigt, dass vor allem in den landwirtschaftlich
geprägten Gebieten am Niederrhein, im Münsterland und in Ostwestfalen
insbesondere die stickstoffliebenden Arten unter den Flechten und Moosen erheblich
zugenommen haben', erklärt der Bonner Moosspezialist. Die Folge sei eine
bedenkliche Artenverschiebung: 'Mancherorts haben die stickstofftoleranten Arten
die hier ursprünglich vorkommenden Flechten und Moose schon fast verdrängt.'

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