Aktuelle Meldungen  -  Nachricht suchen  -   kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

@grar.de Aktuell - 10.01.2003

Image der Landwirtschaft: In den Augen der Bevölkerung alles andere als modern

Ergebnisse einer aktuellen Umfrage zum Image und Ansehen der Landwirtschaft


München/Frankfurt (agrar.de). 'Das Image der Landwirte zeigt eine Berufsgruppe,
die ganz besonders fleißig und arbeitsam ist und über sehr viel
traditionsverhaftete Gediegenheit verfügt. Unterbelichtet ist an diesem Image, was
die Landwirte unbedingt brauchen und sicherlich zum Großteil auch haben, um zu
überleben: die gute Ausbildung, Unternehmertum und Innovationsbereitschaft.' Dies
sind die Ergebnisse einer von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft
(DLG) in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage des Instituts
für Demoskopie Allensbach
vom Oktober/November 2002 zum Image der Landwirte und
der Landwirtschaft in Deutschland, die Dr. Edgar Piel vom Institut für Demoskopie
Allensbach anlässlich der DLG-Wintertagung am 10. Januar 2003 in München
vorstellte.

Wie der Allensbacher Meinungsforscher weiter ausführte, assoziiert nur jeder
Vierte in der Bevölkerung die deutsche Landwirtschaft mit einem modernen
Wirtschaftszweig. Immerhin wüssten 37 Prozent, dass die Landwirtschaft in
Deutschland einen wichtigen Beitrag zur Landschaftspflege leiste. Auf jeden Fall
bedeutsam sei die Landwirtschaft in den Augen der Bevölkerung dafür, dass das
labile Gleichgewicht zwischen Stadt und Land in Deutschland erhalten bleibt. 61
Prozent würden sehen, dass die Landwirtschaft für die Erhaltung des ländlichen
Raums, der Dorfgemeinschaft, ganz und gar wichtig sei.

Hauptkritikpunkt: Es wird zu wenig auf artgerechte Tierhaltung geachtet

Der Vorwurf, dass ganz allgemein in der Landwirtschaft zu wenig auf den
Umweltschutz geachtet wird, komme mit 23 Prozent Nennungen relativ selten. 'Aber
fast doppelt so oft wird von der Bevölkerung moniert, dass man zu wenig Wert auf
artgerechte Tierhaltung legt (42 Prozent). Dass die Bevölkerung hier ein
kritisches Augenmerk hat, darf nicht übergangen werden,' betonte Dr. Piel. 42
Prozent, das sei fast jeder Zweite, der in diesem Punkt sensibel reagiere und
damit auf jeden Fall ein offenes Ohr habe für die Hinweise und Argumente
derjenigen, die den größten Teil des landwirtschaftlichen Produktionsbereichs auch
politisch sehr viel skeptischer sehen als die Bevölkerung insgesamt.

Das Bild vom Landwirt ist von traditionellen Tugenden geprägt

Das Bild, das die Bevölkerung von den Landwirten im Kopf hat, ist auf
außerordentliche Weise geprägt durch das, was man im Allgemeinen die
traditionellen Tugenden nennt, nämlich Arbeit, Fleiß und Bodenständigkeit. Alle
diese Profilpunkte werden in der Imageuntersuchung jeweils von mehr als 70 Prozent
der Bevölkerung betont.

Bei einer solchen Untersuchung des Ansehens einer Person oder Gruppe in der
Gesellschaft ist es sinnvoll, dafür zu sorgen, dass man bei der Auswertung der
Daten unterscheiden kann zwischen Antworten von Befragten, die nur weitläufig und
allgemein eine Vorstellung im Kopf haben, und den Antworten von Befragten, die mit
der Zielgruppe persönlich bekannt sind. In der aktuellen Erhebung hat das
Allensbacher Institut daher auch danach gefragt, ob man jemanden kennt, der
Landwirt ist oder in einem landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt ist. Für mich
ist es sehr erstaunlich, wie groß die Zahl derjenigen ist: 52 Prozent kennen
jemanden aus der Landwirtschaft. Dieser quantitativ hohe Bekanntschaftsgrad ist
deshalb erstaunlich, weil der Bevölkerungsanteil der Landwirte einschließlich
derjenigen, die als Nichtselbständige in der Landwirtschaft arbeiten, inzwischen
mit 3 Prozent verschwindend gering geworden ist. Natürlich ist es in ländlichen
Gebieten selbstverständlicher, mit einem Landwirt eng oder weitläufig bekannt zu
sein, als in der Großstadt. In Bayern kennen 75 Prozent der Bevölkerung jemanden
aus der Landwirtschaft, in einer Großstadt wie Berlin nur 35 Prozent.

Nur 41 Prozent der Bevölkerung glaubt, dass die Landwirte über eine gute
Ausbildung verfügen

Aus den Antworten der Befragten, die Landwirte kennen, lässt sich eine Art Nahbild
erstellen. Anhand dieses Nahbilds lässt sich das, was uns die Bevölkerung
insgesamt über die Landwirte sagt, überprüfen. Dabei zeigt sich: Im Nahbild werden
die Vorstellungen über die Landwirte, die sich in den Köpfen der Bevölkerung
insgesamt eingenistet haben, Punkt für Punkt bestätigt. 60 Prozent der Bevölkerung
halten die Landwirte für naturverbunden. Diejenigen, die einen ihnen bekannten
Landwirt beschreiben, bestätigen das zu 66 Prozent. Dass die Landwirte über eine
gute Ausbildung verfügen, gehört nur bei 41 Prozent zum allgemeinen Image der
Landwirte. Im Nahbild hat dagegen bereits jeder Zweite die Meinung, dass der
Landwirt eine gute Ausbildung hat.

Überhaupt gibt es einige Punkte im allgemeinen Eigenschaftsprofil, die weit hinter
dem zurückliegen, was jeder, der einen Landwirt persönlich kennt, sehr viel
deutlicher sieht. Man hält die Bauern zwar für naturverbunden - wahrscheinlich
denkt man dabei daran, dass man in diesem Beruf vorwiegend draußen arbeitet oder
mit Tieren -, aber die Bevölkerung leitet daraus nicht ab, dass die Landwirte im
Allgemeinen besonders umweltbewusst sind. Nur bei jedem fünften Befragten gehört
dies zu den hervorragenden Eigenschaften eines Landwirtes. Im Nahbild wird aber
immerhin zu 30 Prozent auf das Umweltbewusstsein des Landwirtes aus dem
Bekanntenkreis hingewiesen.

Dass ein Landwirt gute unternehmerische Qualitäten haben muss, ist der Bevölkerung
kaum klar

Dass ein Landwirt im Allgemeinen heute auch gute unternehmerische Qualitäten haben
muss, ist der Bevölkerung kaum klar. Nur bei 18 Prozent gehört diese Qualität zum
Imageprofil. Und auch hier gilt: Von denen, die einen Landwirt kennen, verweisen
immerhin 29 Prozent darauf, dass ihr Bekannter ein guter Unternehmer ist, der für
fast ebenso viele auch jemand ist, der 'neuen Entwicklungen gegenüber
aufgeschlossen ist'. Diese besondere und wichtige Eigenschaft wird von der
Bevölkerung nur in den seltensten Fällen den Landwirten unterstellt (15 Prozent).

Für die Bevölkerung liegt die Bedeutung der Landwirtschaft im Beitrag für frische
Lebensmittel

Für die Bevölkerung liegt die eigentliche Bedeutung vor allen Dingen im Beitrag
der Landwirtschaft, dem Ideal gesunder Ernährung näherzukommen. Auf die Frage 'Was
bedeutet für Sie persönlich gesundes Essen?“ stand mit 78 Prozent an oberster
Stelle der Antworten: 'Viele frische Zutaten, Gemüse, Kräuter'. Von allen
Aussagen, die die Bevölkerung zur deutschen Landwirtschaft macht, steht
dementsprechend mit 73 Prozent ganz klar im Vordergrund: 'Sie sorgt für frische
Lebensmittel aus der Umgebung.' Das ist der zentrale Gedanke, den wahrscheinlich
jeder, der regelmäßig oder manchmal sein Gemüse oder Obst auf dem Bauernmarkt
einkauft, auch ohne demoskopische Nachfrage schon oft gedacht hat.

Bio-Produkte: Image zerstört

Die ökologische Landwirtschaft, die artgerechte Tierhaltung und -aufzucht
erhielten, verstärkt durch die BSE-Krise, in den letzten Jahren eine Aufwertung.
Doch die Bereitschaft eines Teils der Konsumenten, geringeres Risiko bei der
Ernährung durch höhere Preise zu erkaufen, funktioniert nicht. Auf dem Höhepunkt
der BSE-Krise hatte sich ein Großteil der Bevölkerung dazu durchgerungen, für
solche ökologischen landwirtschaftlichen Produkte auch einen höheren Preis zu
zahlen. Im Januar/Februar 2001 betonten das 56 Prozent. Das demoskopisch erfragte
Image für Bioprodukte zeigte ein wunderbares Profil: 56 Prozent der Bevölkerung
waren sich sicher: Solche Produkte werden ohne chemische Pflanzenschutzmittel und
ohne chemischen Dünger erzeugt. 55 Prozent betonten: 'In der ökologischen
Landwirtschaft wird mehr für den Tierschutz getan.' 46 Prozent waren überzeugt:
'Die Tiere sind gesünder und widerstandsfähiger.'

Und dann kam vor gut einem halben Jahr der Nitrofenskandal. Danach war die
rettende Lösung, die darin zu bestehen schien, für weniger Risiko in der Nahrung
einen höheren Preis zu zahlen, desavouiert. Plötzlich war dieser
marktwirtschaftlich richtige Orientierungsrahmen zerstört. Statt der 56 Prozent
der Bevölkerung, die sich Anfang 2001 persönlich bereit erklärt hatten, für
gesündere Bioprodukte einen höheren Preis zu zahlen, bekundeten im Juni 2002 nur
noch 32 Prozent diese Bereitschaft. Statt der 28 Prozent, die schon vorher
zurückhaltend waren - 'Solche Produkte sind keinen höheren Preis wert' -, war
jetzt mehr als jeder zweite (51 Prozent) überzeugt, dass der höhere Preis auch
keine bessere Qualität bringt.

Für den ökologischen Landbau bedeutet dieser generelle Imageverlust nicht nur,
dass seine Produkte schwerer verkäuflich geworden sind. Er hat zugleich auch -
zumindest vorübergehend - einen Teil der Bevölkerung als politische Lobby
verloren. 54 Prozent der Bevölkerung brachten vor den Skandalen noch deutlich zum
Ausdruck, dass die ökologische Landwirtschaft mehr gefördert werden sollte. Dafür
setzen sich jetzt nur noch 35 Prozent der Befragten ein.

Wenn das Vertrauen in Bio-Produkte zerstört ist, dürfte zugleich mehr zerstört
sein als ein spezielles Image. Denn so etwas hat ja Folgen, die sich generell in
die Vertrauensbereitschaft der Bevölkerung einfressen, die die
Vertrauensbereitschaft erodieren lassen.

 


zurück zur Übersicht  zum Seitenbeginn   

zur @grar.de Homepage

    
 

© Copyright 1997-2007 @grar.de, Rheine, http://www.agrar.de