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@grar.de Aktuell - 18.11.2002

Markenfleisch ist nicht gleich Markenfleisch


Hannover (agrar.de) - Die Verbraucherzentralen haben einen Kriterienkatalog für
die artgemäße Erzeugung von Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch veröffentlicht.
Erstmals liegt damit ein umfassendes Gesamtkonzept vor, das für das
unüberschaubare Angebot unterschiedlicher Markenfleischprogramme einen
einheitlichen Standard für den Tierschutz formuliert.

Bisher fehlen in der Fleischwirtschaft klare Vorgaben, wie den
Verbrauchererwartungen nach artgemäßeren Haltungsbedingungen und damit mehr
Tierschutz entsprochen werden kann. Ziel des auf der EuroTier in Hannover
vorgestellten Konzepts ist es unter anderem, für die Erzeuger eine Messlatte für
den Tierschutz zu definieren. Neben freiwilligen Instrumenten der Erzeuger fordern
die Verbraucherzentralen schärfere gesetzliche Regelungen zur artgerechten
Nutztierhaltung:

'Es ist absurd, dass zwar 80 Prozent der Verbraucher artgerecht erzeugtes Fleisch
bevorzugen, dass aber eine klare Kennzeichnung bisher völlig fehlt', sagte Jutta
Jaksche, Agrarreferentin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).
'Verbraucher können beim Fleischeinkauf den Tierschutz nur dann honorieren, wenn
ein entsprechendes Angebot da ist.' Seit 1995 haben die Verbraucherzentralen
Markenfleischprogramme untersucht. 'Auf dieser Basis ist jetzt der bisher
umfassendste Bewertungskatalog zur Erzeugung von Rind-, Schweine- und
Geflügelfleisch entstanden', erläutert Hartmut König von der Verbraucherzentrale
Hessen. Der Katalog setzt Mindest- und Zusatzkriterien für den gesamten
Erzeugungsprozess fest. Schwerpunkte sind:

- rückverfolgbare Herkunft
- Fütterung und Hygiene
- tiergerechte Haltung, Transport und Schlachtung
- Verkauf und Kontrolle

Das deutsche Tierschutzgesetz fordert, dass Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen
entsprechend angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht
werden müssen. Trotzdem sind artgemäße Haltungsformen weiterhin wenig verbreitet -
die schon vorhandenen Alternativen werden kaum eingesetzt. So werden mehr als 90
Prozent der säugenden Sauen angebunden, mehr als 80 Prozent der Mastschweine ohne
Einstreu auf Spaltenboden gehalten. Zwei Drittel der Milchkühe werden noch
angebunden, über 90 Prozent der Mastbullen in Vollspaltenbuchten gehalten.

Die Intensivhaltung ist nicht nur aus Tierschutz- und Umweltaspekten
problematisch. Die Haltung vieler Tiere auf engem Raum macht die Tiere auch
anfälliger für Krankheiten - der Einsatz von Medikamenten wiederum führt zu
Rückständen im Fleisch. Hinzukommt das Problem von Antibiotikaresistenzen.
'Artgemäße Alternativen sind schon jetzt wirtschaftlich machbar', so Jutta
Jaksche. 'Eine von uns beauftragte Umfrage zeigt: Viele Verbraucher sind bereit,
dafür auch mehr zu zahlen. Sie wollen sich aber auf eine entsprechende
Kennzeichnung auch wirklich verlassen können.'

Kriterien für die Kennzeichnung von artgemäß erzeugtem Fleisch sind auch bei
Geflügel dringend notwendig. Der Verbrauch an Geflügelfleisch ist in den
vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent auf derzeit 18,9 Kilogramm je Kopf und Jahr
angestiegen. Viele Verbraucher greifen, verunsichert durch die Skandale bei Rind-
und Schweinefleisch, zum angeblich gesünderen Geflügelfleisch. Dem Fleischangebot
aus intensiver und regional stark konzentrierter Produktion stehen jedoch erst
wenige 'alternative' Angebote entgegen. Ziel der neuen Kriterien für die Erzeugung
von Geflügelfleisch ist deshalb mehr Markttransparenz für die Verbraucher. Der
Kriterienkatalog soll zugleich die Erzeuger ermutigen, in eine artgemäße und
umweltgerechte Erzeugung einzusteigen.

Die Verbraucherverbände bemängeln, dass die Zahl der Markenfleischprogramme, die
den Tierschutz umfassend berücksichtigen, noch immer zu gering ist. Gleichzeitig
fordern sie eine schrittweise Anhebung der gesetzlich festgelegten
Tierschutzregelungen in der Europäischen Union.

Zu dem Fachgespräch auf der EuroTier waren verschiedene Experten eingeladen, ihre
jeweilige Sicht auf die Thematik darzulegen. Dr. Andrea Fink-Kessler vom Kasseler
Büro für Agrar- und Regionalentwicklung machte am Beispiel von Jungmasthähnchen
deutlich, dass die Kriterienentwicklung für die gesamte Produktionskette von
zentraler Bedeutung für die Glaubwürdigkeit ist. Dr. Bernhard Hörning von der
Universität Kassel ging in seinem Vortrag auf die aktuelle Praxis in der
Nutztierhaltung ein und stellte Praxiserfahrungen mit alternativem
Tierhaltungsmanagement vor. Prof. Dr. Achim Spiller von der Universität Göttingen
zeigte mit seinem Vortrag auf, wie das Marktversagen bei Produkten aus
artgerechter Haltung in Zukunft überwunden werden kann und untermauerte damit die
Forderungen der Verbraucherzentralen und des Verbraucherzentrale Bundesverbandes.

Der vollständige Kriterienkatalog als PDF-Dokument (641 kB).

Links zum Thema Lebensmittelqualität und Kontrolle,
Links zum Thema Fleischwirtschaft.

 


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