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@grar.de Aktuell - 08.10.2002

Das Stoppelfeld - ein schützenswerter Lebensraum?

Europaweit einzigartiger Moosfund


Bonn (agrar.de) - Besucher des hessischen Vogelbergs hätten dort am vergangenen
Wochenende seltsame Gruppen von Männern und Frauen beobachten können, die auf
Knien durch die Stoppelfelder rutschten und dort offenbar etwas suchten. Ihre
Fahndung hatte Erfolg: Sie fanden elf Exemplare eines winzigen Lebermooses –
europaweit die einzigen ihrer Art. Der Moosspezialist Professor Dr. Jan-Peter
Frahm vom Botanischen Institut der Universität Bonn hatte die Suche
initiiert; insgesamt 20 Botaniker – darunter auch ein Naturschützer aus Schweden –
waren seiner Einladung gefolgt.

Der seltene Fund ist nicht nur von akademischem Interesse: In vielen Moosen warten
ungehobene Schätze auf ihre Entdeckung. Die unscheinbaren Pflanzen produzieren
Substanzen, die gegen Käfer- und Schneckenfraß, Pilz- oder Bakterienbefall wirken
oder gar die Bildung von Tumorzellen hemmen. Nicht zuletzt dank Ergebnissen aus
der Arbeitsgruppe um Professor Frahm ist seit kürzlich ein umweltverträgliches
Pflanzen-schutzmittel aus Moosextrakt auf dem Markt, das Schnecken wirksam
abschreckt. Inzwischen haben auch Biotechnologie-Firmen die Moose entdeckt: Die
Forscher bringen ihnen beispielsweise bei, menschliche Eiweiße zu produzieren.
Vorteil: Die Kulturen aus Mooszellen sind gefeit gegen Pilz- und Bakterienbefall –
aus Sicht der Biotechnologen eine sehr nützliche Eigenschaft.

Das Lebermoos mit dem kryptischen Namen 'Notothylas orbicularis' (Bild)
kommt hauptsächlich in Nordamerika vor. In Europa waren in den letzten hundert
Jahren nur acht Funde gemeldet worden, bis ein Liebhaberbotaniker auf
Stoppelfeldern südlich des Vogelbergs 1981 mehrere Pflanzen entdeckte. Seit 1991
steht es mit 25 weiteren Moosarten auf der 'Roten Liste' der Berner Konvention,
die EU-Länder zum umfassenden Schutz stark gefährdeter Arten verpflichtet.

Die Moosforscher durchkämmten auf einem Gebiet von rund 100 Quadratkilometern
sämtliche noch vorhandenen Stoppelfelder. In der Nähe des hessischen Dorfes
Wettges wurden sie schließlich fündig: Insgesamt elf der seltenen
Lebermoos-Pflanzen zählten sie dort auf einem Acker. 'Da das Überleben in der
Natur nicht gesichert ist, nehmen wir das Moos nun an der Universität Bonn in
Kultur', erklärt Professor Frahm. 'So könnten wir es gegebenenfalls nachzüchten
und später wieder aussetzen.' Außerdem plant der Wissenschaftler molekulare
Studien, um beispielsweise die Frage zu klären, wie nahe die Pflanze mit ihren
nordamerikanischen Geschwistern verwandt ist.

'Stoppelfelder sind schützenswerte Lebensräume', betont der Biologe, 'leider
werden sie aber immer seltener.' Häufig pflügen die Landwirte die Getreidefelder
inzwischen direkt nach der Ernte um. Oder sie düngen die Stoppeläcker mit Gülle
oder behandeln sie mit Totalherbiziden. 'Danach ist dieser Lebensraum biologisch
tot.'

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