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@grar.de Aktuell - 27.09.2002

Birther: Notwendige Agrarreform nicht mit Sonderopfer für den Osten verbinden


Berlin (agrar.de) - Die brandenburgische Landwirtschaft hat seit 1990 einen
umfassenden Transformationsprozess vollzogen. Er ist um ein vielfaches
erfolgreicher verlaufen als in der gewerblichen Wirtschaft. Die Brandenburger
Agrarbetriebe sind im ländlichen Raum der stabilste Wirtschaftsfaktor und der
wichtigste Arbeitgeber. 'Brandenburgs Landwirte haben in den vergangenen Jahren
durch deutliche Ertragssteigerungen und Kostensenkungen ihre Wettbewerbsfähigkeit
gestärkt. Eine wichtige Voraussetzung dafür sind unsere effizienten
Betriebsgrößen, die übrigens über Jahrhunderte gewachsen sind und nicht, wie
Kommissar Fischler vor kurzem irrtümlich bemerkte, erst nach 1945', so Agrar- und
Umweltminister Wolfgang Birthler auf der Jahrestagung der Gesellschaft für
Pflanzenbauwissenschaften
an der Berliner Humboldt-Universität. Birthler nutzte
die Tagung, um auf die aktuellen Reformvorschläge von EU-Agrarkommissar Franz
Fischler einzugehen.

Der Erfolg der ostdeutschen Landwirtschaft sei auch auf die europäische
Agrarpolitik zurückzuführen, so Birthler weiter. Diese musste allerdings gegen
erhebliche Widerstände erkämpft werden. Insoweit ist die europäische Agrarpolitik
auch stark durch ostdeutsche agrarpolitische Interessen geprägt.

Birthler: 'Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die Zwischenbewertung
der Agenda 2000 ist für mich unbestreitbar, dass diese einer Weiterentwicklung
bedarf. Maßgebend dafür sind die enormen Veränderungen in den
Verbrauchererwartungen, bei der gesellschaftlichen Akzeptanz der Landwirtschaft
und natürlich auch in der Marktsituation sowie die bevorstehende Osterweiterung
der Europäischen Union und die gerade begonnenen WTO-Verhandlungen.'

Bei der Agrarförderung müssen stärker als bisher Umwelt- und Qualitätsziele
einbezogen werden. Die weitere Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen
muss ein zentrales Thema der Agrarpolitik bleiben. Die zukünftigen
Rahmenbedingungen muss aber auch den Bauern die Erwirtschaftung eines angemessenen
Einkommens ermöglichen.

Äußerst kritisch bewertet Birthler einige Vorschläge der Europäischen Kommission
zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik. Brandenburg lehnt eine Verknüpfung
notwendiger Reformen mit einem Sonderopfer für die ostdeutsche Landwirtschaft ab.

Das Vorhaben, ab 2004 eine betriebliche Obergrenze von 300.000 Euro der
Direktzahlungen für die Tier- und Pflanzenproduktion einzuführen, hätte zur Folge,
dass 80 Prozent der geplanten Einsparungen im Agrarhaushalt der Europäischen Union
zu Lasten der ostdeutschen Landwirte gehen. Birthler: 'Im Hinblick auf die
Finanzierung neuer Agrarumweltmaßnahmen über die Modulation bin ich der festen
Überzeugung, dass die dafür eingesammelten Mittel aus der Agrarförderung in der
Region verbleiben müssen, aus der sie kommen, und über ihre Verwendung nicht in
Brüssel entschieden wird.

Dramatische Auswirkungen bei Wegfall Roggenintervention

Die vorgesehene Streichung der Roggenintervention zur Stützung der Marktpreise
wird sich besonders in Brandenburg sehr negativ auswirken. Bei einer Annahme, dass
der Erzeugerpreis nach Wegfall der Intervention für Roggen je nach Qualität auf
ein Niveau unter 8 Euro sinkt, ergeben sich je Hektar Roggenanbaufläche
Gewinneinbußen von 66 bis 144 Euro.

Insgesamt würden sich die Einkommensverluste bei einer Roggenanbaufläche von
250.000 Hektar im Land Brandenburg und einem durchschnittlichen Ertrag von 50
Dezitonnen je Hektar auf 20 bis 23 Mio. Euro belaufen. Zum Roggenanbau gibt es
unter hiesigen Anbaubedingungen kaum eine wirtschaftliche Alternative. 10 Prozent
der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Brandenburg hat eine Ackerzahl von
unter 25 Punkten. Ein Viertel des Ackerlandes sind grundwasserarme Sande und 63
Prozent des Ackerlandes ist trockenheitsgefährdet. Birthler: 'Wir müssen also
befürchten, dass mit dem Wegfall der Intervention eine flächendeckende
Landbewirtschaftung nicht mehr geleistet werden kann.' Die Landwirte müssen die
Chancen zu nutzen, die sich aus dem Einsatz von Roggen als nachwachsenden Rohstoff
eröffnen. Neue Forschungsergebnisse und weiterentwickelte Rahmenbedingungen bieten
hier neue Einkommensmöglichkeiten.

Neue gesetzliche Regelungen

Das novellierte Bundesnaturschutzgesetz, das gerade in brandenburgisches
Landesrecht umgesetzt wird, enthält wesentliche Neuerungen und formuliert
schärfere Regeln für den Artenschutz und die naturverträgliche Landwirtschaft. Zur
Umsetzung des Gesetzes müssen die Kriterien zur Bewertung der guten fachlichen
Praxis überarbeitet werden. Dies kann nur durch eine umfassende Überprüfung
gegenwärtiger Konzepte der Landnutzung erreicht werden.

Eine weitere Herausforderung ist die Wasserrahmenrichtlinie der EU. Sie
verpflichtet alle Mitgliedsländer, in den nächsten 15 Jahren eine gute
Gewässerqualität in den Oberflächengewässern und im Grundwasser zu erreichen. Dazu
sind Bewirtschaftungspläne für komplexe Flusseinzugsgebiete erforderlich.

Neben wasserwirtschaftlichen Maßnahmen und Restriktionen für die Einleitung
gewässerbelastender Stoffe wird das Hauptproblem der Eintrag von Schadstoffen in
Gewässern darstellen. Es wird nicht damit getan sein, die Menge von Düngemitteln
und anderen Wirkstoffen flächendeckend zu reduzieren. Die Wirkungen der
ausgetragenen Stoffüberschüsse einzelner Flächen auf das Grundwasser oder auf die
Oberflächengewässer einer Region können äußerst unterschiedlich sein.

Links zum Thema EU und Landwirtschaft.

 


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