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@grar.de Aktuell - 23.08.2002

Schock für Immobilienerben und Betriebsnachfolger

Bundesfinanzhof hält derzeitige Erbschaftsbelastung für verfassungswidrig


Bonn (agrar.de) - Erben von Immobilien, Betriebsvermögen sowie land- und
forstwirtschaftlichem Vermögen müssen in Zukunft wohl mit deutlich höheren
Erbschaftssteuerbescheiden rechnen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die
derzeitige Rechtslage für verfassungswidrig und hat deswegen soeben das
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angerufen. Sollten die
Verfassungsrichter die Bedenken des BFH teilen, könnten in Zukunft wesentliche
Vergünstigungen und Bewertungsvorteile bei der Vererbung und Verschenkung von
Haus- und Grundbesitz, Betriebsvermögen sowie bei land- und forstwirtschaftlichem
Vermögen entfallen.

In dem vor dem Bundesfinanzhof anhängigen Verfahren - AZ: II R 61/99 - ging es
zunächst eigentlich nur um die Frage, ob eine Eigentumswohnung, die die
zwischenzeitlich verstorbene Tante einer Erbin zwar noch vor ihrem Tode erworben
hatte, ihre Eintragung als Wohnungseigentümerin in das Grundbuch jedoch erst nach
ihrem Ableben erfolgte, mit dem tatsächlichen Kaufpreis (Verkehrswert) von
343.000,00 Mark für die Erbschaftsteuer zu bewerten ist oder mit dem nach § 138
Abs. 5 des Bewertungsgesetzes zu ermittelnden 'typisierenden' Wert für bebaute
Grundstücke, der im Bundesdurchschnitt häufig nur rd. 50 des tatsächlichen Wertes
erreicht und im vorliegenden Fall nur 127.000,00 Mark betragen hätte.

'Dieses Verfahren', so Wolfgang Kastner, Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Erbrechtskunde
, 'hat der BFH jedoch jetzt zum Anlass genommen,
grundsätzliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des derzeit geltenden
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes anzumelden, da die derzeit
zahlreichen Begünstigungsumstände bei der Vererbung und Verschenkung von
Betriebsvermögen, Haus- und Grundbesitz sowie land- und forstwirtschaftlichem
Vermögen im Verhältnis zu einer Vererbung von Bar- und Aktienvermögen, das zu 100
Prozent für die Erbschaftsteuer erfasst wird, zu einer 'gleichheitswidrigen
Besteuerung' führen, die nach Ansicht der BFH-Richter verfassungswidrig ist.'

Schließen sich die Verfassungsrichter dieser Meinung an, wovon viele Experten
ausgehen, könnte ein Wegfall der derzeitigen Begünstigungsumstände, nach denen z.
B. Betriebsvermögen im Erbfall häufig nur mit rd. 58 Prozent des tatsächlichen
Wertes erfasst wird zzgl. weiterer Freibeträge, Bewertungsabschläge und zinslose
Stundungsmöglichkeiten, bebauter Grundbesitz (Häuser, Eigentumswohnungen, usw.) im
Bundesdurchschnitt mit nur rd. 50 Prozent des tatsächlichen Wertes zur Besteuerung
herangezogen werden und land- und forstwirtschaftliches Vermögen gar nur mit rd.
10 Prozent, für die Erben derartigen Vermögens zu einer mehr als drastischen
Erhöhung der erbschaftsteuerlichen Belastung führen.

Während die Vererbung eines Hauses an ein Kind im Wert von 400.000 Euro bei einem
etwa hälftigen Steuerwert aufgrund des Freibetrages des Kindes von 205.000 Euro im
Erbschaftsfalle häufig ganz steuerfrei bleibt, müsste dieses bei einer
entsprechenden Gesetzeskorrektur in Zukunft mit einer Erbschaftsteuer von
21.450,00 Euro rechnen. Noch schlimmer wären die Auswirkungen für familienfremde
Erben, zu denen z. B. auch Lebensgefährten gehören. Wird diesen z. Zt. ein Haus im
Verkehrswert von 400.000 Euro vererbt, beträgt die Erbschaftsteuer derzeit rd.
44.800 Euro, nach einer Gesetzeskorrektur bei vollem Ansatz des Verkehrswertes rd.
114.000 Euro, Unterschied fast 70.000 Euro! Auch Betriebsnachfolger müssten in
diesem Fall mit dem Schlimmsten rechnen. Wird z. B. derzeit Betriebsvermögen von 5
Mio. Euro vererbt, zahlt der Erbe aufgrund der zahlreichen Vergünstigungen eine
Erbschaftsteuer von rd. 171.000 Euro, bei Wegfall dieser Vergünstigungen dagegen
rd. 720.000 Euro - in vielen Fällen eine Existenzfrage.

Experten raten daher dringend, die Entwicklung des Verfahrens beim
Bundesverfassungsgericht zu beobachten und ggf. noch rechtzeitig vor einem
etwaigen Urteilsspruch bisher entsprechend privilegiertes Vermögen auf Erben oder
Nachfolger zu übertragen, um einer vermutlich erheblich höheren steuerlichen
Belastung zu einem späteren Zeitpunkt zuvorzukommen. Da das Gericht auch bei der
letzten Neuordnung des Gesetzes im Jahre 1996 die sogen. 'Altfälle' steuerlich so
belassen hat, bestehen auch bei einem neuerlichen Urteilsspruch gute Chancen, dass
entsprechende vorher vorgenommene Übertragungen unbehelligt bleiben. Ein Zuwarten
auf die Entscheidung könnte sich jedoch als Bumerang erweisen, da die Bedenken des
Bundesfinanzhofs letztlich nicht von der Hand zu weisen sind.

Rechts- und Steuertips zur derzeitigen Rechtslage enthalten die Ratgeber 'Sterben
macht Erben' und 'Sterben und Steuern', je 8,00 EUR zzgl. je 1,10 EUR Versand, c/o
Deutsche Gesellschaft für Erbrechtskunde e.V., Simrockallee 27, 53173 Bonn.

Links zum Thema Recht.

 


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