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@grar.de Aktuell - 11.07.2002

VDL: Private Landwirte begrüßen EU-Vorschläge


Dittmansdorf/Chemnitz (agrar.de) - Dieter Tanneberger, Präsident des
Bundesverbandes Deutscher Landwirte (VDL) hat in der Freien Presse
Chemnitz die Reformvorschläge von EU-Kommissar Fischler begrüßt:

'Wir sind voller Erwartungen und gespannt darauf, wie sich die Kommission
durchsetzen wird. Sachsens Landwirtschaftsminister Steffen Flath (CDU) lehnte die
Fischlerpläne in scharfer Form als 'Liste von Grausamkeiten' ab; unisono alle
Ostagrarminister. In Ostdeutschland wären von der Kappung ca. 1.800 LPG-Betriebe,
dazu 50 Holländer, eine Mandel Schweizer und Österreicher als Großpächter, 200
Westpächter und wenige Alteigentümer betroffen. Gerade um deren 3 Millionen Hektar
Enteignungsland aus der 'Bodenreform' wird in Ostdeutschland gewürfelt. Betroffen
wäre aber auch der agrarische Geldadel aus dem Westen: Die 'agrarindustriellen
Clans', der Schockenmöhle, Wesjohann, Pohlmann, Zimmerer, Eskildsen, Behrens, von
Kameke oder von Meerheimb.

Nach der Wende wurden trotz massiver Forderungen die meisten Objekte des Kombinats
Industrielle Mast nicht geschlossen, sondern von der staatlichen
Treuhand-Gesellschaft verkauft. Die Mastanlagen sind heute zum großen Teil im
Besitz der oben genannten westdeutschen Agrarindustriellen. Auch die anderen
KIM-Anlagen blieben bestehen und werden weiter betrieben durch
LPG-Nachfolgebetriebe und vor allem westdeutsche Investoren. So ging die
Rindermastanlage 'Ferdinandshof' in Vorpommern (mit 23.000 Bullen) an den
Augsburger Getreidehändler Osterhuber, die 20.000er Rindermastanlage im
mecklenburgischen Hohenwangelin an die Familie Rodo Schneider (den ehemaligen
Geschäftsführer des Fleischkonzerns Moksel). In Losten (bei Wismar) halten sechs
Südoldenburger Agrarunternehmer insgesamt 62.000 Schweine (7.000 Sauen mit
Nachzucht und 27.000 Mastplätzen). Dazu jeweils Tausende Hektar Land aus der
Bodenreform. Damit aber nicht genug. Neben den ca. 50 KIM-Objekten gab es in der
DDR flächendeckend zahlreiche IPA ('industriemäßig produzierende Anlagen'),
jeweils mit Hunderttausenden Hühnchen, zigtausend Schweinen, Mastlämmern oder
Mastkälbern oder mit mehreren Tausend Kühen. Auch diese Anlagen sind zum größten
Teil weiter in Betrieb, zumeist in LPG-Nachfolgebetrieben, so z.B. die 4.000er
Milchviehanlage im vorpommerschen Dedelow. Auch die Stadt Berlin privatisierte im
brandenburgischen Umland ihre ehemaligen Stadtgüter mit riesigen Milchviehanlagen
für 6.000 Milchkühe und 41 Mio. kg Milchquote und zigtausend Hektar. Die
niederländische Familie Koopman verfügt über drei MVA in Mecklenburg und
Sachsen-Anhalt mit 4.000 Kühen. Auch im Schweinesektor haben westdeutsche
Agrarindustrielle ostdeutsche Industrie-Anlagen übernommen, z.B. hat der
Pommes-Fabrikant Stöver 12.000 Mastplätze in Blumenberg (bei Magdeburg), der
Holsteiner von Peepke 10.000 Mastplätze im mecklenburgischen Zachun, der
Fleischkonzern Löblein 3.600 Zuchtsauen und 18.000 Mastplätze im thüringischen
Thiemendorf/Schöngleina. Reit-Olympiasieger Paul Schockemöhle will im
mecklenburgischen Neustadt-Gleve zusätzlich zu seinen 5.000er Färsen-Anlagen noch
weitere 20.000 Schweinemastplätze bauen. In der Region Oldenburg-Vechta plant die
Genossenschaft Schnederkrug (1.100 Mitglieder), die zu den 10 größten
Futtermittelherstellern in Weser Ems zählt, den Bau und Betrieb von fünf Anlagen
mit je 2.000 Sauen in Lohnproduktion auf 'bäuerlichen' Betrieben.

Fischlers Vorschläge gut für Klein-und Mittelbauern

Ein privater Landwirt mit 300 ha Getreideanbau, 50 Mastbullen und 4 Arbeitskräften
(AK) würde pro Jahr von der EU erhalten:

300 ha x 315 Euro/ha = 94.500 Euro + 50 Bullen x 310 Euro je Bulle = 15.500 Euro.
Insgesamt also Direktzahlungen in Höhe von 110.000 Euro. Die Arbeit wird von zwei
Familien-AK und zwei Fremd-AK geleistet. Der Betrieb könnte also einen Freibetrag
von 2 x 5.000 Euro = 10.000 Euro, zuzüglich für weitere 2 AK je 3.000 Euro = 6.000
Euro geltend machen, insgesamt also 126.000 Euro. Zwar muss er ab 2004 mit einem
Kürzungssatz von jährlich 3 Prozent rechnen. Das wirft aber seinen Betrieb nicht
um.

Alimentierte Großbetriebe werden zu Sozialfällen

Ein prämienberechtigter 4.000 ha Marktfruchtbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern,
voll durchrationalisiert und mit 10 AK auskommend, erhält heute pro Jahr 1.260.000
Euro aus Brüssel. Nach den neuen EU-Vorschlägen würde die Summe neu auf 300.000
Euro begrenzt. Diese Obergrenze würde dann um die Freibeträge für den AK-Zuschuss
erweitert. Für die ersten zwei AK zahlt die EU je 5.000 Euro und für weitere
Lohnarbeiter je 3.000 Euro. Daraus folgt: 2 AK x 5.000 Euro plus 8 x 3.000 Euro =
24.000 Euro, also insgesamt für Freibeträge 34.000 Euro. Diese Einbuße von 926.000
Euro muss den Roten Baronen tatsächlich katastrophal vorkommen und sie ist es auch
für diejenigen, die sich in den Geldflüssen aus Brüssel 10 Jahre lang aalen
konnten. Aber selbst wenn der Großbetrieb eine starke Viehhaltung betreiben bzw.
gärtnerische Sonderkulturen anbauen würde, wäre die Rechnung nicht besser. Hätte
er nicht nur 10 Lohnarbeiter, sondern würde 50 AK beschäftigen, wäre der
Freibetrag (2 AK x 5.000 Euro + 48 x 3.000 Euro) auch nur 154.000 Euro.'

Links zum Thema EU und Landwirtschaft,
Links zum Thema Verbände.

 


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