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@grar.de Aktuell - 11.07.2002

Birthler: 'Vorschläge Fischlers für Brandenburg nicht annehmbar'


Potsdam (agrar.de) - Kritisch bewertet Brandenburgs Agrar- und Umweltminister
Wolfgang Birthler (SPD) die Vorschläge von EU-Agrarkommissar Franz Fischler zur
Reform der EU-Agrarfinanzen. 'Die Vorschläge sind so nicht umsetzbar und für
Brandenburg nicht annehmbar. Besonders bedauerlich ist aus meiner Sicht, dass hier
notwendige und richtige Reformschritte vermengt werden mit einem Sonderopfer für
die ostdeutsche Landwirtschaft.' Brandenburg hat sich deshalb bereits an die
Bundesregierung gewandt, auch im eigenen Interesse keine Verschlechterung der
Nettozahlerposition Deutschlands zuzulassen. Birthler: 'Ich erwarte, dass dieses
Reformpaket im Agrarrat keine Mehrheit finden wird.'

Modulation

In besonderer Weise geht es dabei um eine Abwehr des Vorhabens, ab 2004 eine
betriebliche Obergrenze der Direktzahlungen für die Tier- und Pflanzenproduktion,
gedacht ist an 300.00 Euro im Jahr, einzuführen. Dieser Vorschlag ist bereits aus
guten Gründen bei der Verabschiedung des gegenwärtigen Fahrplans für die
Förderung, die Agenda 2000, zurückgewiesen worden.

Von der Kappung betroffen wären 268 (das sind 4,5 Prozent) der Unternehmen, aber
rund 40 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche oder 14,1 Prozent des
Mutterkuhbestandes, 10 Prozent de Schafbestandes. 11.300 Arbeitsplätze
beziehungsweise 40 Prozent aller Arbeitsplätze in der landwirtschaftlichen
Produktion sind berührt.

Birthler: 'Die größeren Betriebe Brandenburgs sind kein Ergebnis der DDR. Sie sind
teilweise schon vor Jahrhunderten als Reaktion auf die ungünstigen
Bodenverhältnisse entstanden. In ihrer sozialen Wirkung sind es heute
Mehrfamilienbetriebe, die mit Blick auf die WHO-Verhandlungen sowohl ökonomisch
wie auch ökologisch bessere Zukunftschancen haben als mancher Kleinbetrieb, der
seine Flächen und Ressourcen ausbeuten muss, um überleben zu können. In
Brandenburg haben wir mit Großbetrieben eine Reihe von Agrarumweltprojekten
erfolgreich umsetzen können. Ich erinnere hier an die Feldrainbegrünung, die späte
Mahd in Überflutungsgebieten oder extensive Verfahren der Bodenbehandlung. Nicht
zufällig gehört auch eine Reihe von Öko-Betrieben in Brandenburg in die Reihe der
Großen, die weit über 1.000 Hektar bewirtschaften.'

Nettozahlerposition verschlechtert

In der Summe würden nach gegenwärtiger Berechnung rund 48 Mio. Euro jährlich
weniger nach Brandenburg zurückfließen, Geld, dass in den strukturschwächsten
Gebieten Süd- und (nach dem Beitritt) Osteuropas ausgegeben werden soll.

Die damit verbundene Umverteilung der Mittel von der Produktion in die Entwicklung
ländlicher Räume wird als Modulation bezeichnet. Für Brandenburg, das eigentlich
wegen der hohen Arbeitslosigkeit im ländlichen Raum und wegen der schwachen
Wirtschaftsstruktur als Ziel 1-Gebiet in der höchsten Förderkategorie der EU
geführt wird, wären diese Mittel nach den bisher bekannten Berechnungen verloren.
Zudem verschlechtert sich die Nettozahlerposition ganz Deutschlands, das bislang
für einen Großteil des EU-Agrarhaushalts aufkommt, aber nur rund einen Teil der
Mittel zurückbekommt.

Birthler: 'Die Umverteilung von Mitteln in die ländliche Entwicklung ist ein
Thema, dem ich nicht mit einem absoluten Denkverbot begegne. Allerdings müssen die
Mittel auch in den Regionen ausgegeben werden, wo sie eingesammelt werden. Gerade
in Brandenburg bleibt noch viel zu tun, um die Lebensfähigkeit der ländlichen
Räume zu sichern. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die großen
Mehrfamilienbetriebe im Osten das entscheidende wirtschaftliche Rückgrat im
ländlichen Raum bilden, das man nicht ohne weiteres schwächen darf.'

Agenda 2000 wird weitgehend verändert

Birthler: 'Ich kritisiere auch, das die neuen Vorschläge eine Umverteilung eines
großen Teils, nämlich mindestens 20 Prozent, des Agrarhaushalts nach sich ziehen.
Es kann nicht sein, dass 1999 in Berlin eine Agenda 2000 für den Zeitraum bis zum
Ende des Jahres 2006 beschlossen wird und schon 2002 de facto der Vorstoß für eine
neue Agenda erfolgt. Die Landwirtschaft braucht wie jede Wirtschaft
Planungssicherheit.'

Roggen

Für Brandenburg dürfte sich in besonderer Weise der außerdem geplante Wegfall der
so genannten Roggenintervention zur Stützung der Marktpreise auswirken.
Brandenburg ist mit rund 250.000 Hektar (rund ein Viertel der landwirtschaftlichen
Nutzfläche) der größte Roggenanbauer innerhalb der Union. Weil rund 75 Prozent der
Böden in benachteiligten Gebieten mit ungünstigen Boden- und Wasserverhältnissen
liegen, andererseits die Landwirtschaft wegen des Erhalts der Bodenfruchtbarkeit
und der Artenvielfalt auf Roggen angewiesen ist, könnte der Wegfall dieser
Unterstützung die Agrarbetriebe zusätzlich ins Schlingern bringen.

Birthler: 'Ich sehe durchaus die Notwendigkeit, hier zu Veränderungen zu kommen
und ich weiß, dass dies auch viele Landwirte so sehen. Dennoch brauchen wir
längere Übergangsfristen, bis der Einsatz von Roggen in der Tierfütterung, bei
nachwachsenden Rohstoffen, für die Energiegewinnung steht.'

Links zum Thema Agrarpolitik,
Links zum Thema EU und Landwirtschaft.

 


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