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@grar.de Aktuell - 09.07.2002

AbL: Bauern und Umweltschützer begrüßen EU-Reformvorschläge zur Agrarpolitik

Chancen für ostdeutsche Landwirtschaft, für bäuerliche Betriebe und für den Umweltschutz


Berlin (agrar.de) - Rückendeckung für seinen Reformwillen hat EU-Agrarkommissar
Franz Fischler von Umweltschützern und Bauern erhalten. Die Stiftung Europäisches
Naturerbe (Euronatur) und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft (AbL) for­derten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in
Berlin die Bundes- und Landes­re­gie­rungen, die Parteien und die maßgeblichen
gesellschaftlichen Verbände im ländlichen Raum dazu auf, die positiven Ansätze in
den Vorschlägen zur Reform der europäischen Agrarpolitik mit Nachdruck zu
unterstützen. Fischler wird am Mittwoch (10. Juli) seine Vorschläge der
Öffentlichkeit vorstellen; wesentliche Inhalte sind jedoch bereits durchgesickert.

Die Verbände lobten insbesondere, dass Fischler nun die Brüsseler Direktzahlungen
an die Kriterien Umwelt und Arbeit binden wolle. 'Das, was Fischler an Änderungen
der so genannten Agenda 2000 plant, weist eindeutig in die richtige Richtung.
Hervorzuheben ist zum Beispiel, dass die Direktzahlungen an landwirtschaftliche
Betriebe in Zukunft EU-weit an Mindest­standards für Umweltschutz, Tierschutz und
Lebensmittelsicherheit gebunden werden sollen. Damit wird die Leistung der Bauern
honoriert, die schon heute umwelt- und tiergerecht wirtschaften', betonte Lutz
Ribbe, umweltpolitischer Direktor von Euronatur. Fischler habe damit eine zentrale
Forderung aufgegriffen, die 13 maßgebliche bundesdeutsche Verbände im Oktober
letzten Jahres in der gemeinsamen Plattform 'Auf dem Weg zu einer neuen
Agrarpolitik in der Europäischen Union' vorgelegt hatten.

Der Vorsitzende der AbL, Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, begrüßte
insbesondere das Vorhaben der Kommission, bei der Bemessung der Direktzahlungen
künftig den Faktor Arbeit mit zu berücksichtigen. Fischler schlägt vor, bei der
schrittweisen Kürzung und Umwidmung der Direktzahlungen zugunsten gezielter
Programme zur ländlichen Entwicklung für jede Arbeitskraft einen Freibetrag von
der Kürzung auszunehmen (5.000 Euro für die ersten beiden Arbeitskräfte im
Betrieb, 3.000 Euro für jede weitere Voll-Arbeitskraft). 'Indem Fischler diesen
Freibetrag pro Arbeitskraft vorschlägt, erkennt er eine große Schwäche des
bisherigen Prämiensystem an. Denn bisher hat es zu ungeheuren Benachteiligungen
bäuerlicher Arbeit gegenüber der rationalisierten Produktion geführt. Die geht
soweit, dass in einigen rationalisierten Betrieben heute pro Arbeitskraft bis zu
75.000 Euro an Prämien im Jahr gezahlt werden, während die bäuerlichen Betriebe
mit einem Zehntel davon auskommen müssen', erklärte Graefe zu Baringdorf.

Um diese Benachteiligung bäuerliche Betriebe abzubauen, lautete der Vorschlag der
Verbände in der Plattform, die Direktzahlungen in Abhängigkeit von der Prämienhöhe
abzustaffeln. Bis zu 30.000 Euro sollen kürzungsfrei bleiben; der Prämienbetrag
zwischen 30.000 und 100.000 Euro soll um 25 Prozent gekürzt werden, der zwischen
100.000 und 200.000 Euro um die Hälfte und der Betrag über 200.000 Euro um 75
Prozent. Gleichzeitig sollen die Betriebe die Möglichkeit erhalten, über den
Nachweis von Lohnkosten ihren Prämienanspruch auf bis zu 100 Prozent ihres
ungestaffelten Anspruchs zu erhöhen. Auf diese Weise soll die Diskussion um 'Groß
oder Klein' überwunden und die Arbeit in den Mittelpunkt gestellt werden.

Euronatur und AbL begrüßen die von Fischler vorgesehene Obergrenze für
Direktzahlungen von 300.000 Euro pro Betrieb und Jahr als einen wichtigen Schritt
in diese Richtung. Von der Obergrenze werden in Deutschland rund 2.000 (= 0,5
Prozent) der insgesamt 410.000 landwirtschaftlichen Betriebe betroffen sein.
Ribbe: 'Dieser Ansatz wird von uns aber nicht nur aus Gründen der
Verteilungs­gerechtigkeit begrüßt. Dieser Ansatz bietet gleichzeitig auch eine
große Chance für die Entwicklung in Ostdeutschland. Denn die Gelder, die aufgrund
der Obergrenze zunächst nicht zur Auszahlung kommen werden, gehen dem Land und
somit der Wirtschaft der Region nicht verloren, sondern fließen in Programme zur
Ländlichen Entwicklung inklusive des Umweltschutzes.'

Die Verbände äußerten deshalb ihr Unverständnis darüber, dass einige Politiker
gegen diese Pläne Widerstand ankündigten. Es gelte jetzt, die vorhandenen Chancen
zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen im ländlichen Raum zu nutzen. 'Wer sich
wieder in Blockadehaltung übt erweist und sich als Lobbyist der rationalisierten
Großstrukturen, die Arbeitsplätze vernichten und nicht neue schaffen. Die
Finanzmittel, verwendet in einem Programm zum Aufbau vielfältiger und nachhaltiger
ländlicher Strukturen und zur Schaffung artgerechter Tierhaltungen in den
weitgehend vieh-leeren Regionen, können einen regelrechten Schub auslösen', so
Ribbe.

Graefe zu Baringdorf verwies auch in Bezug auf die Obergrenze auf den Vorschlag
der Verbände, den Betrieben auf Antrag die Möglichkeit zu geben, über den Nachweis
von Arbeitskosten auch zu einer Flexibilisierung der Obergrenze kommen zu können.
Fischlers Vorschlag der arbeitskraft-bezogenen Freibeträge nehme diesen Ansatz zum
Teil auf. Aber die bisher vorgeschlagenen Freibeträge seien zu gering bzw. müssten
ergänzt werden.

Auch auf den zu erwartenden Vorschlag der Kommission zur Entkopplung der
Direktzahlungen von der Produktionsmenge gingen Euronatur und AbL ein. Nach
Fischlers Vorschlag sollen die Direktzahlungen der EU nicht mehr pro Hektar
Getreide- oder Maisfläche oder pro Bulle oder Ochse gezahlt werden. Vielmehr soll
die Prämie, die ein Betrieb in einem bestimmten Zeitraum erhalten hat, zukünftig
auf seine gesamte Nutzfläche umgelegt werden.

Die Verbände begrüßten grundsätzlich dieses Vorhaben der Entkopplung von der
Produktionsmenge, denn es sei eine Hinwendung zu der Grundprämie, die sie in der
Verbände-Plattform vorgeschlagen hatten, und vermindere den Anreiz zur
Inten­sivierung der Landwirtschaft. Indem aber die Summe der bisherigen Prämien,
die ein Betrieb derzeit für Tier und Fläche erhält, künftig schlicht auf seine
Gesamtfläche übertragen wird, werde sich an der ungerechten Verteilung der
Zahlungen zunächst nicht viel ändern, so AbL und Euronatur. Ribbe: 'Dies ist eine,
vielleicht die entscheidende Schwäche des Fischler-Vorschlags. Hier muss
nachgearbeitet werden!'

Insbesondere kritisieren die Verbände, dass so die prämienbedingte Benachteiligung
besonders der Grünlandbetriebe und –regionen fortgeschrieben werde. Denn bisher
gebe es für Grünland keine Direktzahlungen, wohl aber für Silomais. 'Der
Kommissionsvorschlag muss deshalb ergänzt werden um eine wirksame Grünlandprämie',
forderte Graefe zu Baringdorf. So sollte die Übertragung der heutigen
Rinderprämien auf die Fläche an den Nachweis von Grünland gebunden werden. Zudem
müsse im Rahmen der Agrarumweltprogramme eine an ökologische Zusatzkriterien
gebundene Grünlandprämie eingeführt werden, die obligatorisch von allen
EU-Mitgliedstaaten und Bundesländern anzubieten sei, so der AbL-Vorsitzende.

Euronatur und AbL arbeiten zusammen in einem vom Umweltbundesamt unterstützten
Projekt, das zum Ziel hat, die Arbeit der Umweltverbände und von
landwirtschaftlichen Organisationen zur EU-Agrarpolitik und deren Reform zu
koordinieren. Als ein Ergebnis haben 13 Verbände im Oktober 2001 ihre gemeinsame
Position 'Auf dem Weg zu einer neuen Agrarpolitik in der EU' vorgelegt.

Links zum Thema Agrarpolitik,
Links zum Thema EU und Landwirtschaft.

 


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