Aktuelle Meldungen  -  Nachricht suchen  -   kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

@grar.de Aktuell - 23.05.2002

Rätselhafte Belastung durch Futtergetreide

Seit Jahrzehnten verbotenes Herbizid in Geflügelprodukten entdeckt


Gräfelfing (agrar.de) – Funde des Herbizids Nitrofen in Öko-Geflügelfleisch
und -Eiern veranlassen Naturland, zu diesen Vorgängen Stellung zu nehmen.
Der Ökologische Landbauverband stellt nach Naturland derzeit vorliegenden
Informationen fest, dass nach Bekannt werden der Funde umgehend alle relevanten
Qualitätssicherungsmaßnahmen eingeleitet wurden. Von den betroffenen
Verarbeitungs-Unternehmen wurden Produkte gesperrt oder zurückgerufen, Tests an
lebendem Geflügel angeordnet, betroffene Tiere zum Keulen aussortiert und nicht
verwertet. Vorsorglich wurde heute von einem Unternehmen eine Rückholaktion von
Eiern gestartet. Nach den bis jetzt vorliegenden Ergebnissen muss davon
ausgegangen werden, dass das Unkrautvernichtungsmittel mit einer Getreidepartie in
das Geflügelfutter gelangt ist. Ein Getreideerzeuger ist schon identifiziert.
Dieser Betrieb ist nicht Mitglied bei Naturland, sondern arbeitet nach den
Richtlinien der EU-Öko-Verordnung.

Der Einsatz chemischer Unkrautvernichtungsmittel ist im Ökologischen Landbau
strikt verboten. Die Funde von Nitrofen in Öko-Weizen, Öko-Triticale und
Mischfutter für Geflügel sorgen deshalb aus mehreren Gründen für Aufregung.
Verbände, Erzeuger und Verarbeiter fragen sich jetzt: War hier Vorsatz und Betrug
am Werk, oder handelt es sich um eine Altlast? Besonders rätselhaft sind die
Vorfälle, weil Nitrofen auch für den konventionellen Landbau in der Bundesrepublik
seit über 20 Jahren verboten ist.

Nach der Rückstands-Höchstmengenverordnung gilt für Nitrofen eine allgemeine
Höchstmenge von 0,01 mg/kg Lebensmittel. Die Nachweisgrenze liegt bei 0,004 mg/kg,
der analytische Fehlerbereich bei 0,012mg/kg. Einzelne Proben im Puten- und
Hähnchenfleisch sowie in Wurstwaren lagen über dem Grenzwert. Ein Unternehmen hat
mit dem heutigen Datum vorsorglich eine Rückholaktion und Auslieferungsstopp von
Bio-Eiern veranlasst. Aus sämtlichen Legebetrieben wurden Eier zu
unterschiedlichen Labors gebracht. Die Untersuchungsergebnisse liegen noch nicht
vor.

Verbotenes Herbizid Nitrofen

Laut International Chemical Safety Card der EU ist die Dichlor-Benzol-Verbindung
äußerst langlebig und reichert sich in der Nahrungskette an, vor allem in Fischen
und Pflanzen. In der Bundesrepublik ist Nitrofen seit 1981 verboten. In den Neuen
Bundesländern ist die Anwendung seit 1990 gesetzlich untersagt. Das
Unkrautvernichtungsmittel, das unter den Handelsbezeichnungen Tok 2, Tok E 25 und
Tokkorn verkauft wurde, konnte als Granulat ausgebracht werden. Es ist brennbar,
erfordert beim Umgang ein Atemschutzgerät mit Spezialfilter für toxische Partikel
und darf aufgrund seiner Persistenz 'unter keinen Umständen in die Umwelt
gelangen'. Nitrofen ist wasserunlöslich und reichert sich im Fettgewebe an.
Naturland Geschäftsführer Gerald A. Herrmann: 'Leider ein typisches Beispiel für
ein höchst unerwünschtes Erbe, das die chemische Industrie den Bauern hinterlassen
hat - auch den Öko-Bauern, die ja seit Anbeginn des Ökologischen Landbaus
organo-synthetische Pestizide jeder Art strikt vermeiden.'

Kleinbetriebe ebenso betroffen wie Große

Nach den ersten vorliegenden Recherche-Ergebnissen ist das Nitrofen über
Futtermittel ins Geflügel gelangt. Nach dem ersten Nitrofen-Fund in Produkten
wurden Ställe, Einstreu und Futter untersucht und die Ursache in Rückstellmustern
von Futtermitteln gefunden. Öko-Betriebe betreiben flächenbezogene Tierhaltung,
der Zukauf bestimmter Quoten von zertifiziertem Öko-Futter anderer Öko-Betriebe
oder von Öko-Futterproduzenten ist ihnen in definiertem Rahmen jedoch gestattet.
Daher könnten theoretisch alle Öko-Betriebe - kleine ebenso wie größere
Unternehmen - von solchen 'Rückständen' betroffen werden.

Öko-Verbände leisten Hilfestellung

Naturland Geschäftsführer Gerald A. Herrmann: 'Wir als Verbände haben eine über
die internen Qualitätssicherungssysteme großer Unternehmen hinaus gehende Aufgabe.
Sache der Öko-Verbände ist die Systemzertifizierung: die Art der Erzeugung, der
Verarbeitung und des gesamten Wegs eines Produktes vom Acker bis auf den
Ladentisch.' Die Instrumente dieser Systemzertifizierung helfen jetzt auch bei der
Suche nach der Ursache der Kontamination. So schreiben die
Qualitätssicherungssysteme des Ökologischen Landbaus z.B. eine genaue
Dokumentation des Warenflusses vor. Sie hilft jetzt, den oder die Verursacher zu
finden.

Spurensuche nach belastetem Getreide

Die Spur möglicherweise belasteter Getreidepartien wird nun bis zum Ursprung
zurückverfolgt. Vermutlich liegt sie nicht bei Öko-Mastbetrieben,
Futtermittel-Herstellern oder einer Futtermühle, sondern bei einem oder mehreren
Getreide-Erzeugern. Ein Öko-Betrieb aus den Neuen Bundesländern steht bereits als
Lieferant belasteten Getreides fest. Er ist nicht Mitglied bei Naturland, sondern
arbeitet nach den EU-Öko-Richtlinien. Diese fordern keine Umstellung des gesamten
Betriebes sondern erlauben auch eine Teilumstellung.

Umfassende Aufklärung gefordert

Naturland Geschäftsführer Gerald A. Herrmann fordert: 'In enger Zusammenarbeit
müssen jetzt nicht nur die Anbauverbände, die betroffenen Erzeuger und
Verarbeiter, sondern auch der Handel die Aufklärung weiter vorantreiben. Für
Naturland ist die Belastung ökologisch erzeugter Produkte mit Schadstoffen
untragbar. Trotz der regelmäßigen, strengen Prozess- und Qualitätskontrollen bei
Erzeugungs- und Verarbeitungsbetrieben müssen wir die
Lebensmittelüberwachungsbehörden und ggf. Staatsanwaltschaften auffordern, ihren
Teil zur Sicherheit von Öko-Produkten beizutragen.'

Information: Naturland - Verband für naturgemäßen Landbau e.V.,
Kleinhaderner Weg 1, 82166 Gräfelfing, Tel.: 089-898082-0, Fax: 089-898082-90,
E-Mail.

Links zum Thema Bio-Landbau.

 


zurück zur Übersicht  zum Seitenbeginn   

zur @grar.de Homepage

    
 

© Copyright 1997-2007 @grar.de, Rheine, http://www.agrar.de