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@grar.de Aktuell - 15.05.2002

BgVV-Expertengespräch zum Vorkommen von Acrylamid in Lebensmitteln


Berlin (agrar.de) - 'Es werden große Anstrengungen von Wirtschaft, Wissenschaft
und Behörden notwendig sein, um in vertretbaren Zeiträumen das Verbraucherrisiko
durch Arcrylamid in Lebensmitteln abschätzen und minimieren zu können,' lautet das
Fazit von Dr. Dieter Arnold, Leiter des Bundesinstituts für gesundheitlichen
Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV), zum Expertengespräch zum
Vorkommen von Acrylamid in bestimmten Lebensmitteln. 'Wir erwarten insbesondere
von der Industrie eine Aufklärung der Entstehungsbedingungen dieses Stoffes bei
der Verarbeitung bestimmter Lebensmittel. Nur auf dieser Grundlage kann eine
Minimierung der Gehalte dieses Stoffes in Lebensmitteln und damit auch des
Verbraucherrisikos erfolgen.'

Die schwedische Lebensmittelbehörde hatte am 24. April 2002 über das
Schnellinformationssystem für Lebensmittel der EU Forschungsergebnisse zum
Vorkommen von Acrylamid in Lebensmitteln zur Kenntnis gebracht.

In Untersuchungen an der Universität Stockholm wurden in Lebensmitteln, bei deren
Herstellung solche Prozesse wie Frittieren, Rösten oder Backen einbezogen waren,
Mengen an Acrylamid von 30µg/kg bis zu mehr als 2000 µg/kg gemessen.

Das BgVV hat aus diesem Grund am 14. Mai 2002 ein Expertengespräch durchgeführt.
Es wurden von den Experten Informationen abgefragt, die für eine umfassende
Risikoabschätzung der Sachlage erforderlich sind.

Zu der Frage des Nachweises von Acrylamid in Lebensmitteln steht eine
nachvollziehbare Beschreibung der angewendeten Analysenverfahren noch aus. Auch
durch direkte Nachfrage bei der schwedischen Behörde konnten die erforderlichen
Informationen noch nicht beschafft werden. Während Verfahren für den Nachweis von
Acrylamid in Wasser bereits seit einiger Zeit in Gebrauch sind, wird nach Ansicht
der Experten die Bereitstellung eines validierten Nachweisverfahrens in
Lebensmitteln noch einen gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen. Vielversprechende
Ansätze existieren bereits. Ein validiertes Nachweisverfahren ist jedoch der erste
Schritt, der erforderlich ist, um eine Sachaufklärung zu betreiben. Das BgVV wird
daher mit höchster Priorität die Anstrengungen zur Entwicklung und Validierung von
Analyseverfahren koordinieren.

Aufgrund fehlender Messungen ist noch unklar, ob auch in Deutschland mit dem
Vorkommen von Acrylamid in stärkehaltigen Lebensmitteln zu rechnen ist, die
gebraten, gebacken oder frittiert werden. Auch hier ist primär die Lebensmittel
herstellende Industrie aufgefordert, Daten zu ermitteln und zur Verfügung zu
stellen.

Das BgVV hat ferner angeboten, bei der Erörterung repräsentativer
Probenziehungspläne der Überwachungsbehörden der Bundesländer unter der
Federführung der neu gegründeten Bundesanstalt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit mitzuwirken.

Auf der Grundlage der bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse geht die
schwedische Lebensmittelbehörde davon aus, dass Acrylamid in kohlenhydratreichen
Lebensmitteln bei hohen Temperaturen gebildet wird. Über den Mechanismus der
Bildung liegen jedoch noch keine gesicherten Kenntnisse vor. In der
Expertenanhörung konnten lediglich mögliche Reaktionswege und -mechanismen
erörtert werden. Hier sind insbesondere die Lebensmittel herstellende Industrie,
aber auch die kompetenten Forschungsinstitutionen aufgefordert, den Einfluss der
technischen Prozesse zu untersuchen, welche bei der Herstellung der Lebensmittel
verwendet werden, die in der schwedischen Untersuchung als besonders belastet
erscheinen.

Acrylamid ruft in vitro und im Tierversuch Mutationen hervor. In einer Reihe von
Studien sind genotoxische Effekte in Somazellen und vererbte Keimzellmutationen
nachgewiesen worden. Studien am Tier zur Kanzerogenität haben gezeigt, dass
Acrylamid krebserzeugend wirkt; es erhöht die Häufigkeit des Auftretens von
Tumoren in mehreren Organen. Daher ist Acrylamid als mutagener und kanzerogener
Stoff mit Bedeutung für den Menschen eingestuft. Auch wenn die Befunde des
Tierversuchs einen anderen als den genotoxischen Mechanismus für die
Tumorentstehung als möglich erscheinen lassen, halten es die Experten dennoch für
nicht angebracht, diesen Mechanismus außer Acht zu lassen. Trotz des genotoxischen
Mechanismus haben die Experten einheitlich die Auffassung vertreten, dass eine
nicht-lineare Beziehung zwischen der Dosis und der beobachteten kanzerogenen
Wirkung angenommen werden kann.

Neben der Notwendigkeit, die Acrylamidbelastung von Lebensmitteln in Deutschland
zu untersuchen, unterstützten die Experten die Auffassung des BgVV, dass zur
Verbesserung der Abschätzung, welche Menge an Acrylamid von der Bevölkerung über
die Nahrung aufgenommenen wird, aktuelle Daten zum Verzehr der relevanten
Lebensmittel zur Verfügung stehen müssen. Auch hier sind in erster Linie die
Unternehmen, welche die entsprechenden Lebensmittel herstellen, aufgefordert, die
ihnen vorliegenden Daten zur Verfügung zu stellen. Die Diskussion zeigte auch, wie
notwendig die von Frau Ministerin Künast angekündigte neue Erhebung zum
Lebensmittelverzehr in Deutschland ist.

Angesichts der Besorgnis, welche die toxischen Wirkungen des Acrylamid auslösen,
sollten die für eine umfassende Risikoabschätzung erforderlichen Daten
schnellstmöglich erhoben und zur Verfügung gestellt werden. Über diese Empfehlung
hinaus, die Datenlage zu verbessern, sind Empfehlungen zur Risikominderung (z.B.
Änderungen der Verzehrsgewohnheiten) derzeit nicht möglich. Dies ist auch die
Ansicht der Experten.

Die WHO hat eine Konsultation zu den gesundheitlichen Folgen von Acrylamid in
Lebensmitteln für den 25. – 27. Juni 2002 angekündigt. Falls in dieser
Konsultation neue Daten verfügbar werden, ist zu prüfen, ob das BgVV weitere
Vorschläge zum Risikomanagement unterbreiten kann.

Weitere Informationen zu Acrylamid in Lebensmitteln,
Links zum Thema Lebensmittelqualität und -kontrolle.

 


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