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@grar.de Aktuell - 13.05.2002

EU: Abschließendes Rundtischgespräch über Landwirtschaft und Ernährung


Brüssel (agrar.de) - Heute schlossen die Kommissionsmitglieder David Byrne
(Gesundheit und Verbraucherschutz) und Franz Fischler (Landwirtschaft, ländliche
Entwicklung und Fischerei) einen über ein ganzes Jahr laufenden Prozess des
strategischen Dialogs über die Landwirtschafts- und Lebensmittelpolitik in Europa
ab. Bei dem abschließenden Rundtischgespräch über Landwirtschaft und Ernährung in
Brüssel fassten die beiden Kommissare die in diesem Zeitraum diskutierten Fragen
zusammen und präsentierten, mit Unterstützung einer Gruppe hochrangiger
internationaler Sachverständiger, eine Reihe von Gedanken zur Weiterentwicklung
der Landwirtschafts- und Ernährungspolitik in den kommenden Jahren. 'Die
Entwicklung eines integrierten Konzepts für Qualität in allen Phasen der
landwirtschaftlichen Erzeugung und der Lebensmittelproduktion sowie die
Betrachtung der Qualität aus Verbraucherperspektive waren die großen Themen dieses
Dialogs, dem wir ein ganzes Jahr gewidmet hatten. Jetzt stehen wir vor der
Aufgabe, dies in politische Konzepte, Rechtsvorschriften und praktische Maßnahmen
umzusetzen', so Byrne und Fischler.

Zweifellos werden die Ergebnisse dieser Rundtischgespräche zu einer politischen
Neuorientierung in der Landwirtschafts- und Lebensmittelpolitik führen und auch
auf die Methoden zur Information und Konsultation der Interessenvertreter
einwirken. Konkret könnten die Anregungen unter dem Gesichtspunkt der
Zwischenbewertung der Gemeinsamen Agrarpolitik, der Politik zur Entwicklung des
ländlichen Raums und der Umsetzung des Weißbuchs zur Lebensmittelsicherheit
berücksichtigt werden. 'Klare und unmissverständliche Verbraucherinformation ist
entscheidend für eine überlegte Verbraucherentscheidung, diese Botschaft konnte
bei den Rundtischgesprächen klar vermittelt werden. Politik und Recht werden
weiterentwickelt werden, um dieser deutlichen Botschaft des Verbrauchers Wirkung
zu verschaffen. Qualität und Preis-Leistungs-Verhältnis gehören zusammen', so
David Byrne, Kommissar für Verbraucherschutz.

'Ich glaube, wir können aus diesem Prozess lernen, dass wir alle an der
Lebensmittelherstellungskette Beteiligten und alle Interessenvertreter einbeziehen
müssen, wenn wir den Landwirten helfen wollen, Qualitätsprodukte zu erzeugen. Es
wäre eine Herausforderung, im Rahmen der Politik für die ländliche Entwicklung
Konzepte zu entwickeln, die einen Anreiz zur Herstellung von Qualitätsprodukten
bieten', so Franz Fischler, Kommissar für die Landwirtschaft.

Ein wesentliches Ergebnis dieses Jahres war die Feststellung, dass die Festlegung
von Qualitätsnormen sehr viele Aspekte umfasst. Die Kommissare machten
unmissverständlich deutlich, dass bestimmte Qualitätselemente nicht
Verhandlungsgegenstand sein können: die Lebensmittelsicherheit ist das Fundament
für alle Qualitätsbestrebungen.

Andere Aspekte jedoch, wie etwa Geschmack, äußere Erscheinung, Verfügbarkeit,
Preis, Erschwinglichkeit usw., werden weitgehend der Entscheidung des Marktes
überlassen. Wesentlich ist die Transparenz der Informationen, um dem Verbraucher
eine überlegte Entscheidung zu ermöglichen.

Ein ganzheitlicher Ansatz unter dem Motto 'vom Erzeuger bis zum Verbraucher'
bildete die Grundlage für alle Diskussionen und sorgte gleichzeitig dafür, dass
alle Akteure in der Lebensmittelherstellungskette in die Debatte einbezogen
wurden.

In der Folge der Rundtischgespräche könnten konkrete Maßnahmen in folgenden drei
Bereichen ins Auge gefasst werden:

Landwirtschaft

Die Landwirtschaft ist die Grundlage der Lebensmittelherstellungskette. Sie ist
aber noch mehr und dies sollten wir berücksichtigen, wenn wir die Landwirtschaft
wirklich verstehen und als Teil einer Lebensmittelherstellungskette etablieren
wollen, die in jeder Phase Qualität liefert. Zunächst haben wir es hier mit einer
Tätigkeit zu tun, die sich nach dem Kreislauf der Natur richten muss. Zum zweiten
ist es ein Wirtschaftszweig, der mehr als die Hälfte des Gebiets der Union
abdeckt. Dies bedeutet eine Präsenz im Bewusstsein der Bürger, die weit über das
wirtschaftliche Gewicht der Landwirtschaft hinaus geht. Und da die meisten unserer
wertvollen Natur- und Kulturlandschaften von der Landwirtschaft geprägt wurden,
erfordert ihre Erhaltung eine aktive Rolle der Landwirte als Bewahrer der
Landschaft. Und drittens bedingt die Tatsache, dass die Landwirtschaft natürlichen
Bedingungen und schwankenden Witterungsverhältnissen ausgeliefert ist,
Ertragsrisiken und Preisschwankungen, die einer der Gründe für politische
Interventionen sind.

Das Konzept der Multifunktionalität ist eines der wesentlichen Merkmale der
europäischen Landwirtschaft und zugleich Ausdruck der Erwartungen der
Gesellschaft: die Landwirtschaft als Wirtschaftszweig muss vielseitig, nachhaltig,
wettbewerbsfähig und über ganz Europa verteilt sein. Sie muss die Landschaft
bewahren, die Natur erhalten und einen Beitrag zur Lebenskraft des ländlichen
Raums leisten können. Somit repräsentiert die Multifunktionalität legitime
politische Ziele, die wir erreichen müssen, um die ländliche Umgebung und die
Landwirtschaft zu bieten, die die Europäer wollen. Ziel ist es daher, Maßnahmen zu
treffen, die unserer Landwirtschaft einerseits die weitestgehende Erfüllung ihrer
Rolle ermöglichen, andererseits aber so wenig Handelsverzerrungen wie möglich mit
sich bringen. Die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen
Lebensmittelerzeugung in Europa wird jedoch als entscheidend angesehen.
Innovation, Forschung und Entwicklung sind unerlässliche Elemente eines
dynamischen und wettbewerbsfähigen Sektors.

Die Stärkung der Politik der ländlichen Entwicklung, der zweiten Säule der
Gemeinsamen Agrarpolitik, wurde in den Rundtischgesprächen als weitere Priorität
genannt. Es ist in erster Linie diese Politik der ländlichen Entwicklung, die in
vielen Bereichen die Instrumente liefert, die für die erforderlichen dauerhaften
Lösungen benötigt werden. Bei vielen Diskussionen in den Mitgliedstaaten, aber
auch beim abschließenden Rundtischgespräch, wurde betont, dass hier noch mehr
getan werden könnte. Die Landwirte erhalten im Rahmen der Politik zur Entwicklung
des ländlichen Raums Unterstützung bei der Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen;
ähnliche Konzepte könnten auch im Hinblick auf die Förderung von Qualitätsnormen
und entsprechende Anreize ins Auge gefasst werden. Dies würde einhergehen mit der
ökologischen Landwirtschaft, die Multifunktionalität steigern und kleine,
traditionelle Landwirte und Erzeuger bei unternehmerischen Initiativen
unterstützen.

Das abschließende Rundtischgespräch betonte erneut die Notwendigkeit einer in
sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht nachhaltigen Landwirtschaft,
die auch Tierschutznormen angemessen berücksichtigt.

Lebensmittelpolitik

Die eigentliche Frage, um die es hier geht, ist das Vertrauen des Verbrauchers in
die Fähigkeit der gesamten Lebensmittelherstellungskette einschließlich der
öffentlichen Instanzen, dem Bedarf der Öffentlichkeit an sicheren und hochwertigen
Lebensmitteln gerecht zu werden.

Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen war, dass die Schaffung der Europäischen
Behörde für Lebensmittelsicherheit Vorrang hat und ein Mittel darstellt, das
Verbrauchervertrauen wiederherzustellen.

Der rasche Abschluss des Aktionsplans im Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit wurde
ebenfalls als besonders wichtig angesehen. Die Transparenz in allen Phasen der
Lebensmittelerzeugungskette wurde als conditio sine qua non bewertet, wenn man das
Verbrauchervertrauen festigen will.

Ein harmonisiertes Konzept im Lebensmittelrecht wurde als wesentlich für das
effiziente Funktionieren des Binnenmarktes bezeichnet, sowohl aus der Sicht der
Unternehmen als auch aus Verbraucherperspektive.

Die Verbraucher erwarten heutzutage, ja sie fordern mehr und bessere Informationen
über ihre Lebensmittel. Diese Informationen werden üblicherweise durch eine
entsprechende Kennzeichnung, entweder gesetzlich vorgeschrieben oder freiwillig,
geliefert. Aber die Kennzeichnung wird immer komplizierter und verwirrender, sie
erschwert es dem Verbraucher, Informationen zu finden, zu lesen und zu verstehen,
und sie führt damit zu größeren Schwierigkeiten bei der Durchsetzung und Kontrolle
der Kennzeichnungsbestimmungen.

Die Kommission möchte in enger Zusammenarbeit mit Vertretern von Mitgliedstaaten,
Verbrauchern, Industrie und Einzelhandel eine Bewertung der
Kennzeichnungsvorschriften vorzunehmen, um diese zu modernisieren und nach
Möglichkeit zu vereinfachen. Dabei geht es in erster Linie darum, die bestehenden
Vorschriften an den Zielen einer Kennzeichnung zu messen, es werden aber auch
folgende Aspekte auf ihren Nutzen zu prüfen sein: Ergänzung bestehender
Vorschriften für Herkunftsbezeichnung und Nährwertangaben, Verbesserung der
Verständlichkeit der Kennzeichnung und alternative Wege der Information.

Ausgehend von den Kommentaren und Diskussionsbeiträgen im Lauf der
Rundtischgespräche wurde ein umfassenderer Ansatz für Rechtsvorschriften zu den
verschiedenen Arten von Werbebehauptungen bei Lebensmitteln vorgeschlagen. In
dieser Hinsicht plant die Kommission, einen Vorschlag für Rechtsvorschriften über
'nährwertbezogene Behauptungen', 'wirkungsbezogene Behauptungen' und
'gesundheitsbezogene Behauptungen' zu erarbeiten. Zu dieser Initiative wird eine
weitere Konsultation der Interessenvertreter stattfinden.

Die Rundtischgespräche berührten auch den Zusatz von Nährstoffen in Lebensmitteln.

Lebensmittel mit Nährstoffzusätzen finden mehr und mehr Interesse bei Verbrauchern
wie bei der Industrie, die innovative Produkte anbieten möchte. Die Verbraucher
sind sich zunehmend der Bedeutung der Ernährung für das allgemeine Wohlbefinden
und der spezifischen Rolle bestimmter Nährstoffe bewusst. Diese Interessen müssen
berücksichtigt werden, und es ist sicherzustellen, dass die Produkte mit
Nährstoffzusätzen, die auf den Markt kommen, echte Vorteile für den Verbraucher im
Sinne einer ausgewogenen Ernährung bringen.

Für diesen Bereich sind noch Rechtsvorschriften zu erarbeiten, die ebenfalls bis
zu ihrem Abschluss von Konsultationen begleitet werden sollte.

Ein anderer Bereich, der in diesem Jahr des Dialogs Aufmerksamkeit fand, waren
neuartige Lebensmittel und Herstellungsprozesse. Die Kommission beabsichtigt, in
Kürze ein Konsultationspapier zu diesem Themenkomplex vorzulegen.
Lebensmittelpolitik und recht müssen auch andere Formen der Innovation in der
landwirtschaftlichen Lebensmittelerzeugung fördern, so etwa handwerkliche
Produktionsmethoden, Biotechnologie, biologische Anbaumethoden und nachhaltige
Entwicklung.

Information und Konsultation

Die Kommission möchte den Dialog mit den Interessenvertretern weiter entwickeln,
sowohl durch Schaffung einer neuen Struktur für die formelle Konsultation als auch
durch die Erhaltung direkter Kontakte mit der Lebensmittelindustrie.

Im Kontext des 'Europäischen Regierens' legt die Kommission großes Gewicht auf die
Konsultation und Beteiligung aller Betroffenen an der Entwicklung und
Weiterverfolgung der EU-Politik. Das soll dazu beitragen, die Notwendigkeit
spezifischer Rechtsvorschriften in Einzelbereichen zu bewerten.

Die Notwendigkeit, die Kommissionsinstrumente für den Dialog mit den Sektoren
Landwirtschaft, Industrie und Handel, aber auch mit den Verbrauchern zu erhalten
und zu verstärken, wurde bei den Rundtischgesprächen über Landwirtschaft und
Ernährung besonders betont.

Hierzu wird die Kommission demnächst die Umorganisierung der bisherigen beratenden
Ausschüsse im Bereich Lebensmittel und Veterinärpolitik vorschlagen. Der neue
Beratende Ausschuss wird alle Fragen im Zusammenhang mit Lebensmittelsicherheit
behandeln und einen strukturierten und umfassenden Dialog und Konsultationsprozess
mit allen an den verschiedenen Phasen der Lebensmittelherstellungskette
beteiligten Sektoren gewährleisten.

Es gab zahlreiche Stellungnahmen zur Frage der Weiterentwicklung des
Rundtischdialogs selbst. Es gab zahlreiche Vorschläge, wie die Konsultation in
Bezug auf die Lebensmittelkette verbessert werden könnte. Sicherlich wird der
Beratende Ausschuss hier einen wesentlichen Beitrag leisten.

Private Partnerschaften zwischen den verschiedenen Akteuren in der
Lebensmittelherstellungskette sollten gefördert und die Zusammenarbeit zwischen
ihnen und mit den Verbrauchern angeregt werden. Weiterhin sind wir der Ansicht,
dass regelmäßigere Diskussionen zu Lebensmittelfragen im EU-Verbraucherausschuss
hilfreich wären. Wir stehen der Anregung offen gegenüber, einen solchen Rundtisch
für Landwirtschaft und Ernährung, organisiert von der Kommission, regelmäßig etwa
alle zwei Jahre einzuberufen, um Entwicklungen zu erörtern und entsprechende
Fortschritte anzuregen.

Links zum Thema Lebensmittelqualität - und -kontrolle,
Links zum Thema EU und Landwirtschaft.

 


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