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@grar.de Aktuell - 19.03.2002

EU-Lebensmittelhygiene: Konditorenhandwerk warnt vor Papierkrieg in der Backstube


Mönchengladbach (agrar.de) - Als nicht praktikabel und als lebensfremd bezeichnet
der Deutsche Konditorenbund die Absicht der EU, künftig auch von
Konditoreien schriftliche Nachweise über die seit langem üblichen Eigenkontrollen
der betrieblichen Hygienestandards zu verlangen. Der Konditorenbund betont, dass
das hohe Hygieneniveau handwerklich erzeugter Lebensmittel auf der guten
Ausbildung, der sorgfältigen Arbeitsweise der Mitarbeiter und auf der ständigen
Kontrolle durch den Meister beruht. Die Berufsorganisation der Konditoren wehrt
sich allerdings energisch gegen die Einführung einer entsprechenden
Dokumentationspflicht.

Eine Pflicht zum fortlaufenden Sammeln, Niederschreiben und Archivieren
verschiedener hygienerelevanter Daten über Arbeitsvorgänge im Betrieb führt
zwangsläufig zu einem weiteren Anwachsen von Bürokratie und Zettelwirtschaft in
der Backstube und geht zu Lasten der produktiven Arbeit. Der Berufsverband betont,
dass im Konditorenhandwerk die Hygiene einen hohen Stellenwert besitzt. Noch mehr
Dokumente bewirken jedoch nicht noch mehr Hygiene.

Die von der EU angestrebte Regelung soll abgestuft nach Art und Größe des
jeweiligen Unternehmens für die gesamte Nahrungsmittelwirtschaft in der
Europäischen Union gelten. Jedoch sollen nicht nur große Industrieunternehmen,
sondern auch kleine Lebensmittelbetriebe wie z.B. Konditorei/Cafés verpflichtet
werden, in einem ihrer Struktur angemessenen Umfang Dokumente zu führen und zur
Einsicht für Überwachungsbehörden aufzubewahren. Aus den Unterlagen soll
hervorgehen, ob und inwieweit der Unternehmer anhand eines HACCP-Konzepts ständig
überprüft hat, dass in seinem Betrieb hygienisch gearbeitet wurde. HACCP ist die
Abkürzung für die englische Formulierung Hazard Analysis and Critical Control
Points. Nach dem Wortlaut des amtlichen Entwurfs umfasst HACCP die 'Ermittlung von
Gefahren und Bestimmung der Prozessstufen im Herstellungsverfahren, an denen
Gefahren ausgeschaltet werden können.'

Die Pläne für eine Dokumentationspflicht nach HACCP kritisiert der Konditorenbund
im Hinblick auf Handwerksbetriebe als eine praxisfremde weit überzogene Maßnahme.
Sie macht die handwerkliche Konditorei teurer, zeitaufwendiger, schwer-fälliger
und hält den Konditor von der eigentlichen Arbeitsleistung ab. Der Berufsverband
prangert an, dass die Vielzahl bereits bestehender belastender Vorschriften,
Auflagen, Formular- und Nachweispflichten für selbständige Handwerksmeister
nochmals erweitert werden sollen. Damit werden die Rahmenbedingungen für
selbständige Existenzen im Konditorenhandwerk weiter verschlechtert.

Der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik des
Europäischen Parlaments wird am Donnerstag, 21. März 2002, voraussichtlich über
einen Änderungsantrag abstimmen. Er sieht vor, anstelle der Dokumentation eine
Auskunftspflicht einzuführen, die von kleineren Betrieben auch mündlich erfüllt
werden kann. Der Deutsche Konditorenbund appelliert an die EU-Parlamentarier, die
derzeit den Entwurf der Verordnung über Lebensmittelhygiene beraten, die
besonderen Belange der Handwerksbetriebe und der kleinen Unternehmen zu
respektieren, für die eine Dokumentation auch beim besten Willen nicht machbar
ist.

Die Konditoren hoffen, dass aus dem Europäischen Parlament Rückenwind für die
handwerklichen Hersteller kommt. Denn diese garantieren eine große kulinarische
Vielfalt und leisten damit einen wichtigen Beitrag zu unserer Lebensqualität.

Traditionell sind es die Handwerksbetriebe, bei denen der Verbraucher frische,
lose angebotene Lebensmittel unmittelbar vom Hersteller erhält, oft aus Rohstoffen
regionaler Erzeugung hergestellt. Der Absatz ist auf das örtliche Umfeld bezogen
und verläuft schnell ohne lange Lager- oder Transportzeiten. Die morgens hergestel
lten frisch angebotenen Lebensmittel sind oft bereits nachmittags wieder verkauft.
Die Sitzung des EU-Parlamentsausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und
Verbraucherpolitik sieht der Berufsverband als Chance an, für die Interessen der
Handwerksmeister und kleinen Betriebe im Lebensmittelbereich einzutreten.

Der Deutsche Konditorenbund unterstreicht, dass ein hoher Ausbildungsstandard der
Mitarbeiter und die Anwendung der Regeln guter handwerklicher Praxis der beste
Garant für hygienische Herstellungsweise sind. Sauberes Arbeiten ist für die
Hygiene viel wichtiger, als ein regelmäßiges Ausfüllen und korrektes Abheften von
Datenblättern, Dokumentation erstickt individuelle Kreativität, Vielfalt und
Dienstleistungsbereitschaft im Handwerksbetrieb. Gerade diese Stärken des
Handwerks dürfen nicht durch zuviel Bürokratie eingeengt werden. Noch mehr
Schreibtischtätigkeit im Handwerksbetrieb führt zu Nachteilen für den Verbraucher,
was nicht im Sinne des staatlichen Verbraucherschutzes liegen kann!

Information: Deutscher Konditorenbund, Speicker Str. 13, 41061
Mönchengladbach, Tel.: 02161-833137, Fax: 02161-831618, E-Mail.

Links zum Thema Bäcker und Konditoren.

 


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