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@grar.de Aktuell - 18.03.2002

Studie: EU bringt Vorteile für Landwirte in den Beitrittsländern


Brüssel (agrar.de) - Eine heute von der Europäischen Union veröffentlichte Studie
kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Aussichten für die Landwirte der
Beitrittsländer durch den Beitritt deutlich verbessern werden, ohne dass es in der
erweiterten Union zu größeren Marktungleichgewichten kommt. Es wurden vier
verschiedene politische Szenarios simuliert ('keine Erweiterung', 'Einführung der
Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ohne Direktzahlungen', 'GAP mit Direktzahlungen',
und 'Verhandlungsposition der Beitrittsländer'). Dabei ergab sich, dass der
EU-Beitritt selbst unter den ungünstigsten Annahmen positive Auswirkungen auf die
landwirtschaftlichen Einkommen in den Beitrittsländern haben wird. Der Bericht
bestätigt auch die Auffassung der Kommission, dass die sofortige Gewährung von
Direktzahlungen in voller Höhe zu erheblichen sozialen Ungleichheiten führen und
die notwendige Umstrukturierung behindern würde, weil sich hierdurch die
landwirtschaftlichen Einkommen in den Beitrittsländern mehr als verdoppeln
könnten. Die Studie bestätigt die Auffassung, dass diese positiven Wirkungen der
EU-Mitgliedschaft nur dann eintreten, wenn die zur Erreichung der
EU-Erzeugungsnormen erforderlichen Umstrukturierungen durchgeführt werden.

Nach dem Bericht würden sogar EU-Marktstützungsmaßnahmen wie z. B. Interventionen
ohne Direktzahlungen in den acht mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern
(MOEL-8 (außer Bulgarien und Rumänien)) bis 2007 zu einem Anstieg der
landwirtschaftlichen Einkommen um etwa 30 Prozent führen. Besonders stark wäre
dieser Anstieg in der Tschechischen Republik (+60 Prozent), Lettland (+59
Prozent), Estland (+55 Prozent), der Slowakei (+45 Prozent) und Polen (+35
Prozent). Durch die Gewährung von Direktzahlungen in voller Höhe würde sich dieser
Einkommenseffekt bei Zugrundelegung aktueller Referenzzeiträume verdreifachen
(Zunahme um +89 Prozent) und bei Übernahme Verhandlungsposition der
Beitrittsländer sogar vervierfachen (+123 Prozent).

Hierzu erklärte EU-Agrarkommissar Fischler: 'Die Ergebnisse sind eindeutig: Es ist
besser, in der EU zu sein als draußen. Die EU-Mitgliedschaft wird den Landwirten
der Beitrittsländer erhebliche Vorteile bringen. Die Studie enthält aber auch eine
klare Botschaft an die Beitrittsländer: Es gibt keinen Blankoscheck. Um die
Vorteile der EU-Mitgliedschaft zu erhalten, müssen die Beitrittsländer die
Erzeugungsnormen der EU einhalten. Zu diesem Zweck müssen sie die erforderlichen
Anstrengungen unternehmen, um insbesondere den Tierhaltungssektor
umzustrukturieren. Aus diesem Grund haben wir intensivere Maßnahmen für die
ländliche Entwicklung, wie z. B. Unterstützung der subsistenzwirtschaftlich
geprägten Betriebe, vorgeschlagen.'

Die Aussichten für Länder, die außerhalb der EU bleiben, sind schlecht,
insbesondere im Rindfleisch- und im Milchsektor. Diese Studie bestätigt die
Strategie der Kommission. Es liegt auf der Hand, dass sich mit den von uns
vorgeschlagenen Direktzahlungen (25-35% von 2004 bis 2006) die Lage für die
Landwirte in allen Beitrittsländern günstiger entwickelt, als wenn sie außerhalb
der Union bleiben. Die Studie zeigt, dass Direktzahlungen in einer bestimmten Höhe
notwendig sind, um die Einkommen zu stabilisieren. Aber schon niedrige
Direktzahlungen können sicherstellen, dass die Erweiterung für alle MOEL positive
Einkommenseffekte bringt.

Andererseits macht die Studie deutlich, dass Direktzahlungen in voller Höher dazu
führen würden, dass ein durchschnittlicher ungarischer oder tschechischer Landwirt
plötzlich mehr als das Doppelte des nationalen Durchschnittseinkommens verdient.
Hierdurch würden aber die Maßnahmen zur Umstrukturierung der Beschäftigung in den
durch Kleinbetriebe geprägten Ländern unwirksam, und es würde zu sozialen
Verwerfungen und Ungleichheiten kommen."

Die Schlussfolgerungen der Studie

1. Ungünstige Aussichten für Landwirte in MOEL außerhalb der EU

Ohne EU-Mitgliedschaft würde sich der Output (d. h. der Wert der Erzeugung) in den
acht MOEL, die 2004 der EU beitreten wollen (MOEL-8), nur im Kulturpflanzensektor
leicht erhöhen und - wenn diese Länder 2007 noch außerhalb der EU sind - im
Tierhaltungssektor weiter sinken.

Im Kulturpflanzensektor wäre der Anstieg in der Slowakei am höchsten (+6 Prozent),
dagegen würde der Output in Litauen sinken (3 Prozent). Wesentlich ungünstiger
stellt sich die tierische Erzeugung dar, wo die Erzeugung in allen Ländern mit
Ausnahme von Slowenien und in geringerem Umfang auch der Tschechischen Republik
zurückgehen würde. Besonders ausgeprägt wäre diese Entwicklung in den baltischen
Staaten und in Ungarn. Es wird davon ausgegangen, dass die Einkommen in den MOEL-8
hierdurch gegenüber 2002 um durchschnittlich 4% sinken werden. Einzige Ausnahmen
wären Slowenien und in geringerem Umfang die Tschechische Republik. Polen und
Ungarn lägen im Mittelfeld.
Ob die Beitrittsländer die Vorteile der EU in vollem Umfang nutzen können, wird
davon abhängen, inwieweit sie das geltende Gemeinschaftsrecht (den 'Acquis')
übernehmen und im Tierhaltungssektor gemäß den EU-Normen produzieren können; dies
gilt insbesondere für die Länder mit einem großem subsistenzwirtschaftlich
geprägten Sektor. Im Kulturpflanzensektor ist nach der Studie mit solchen
Problemen nicht zu rechnen.

Damit die Beitrittsländer diese Vorteile bis 2007 erreichen, hat die Kommission in
ihren Vorschlägen Umstrukturierungsbeihilfen zur ländlichen Entwicklung und eine
besondere Maßnahme für subsistenzwirtschaftlich geprägte Betriebe vorgesehen, die
dazu dient, diesen Betrieben bei der Erreichung der handelsüblichen Normen zu
helfen.

Diese notwendige Umstrukturierung würde außerhalb der EU, also ohne gezielte
Programme für die ländliche Entwicklung und Strukturfondsprogramme, wesentlich
schmerzhafter ablaufen.

2. Schon bei geringen Direktzahlungen hätte die Erweiterung für alle MOEL positive
Einkommenseffekte

Durch Anwendung Direktzahlungen in voller Höhe verdreifachen sich - auf der
Grundlage der jüngsten Referenzzeiträume - die Einkommenseffekte (+89 Prozent)
gegenüber einer reinen Preisstützung; bei Übernahme der Verhandlungsposition der
Beitrittsländer (+123 Prozent) würden sich die Einkommenseffekte sogar
vervierfachen.

In jedem Fall wäre die Lage der Beitrittsländer - selbst unter den ungünstigsten
Annahmen für die Umstrukturierung - nach den Vorschlägen der Kommission (25
Prozent -30 Prozent -35 Prozent) günstiger als bei einem Nichtbeitritt.

Der Beitritt wirkt sich in den MOEL-8 also günstig auf die Einkommen aus,
insbesondere im Vergleich zu den nationalen Einkommensstrukturen.

3. Direktbeihilfen in voller Höhe haben sehr starke Einkommenseffekte, würden die
Anreize für die Umstrukturierung der Beschäftigung zunichte machen und hätten
soziale Verwerfungen und Ungleichheiten zur Folge

Ohne den EU-Beitritt erwirtschaftet ein durchschnittlicher landwirtschaftlicher
Betrieb in den MOEL das 1,2-fache des nationalen Durchschnittseinkommens
(gegenüber dem 0,9-fachen in der EU-15).

Durch einen Beitritt ohne Direktzahlungen würden die Einkommen aus einem Betrieb
mit 20 ha um 50 Prozent (also vom etwa 1,2-fachen auf das 1,8-fache des
Durchschnittseinkommens) ansteigen.

Durch Direktzahlungen in voller Höhe würden die Einkommen auf der Grundlage der
jüngsten Referenzzeiträume um 117 Prozent auf das 2,6-fache des durchschnittlichen
Bruttoeinkommens ansteigen.

Bei Direktzahlungen in voller Höhe, wie sie die MOEL fordern, würde dieses
Einkommen um etwa 150 Prozent (vom 1,2-fachen auf das 3-fache des jeweiligen
Durchschnittseinkommens im Vergleich zum Nichtbeitritt) ansteigen.

Bei so hohen Direktzahlungen wäre es für die Produktionsfaktoren (also die Arbeit)
günstiger, in der Landwirtschaft zu verbleiben, als in andere Wirtschaftszweige
überzuwechseln. Zudem könnten Direktzahlungen in dieser Höhe in vielen Ländern
auch zu erheblichen sozialen Verwerfungen und Ungleichheiten führen.

4. Im Binnenmarkt können die Landwirte der MOEL wachsen und wettbewerbsfähig
werden

Sogar ohne Direktzahlungen an die Beitrittsländer wird die Getreideerzeugung nach
Aussage der Studie steigen und die bestehenden Überschüsse weiter erhöhen. Auch im
Rindfleisch- und Milchsektor werden positive Auswirkungen festzustellen sein, wenn
auch nicht in so großem Umfang, dass hierdurch die derzeitigen Erzeugungsmengen
wesentlich ansteigen. Dies ist ein klarer Hinweis auf die Wettbewerbsfähigkeit im
Binnenmarkt.

Lediglich die Schweinefleischerzeugung dürfte zurückgehen, was ebenfalls die
relative Wettbewerbsfähigkeit dieses Sektors deutlich macht. Nach zügiger
Durchführung von Investitionen dürfte die Geflügelfleischerzeugung soweit
ansteigen, dass die wachsende Nachfrage auf den neuen Märkten gedeckt wird. Eine
solche Entwicklung wäre auch für die dynamischsten Bereiche des
Schweinefleischsektors möglich.

Durch die Integration in den Binnenmarkt wird es in gewissem Umfang zu einer
Spezialisierung der Landwirtschaft kommen; dabei wird sich der Schwerpunkt bei der
pflanzlichen Erzeugung auf die MOEL und bei der tierischen Erzeugung auf die EU-15
verlagern.

5. Vergrößerung verursacht keine größeren Marktungleichgewichte in der erweiterten
Union

Bei der pflanzlichen Erzeugung dürften die Weizenüberschüsse keine größeren
Probleme verursachen, weil der Weizen aus der EU auf den Weltmärkten
wettbewerbsfähig sein wird. Auch die Maisüberschüsse der MOEL können vollständig
von der EU-15 aufgenommen werden. Nur bei Roggen und sonstigem Getreide
(insbesondere Hafer) könnte sich der Absatz auf den Weltmärkten schwierig
gestalten.

Bei der tierischen Erzeugung lassen sich die Rindfleischmärkte in der EU-25 in den
Griff bekommen, wenn keine größeren Verschiebungen bei der Verbrauchernachfrage
eintreten. Bei den Milchprodukten wird es durch die Quoten, sofern diese sich auf
aktuelle Referenzzeiträume stützen, auf den EU-Märkten zu keinen größeren
Störungen kommen.
Etwaige andere positive Einkommenseffekte durch verstärkte Maßnahmen zur Förderung
der ländlichen Entwicklung, wie sie die Kommission vorgeschlagen hat, sind bei
dieser Simulation noch nicht berücksichtigt.

Die vollständige Studie lässt sich auf der Website der GD Landwirtschaft
abrufen.

Links zum Thema Europa.

 


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