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@grar.de Aktuell - 07.03.2002

DVT: Wo bleibt die Qualitätssicherung bei politischen Entscheidungen?


Bonn (agrar.de) - Grundsätze der Qualitätssicherung müssen auch für Behörden und
den Gesetzgeber gelten. Diese Forderung erhob heute Ulrich Niemann, Präsident des
Deutschen Verbands Tiernahrung (DVT), anlässlich des
Jahres-Pressegesprächs des Verbandes in Bonn. Vorkommnisse der letzten Zeit hätten
gezeigt, dass elementare Grundregeln der Qualitätssicherung – wie sie von jedem
Unternehmen zu recht gefordert und auch eingehalten würden – bei Behörden nicht
einmal in Ansätzen existierten.

Als Beispiel verwies der DVT-Präsident auf die Vorgänge um die im November
vergangenen Jahres in den Niederlanden aufgetauchten, mit Chloramphenicol
belasteten Shrimps. Die Europäische Kommission hatte nach der Entdeckung die
sofortige Vernichtung der Ware angeordnet. Die beauftragte niederländische
Recycling-Firma lieferte die Ware jedoch illegal - mit normalen Fischabfällen
vermischt und als solche deklariert - an eine Verarbeitungsfirma in Cuxhaven, die
Fischmehl herstellt.

Nach Aussage des niedersächsischen Landwirtschaftsministers Uwe Bartels hatten die
niederländischen Behörden bereits seit dem 6. Dezember 2001 Kenntnis über diesen
Fall. Das deutsche Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft (BMVEL) wurde von den niederländischen Behörden kurz vor
Weihnachten informiert. Die Unterrichtung der eigentlich zuständigen
Futtermittelüberwachungsbehörde in Niedersachsen durch das BMVEL erfolgte jedoch
erst am 11. Januar 2002. Demnach verstrichen durch Behördenversäumnisse rund fünf
Wochen bis auf deutscher Seite auf die kriminellen Vorgänge in den Niederlanden
reagiert werden konnte. Wären die Informationen rechtzeitig weitergegeben worden,
hätte ein Großteil der Ware bereits in Cuxhaven sichergestellt werden können und
der wirtschaftliche Schaden hätte sich in Grenzen gehalten.

Elementare Bestandteile eines Qualitätssicherungssystems sind neben der
Dokumentation, der Aufstellung von Krisenplänen und der zügigen Unterrichtung der
Betroffenen auch die klare Festlegung der Verantwortlichkeiten.

'Der Zuständigkeitswirrwarr zwischen Bund, Ländern und der EU-Kommission und die
offensichtliche Unfähigkeit der Behörden auf der Grundlage sachlicher
Gegebenheiten Entscheidungen zu treffen, ist ein Trauerspiel, das sich in der
Wirtschaft niemand leisten dürfte', so der Kommentar von Ulrich Niemann.

Tatsache ist, dass nach wie vor alle Futtermittel, die möglicherweise Fischmehl
aus Cuxhaven enthalten, gesperrt sind und dies obwohl bei weit über einhundert
durchgeführten Untersuchungen analytisch kein Chloramphenicol nachgewiesen werden
konnte. Das BMVEL ließ verlauten, dass diese Futtermittel dennoch nicht an
Nutztiere verfüttert werden dürfen. Dagegen dürften Tiere, die solches Futter
erhalten haben, geschlachtet werden. Hier müsse vor der Schlachtung lediglich auf
Chloramphenicol untersucht werden. Werde das Antibiotikum nicht nachgewiesen,
dürfe das Fleisch vermarktet werden.

'Diese unterschiedliche Behandlung von Futter- und Lebensmitteln ist reine
Willkür. Wenn dies Schule macht, haben wir keinerlei Rechtssicherheit mehr', sagte
Niemann. Zudem sei einem Verbraucher kaum verständlich zu machen, weshalb die
analytisch nachgewiesene Unbedenklichkeit zur Freigabe der Tiere und damit der
Lebensmittel führt, während die Futtermittel, in denen ebenfalls analytisch nichts
nachweisbar ist, gesperrt bleiben. 'Daran wird deutlich', so das Fazit des
DVT-Präsidenten, 'dass die Verabschiedung immer neuer Vorschriften allein den
Verbraucherschutz noch nicht verbessert. Wenn die staatlichen Organe anfangen, die
wissenschaftlichen und rechtlichen Grundlagen zu ignorieren, wird dies immense
Folgen für die Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt haben. Die Behörden wären
gut beraten, sich auf nachvollziehbare, eindeutige Kriterien zur Kontrolle und
Risikobewertung zu besinnen, effiziente Informationssysteme zu etablieren und
Zuständigkeiten klar untereinander zu regeln'.

Links zum Thema Agrarpolitik.

 


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