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@grar.de Aktuell - 21.11.2001

Erfahrungsbericht: Aus Tierschutzgründen nicht mehr Ökobauer


(AHO/ISN) - Landwirt Jürgen Donhauser berichtet über seine
Erfahrungen mit der ökologischen Schweinehaltung:

'Nachdem ich selbst meinen Betrieb seit 9 Jahren den Ackerbau und 5 Jahren die
Zuchtsauenhaltung ökologisch bewirtschafte, kann ich vor einem Wechsel nur
eindringlich warnen. Ich bin mit der 'Öko-Generation' aufgewachsen, und wurde
durch Schule und Medienberichte in Richtung Öko-Ideologie beeinflusst.
Mittlerweile haben aber meine Frau und ich so viele negativen Erfahrungen machen
müssen, dass wir heute der Ansicht sind: Öko hat nichts mit Natur- oder Tierschutz
zu tun, sondern ist schlichtweg ein hart umworbenes Marktsegment. Aus meiner
Erfahrung ist der Ackerbau relativ einfach umzustellen und mit staatlicher
Subvention (KuLaP-Prämie) durchaus gewinnbringend zu betreiben.

Produktionsprobleme entstehen hauptsächlich durch die Distel und Quecke. Die
Bekämpfung ist bei der Quecke durch intensivste Bodenbearbeitung möglich. Dies ist
aber durch hohen Energieeinsatz sehr kostspielig und zerstört zudem die
Bodenstruktur und den Humushaushalt. Eine effektive Bekämpfung dieser
Problemunkräuter ist deshalb nur durch eine veränderte Fruchtfolge zu schaffen.
Bei Ackerbau- und Schweinebetrieben ist dies aber durch fehlende
Verwendungsmöglichkeit von Kleegras, Mais usw. betriebswirtschaftlich nicht zu
rechtfertigen.

Bei der Zuchtsauenhaltung dagegen stellt sich die ökologische Wirtschaftsweise als
absoluter Irrweg dar. Durch unsere eigenen Erfahrungen können wir heute sagen, die
Öko-Sauenhaltung ist weder gesünder noch artgerechter. Im Gegenteil die Anzahl der
verkauften Ferkel pro Sau ist um 30 Prozent gesunken und die Tierarztkosten haben
sich verdoppelt. Hauptgrund dafür waren die schlechten Haltungsformen durch
Öko-Anforderung (Stroheinstreu) und die Bio-Futterkomponenten. Bei einer
Futteruntersuchung des Tiergesundheitsdienstes Bayern wurde das Stroh (obwohl
optimal geerntet) als mikrobiell verdorben beurteilt. Die zugekaufte Futtergerste
(eine von Lammsbräu wegen zu hohen Eiweißgehalt abgelehnte Braugerste) wies so
hohe Schimmelpilzgehalte auf, dass sie für uns nicht mehr als Futter verwertbar
war und entsorgt werden musste. Im Laufe der Jahre erwies sich dies nicht als
Einzelfall, sondern als generelles Problem. Die kleinstrukturierte
Ökolandwirtschaft bringt mit sich, dass kleine Betriebe eben nun mal keine
Getreidereinigung und Trocknung haben, und die Lagerhaltung aus Provisorien
bestehen. Wenn auch auf dem Feld der Pilzgehalt am Getreide nicht höher ist als an
konventioneller Ware, so wird aber anschließend durch die Mit-Einlagerung der
verstärkt vorhandenen Unkrautsamen eine optimale Umgebung für Schimmelpilze
geschaffen. Dies konnten wir durch Laboruntersuchungen eindeutig nachweisen. Im
Stroh wirkten sich die vermehrte Anzahl an Unkräuter ebenso negativ aus, obwohl
beim Stroh wie bei der Heuwerbung vorgegangen wurde (mehrmaliges wenden bei Hitze
usw.). Der hohe Pilztoxingehalt konnte sogar im Blut der Sauen nachgewiesen werden
und führte zur allgemeinen Immunschwäche. Die Sauen waren nicht mehr in der Lage
kleine Infektionen abzuwehren und erkrankten wegen jeder Kleinigkeit.

Totgeburten, Lahmheit, Gesäugeentzündungen usw. standen auf der Tagesordnung. Die
vorgeschriebene Gruppenhaltung der Sauen auf Stroh führten zum Supergau in der
Herde. Infektionen (Leptospieren und Clamydien) breiteten sich in der
angeschlagenen Sauenherde rasend schnell aus, und konnten sich vor allem in den
Sommermonaten auf dem Festmist wie auf einer Nährlösung explosionsartig vermehren.
Auch kleine Verletzungen durch 'natürliche' Rangkämpfe der Sauen untereinander,
entwickelten sich zu massiven Wundinfektionen bis hin zur Blutvergiftung. Durch
den Milchmangel der Zuchtsauen nach der Geburt haben sich die Ferkel beim Kampf um
die wenige Milch mit ihren Zähnen gegenseitig derart verletzt, dass anschließende
Streptokokken-Infektionen die halbe Gesichtshälfte der Ferkel verfaulen ließen.
Nur massiver Antibiotikaeinsatz und die anschließend erteilte Ausnahmegenehmigung,
den Ferkeln die Zähne abschleifen zu dürfen, konnten die Verluste in Grenzen
halten. Schwänze durften nicht kupiert werden, was sich aber nicht als Problem
darstellte, sie fielen einfach von alleine ab. Der Toxingehalt in der Muttermilch
führte bereits bei Saugferkel zu absterbenden Schwanz- und Ohrenspitzen. Was sich
hier lustig liest war uns die Hölle. Umrauscher mit eitrigen
Ausfluß, Verferkeln, Totgeburten und Lahme brachten uns zu der Erkenntnis, das
ökologische Tierhaltung nichts mit Tierschutz zu tun hat. Es bleibt mir auch heute
noch ein Rätsel wie man eine gewissenhafte und gründliche Parasitenbekämpfung bei
vorgeschriebener Gruppenhaltung mit Auslauf vollziehen soll.

Eine Unterbrechung der Wurm-Infektionskette ist unmöglich, bei einer
Überlebensdauer der Wurmeier von mehreren Jahren auch im Freien. Die
Schlachtergebnisse bestätigen diese Vermutung. Bei einer
Bio-Mastschweinanlieferung am Schlachthof Pfarrkirchen letzten Jahres konnte bei
80 Prozent der Tiere die Leber und Lunge nicht verwertet werden, weil die
Verwurmung so extrem war. Bei der Auslieferung unserer Ferkel an die Biomäster
wurde uns klar, dass Missstände in der Bioschweinehaltung extreme Ausmaße
angenommen hatten. Die Ausnahmegenehmigungen für Bio-Schweinehaltung war die Regel
geworden. Sogar in ehemaligen Autogaragen mit miserablen Licht- und
Luftverhältnissen wurden Bio-Mastschweine erzeugt, Hauptsache die obligatorische
'Öko-Stroheinstreu' war vorhanden.

Der Tropfen der das Faß zum überlaufen brachte, waren die chaotischen
Vermarktungsverhältnisse. Bei den Anfangsberatungen wurden uns ein dynamischer
Markt in Aussicht gestellt mit Ferkelpreisen 20 kg von 115 - 127 DM. In der
Realität stellte sich aber heraus, das der Absatzmarkt für Öko-Mastschweine sehr
begrenzt und dadurch anfällig war. Durch Überproduktion wurden die Bio-Mäster
schließlich zum Aufstallungs-Stop aufgefordert. Schlagartig brach der Absatzmarkt
für unsere Bio-Ferkel zusammen. Die wenigen Mäster die trotzdem aufstallten,
verlangten von uns billigere Preise. Bei einer Jahresauswertung stellte sich
heraus, dass wir nur mehr 25 Prozent der Ferkel zum vollen Biopreis verkaufen
konnten, unsere Auflagen und damit teuere Öko-Produktion mussten wir aber
weiterhin voll erfüllen.Ein Umstand, der uns schließlich veranlasste zu kündigen.

Fazit: Öko hat im Sauenbereich nichts mit den Begriffen langfristig, tiergerecht,
umweltgerecht zu tun. Es ist ein Marktsegment, mit willkürlich festgelegten
Erzeugerrichtlinien. Öko-Zuchtsauenhaltung ist nur für Kleinstbetriebe zu
empfehlen, die nicht aus Einkommensüberlegungen sondern auf fraglichen Idealismus
diesen Weg beschreiten. Denn kleine Sauenherden, haben generell einen höheren
Immunstatus und könnten somit leichter mit der 'tiergerechten'(?) Haltungsform
fertig werden.

(Quelle: Interessengemeinschaft der Schweinehalter Nord-Westdeutschland,
ISN)

Links zum Thema Bio-Landbau,
Links zum Thema Schweine

 


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