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@grar.de Aktuell - 01.11.2001

BBA: Naturschutz für Hecken und Feldraine


Berlin (agrar.de) - Flimmert die heiße Sommerluft über dem Getreidefeld, duften
die Wildrose in der Hecke und die Kräuter am Feldrain, dann wimmelt es von
Hunderten von Insekten und Spinnen. Diese für Pflanzen und Tiere wertvollen Ränder
von Feldern und Wiesen nehmen 4 Prozent unserer landwirtschaftlichen Fläche in
Deutschland ein. Sie strukturieren unsere Landschaft ganz erheblich. Deshalb
müssen sie stärker geschützt werden, nicht nur um den allgemeinen
Naturschutzgedanken zu fördern, sondern auch, weil sie dem Landwirt nützen. Die
landschaftsgestalterische Arbeit der Landwirte muss mehr gewürdigt werden.

Das Netz von Hecken und anderen Feldsäumen wird von der Biologischen Bundesanstalt
für Land- und Forstwirtschaft (BBA) nach neuesten Berechnungen auf eine
Länge von etwa 2 Millionen Kilometern geschätzt. Die naturbelassenen Flächen
umfassen etwa 1,7 Millionen Hektar. Darin sind auch Feldgehölze, kleine Wiesen,
Sümpfe und Moore enthalten, die von Feldern eingeschlossen werden.

Nun ist Hecke nicht gleich Hecke und Feldrain nicht gleich Feldrain. Die Ränder
der landwirtschaftlichen Nutzflächen stellen sehr vielfältige Saumbiotope dar, auf
deren Eigenheiten besonders eingegangen werden muss, wenn sie richtig geschützt
werden sollen. An Feldrainen stehen häufig auch Kräuter aus dem Acker, wie
Klatschmohn und Kornblume, während bei Wiesen- und Waldrändern der Anteil
mehrjähriger Kräuter höher ist. Wegraine werden häufig von landwirtschaftlichen
Fahrzeugen befahren, die Pflanzen müssen also 'trittfest' sein.

Früher von Schafen beweidet, heute wird gemäht

Früher wurden die Raine regelmäßig mit Schafen beweidet, heute müssen sie ein- bis
zweimal im Jahr gemäht werden, um ihre Verbuschung zu verhindern. Die Flächen
dürfen aus falschverstandenem Naturschutzdenken nicht einfach sich selbst
überlassen werden. Wird der Wegrand nicht regelmäßig gemäht, so wachsen sehr
schnell Schlehen, Heckenrosen und Büsche, die die Landschaft völlig verändern
würden. Der Landwirt hat landschaftsarchitektonische Aufgaben übernommen, die
selten wahrgenommen werden. Dr. Stefan Kühne von Institut für Integrierten
Pflanzenschutz der BBA in Kleinmachnow: 'Naturschutz und Landwirtschaft müssen
aufeinander zugehen und einander verstehen, damit die heutige Kulturlandschaft
erhalten bleibt'.

Kühne hat sich intensiv mit den Arten- und Individuenzahlen in den Saumbiotopen
beschäftigt, die im Feldrain und am äußersten Rand von Hecken besonders hoch sind.
Spinnen und Insekten treten in hoher Anzahl auf. Das dunkle Heckeninnere wird
demgegenüber als Nistmöglichkeit von Vögeln und als Versteck für verschiedene
Säugetierarten genutzt. Generell nimmt mit stark steigender Pflanzenartenzahl auch
die Zahl der Tiere zu. Schmale, gräserbetonte Säume beherbergen weniger Arten und
sind geringer zu bewerten als kombinierte Rain-Gehölzstrukturen.

Umfangreiche Untersuchungen der Biologischen Bundesanstalt in Zusammenarbeit mit
den Bundesländern belegen, dass Saumstrukturen grundsätzlich durch Abdrift von
Pflanzenschutzmitteln gefährdet sein können. Der Landwirt muss sie fachgerecht
anwenden, bei Windgeschwindigkeiten über 5 m/sec darf nicht mehr gespritzt werden.
In 90 Prozent der Fälle kommt bereits in einem Abstand von 1 m vom Feldrand nur
noch 3 Prozent der aufgewendeten Spritzmittelmenge an. In 5 m Abstand sind es
schon weniger als 1 Prozent. Kühne hat exemplarisch die Auswirkungen auf unsere
heimischen Heuschrecken untersucht und gezeigt, dass die Heuschreckenzahl nach
einer Belastung nur kurzfristig abnimmt. Schon 14 Tage später konnte kein
Unterschied mehr zwischen dem 1 m – Bereich des Saumes mit
Pflanzenschutzmittelbehandlung und einer nicht behandelten Kontrolle festgestellt
werden.

Abstände zu Gewässern

Viele Felder grenzen auch an Gewässer. Dabei müssen Landwirte teilweise erhebliche
Abstandsregelungen beachten, wenn sie ein Pflanzenschutzmittel einsetzen wollen.
So gibt es beispielsweise Mittel, bei denen Abstände bis zu 150 m zwischen Acker
und Gewässer vorgeschrieben sind. Im Institut für Ökotoxikologie und Ökochemie im
Pflanzenschutz der BBA wurden Hecken als Abgrenzungen getestet, ob die Abdrift von
Pflanzenschutzmitteln verringert werden kann. Prof. Dr. Wilfried Pestemer, der
Leiter des Instituts: 'Wie erwartet, waren hinter der Hecke die gemessenen
Konzentrationen so gering, dass sie keine oder nur sehr geringe Effekte
aufwiesen'. Die Biotests mit Algen, Mückenlarven, Wasserflöhen und auch Raubmilben
bestätigten dies. Heute können Hecken Schutzschirme zwischen den Äckern und
angrenzenden Gewässern bilden. Zukünftig muss nach Wegen gesucht werden, auch
diese Säume noch besser zu schützen.

Prof. Dr. Volkmar Gutsche vom BBA-Institut für Folgenabschätzung im Pflanzenschutz
hat berechnet, wie hoch der Anteil naturbelassener Flächen sein muss, damit sich
Insekten und Spinnen stark vermehren und schnell wieder die gleiche Anzahl
erreichen können wie vor einer Spritzung. Gutsche: 'Je höher die Intensität der
Landwirtschaft ist, umso größer muss der Anteil naturnaher Biotope sein, um
nachhaltige Effekte auf die Natur zu vermeiden.' Der Vergleich zwischen den beiden
Flächen führt zu aufschlussreichen Karten. In der Magdeburger und der Hildesheimer
Börde mit fruchtbaren Lehmböden sind
relativ wenig Hecken und häufig nur schmale Feldraine vorzufinden. Diese
Landschaften gelten als 'ausgeräumt'. Ebenso erfüllen die Grünlandgebiete an den
Küsten mit reiner Viehzucht die Mindestanforderungen nicht. Auch die
Weinbaugebiete im Süden sind auf Gutsches Karten gefährlich rot gefärbt. Die
vielfältigen naturbelassenen Strukturen wiegen die hohe Intensität nicht auf. Hier
ist die Frage, ob historisch gewachsene Strukturen verändert werden sollten.

Die Untersuchungen der Biologischen Bundesanstalt zeigen die ungeheure Komplexität
unserer Kulturlandschaft, dem Zusammenspiel von intensiver Landwirtschaft und dem
Naturschutz. Die meisten Menschen vergessen, dass wir ohne Landwirtschaft Wälder
in Mitteleuropa hätten, deren Vielfältigkeit viel geringer wäre als es zur Zeit
der Fall ist. Ohne den Landwirt würde unsere Landschaft völlig anders aussehen.
Die Pflegemaßnahmen der Landschaft müssen gewürdigt werden. Andererseits darf die
jetzige Vielfältigkeit nicht einer weiteren Intensivierung zum Opfer fallen. Mit
der Neuregelung des Bundesnaturschutzgesetzes wird der Landwirt verpflichtet,
seine Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln aufzuzeichnen. Ziel ist auch, den
Schutz der Natur, vor allem der Gewässer, noch zu verbessern. Einer Regel stimmen
alle zu: Je weniger gespritzt wird desto besser.

Karte1: Anteil naturnaher Flächen in Deutschland

Karte2: 72 Prozent unserer Agrarräume weisen ein gutes Verhältnis zwischen
naturnahen und intensiv bewirtschafteten Flächen auf


Links zum Thema Landschaft und Natur.

 


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