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@grar.de Aktuell - 30.08.2001

DNR sieht 'Amoklauf' gegen Bundesnaturschutzgesetz


Bonn (agrar.de) - Mit heftigen Angriffen an die Adresse des vom Deutschen
Bauernverband (DBV) angeführten Bündnisses gegen den Entwurf des
Bundesnaturschutzgesetzes reagierte heute in Berlin der Deutsche Naturschutzring
(DNR). Wer wie der Bauernverband, die Ernährungswirtschaft, Industrie,
Gewerbe, Handwerk und Kommunale Spitzenverbände gegen das von Bundesumweltminister
Trittin geplante neue Bundesnaturschutzgesetz 'Amok laufe', verkenne nicht nur die
Notwendigkeit für den Erhalt der biologischen Vielfalt, sondern auch die großen
Chancen der eingeleiteten Agrarwende für die bäuerliche Landwirtschaft und den
Vertragsnaturschutz. 'Anstatt die Naturschützer als Partner zu begreifen, blasen
die Funktionäre des Bauernverbandes zum Angriff', monierte DNR-Präsident Hubert
Weinzierl.

Bei der Pressekonferenz hat der DNR ein neues Naturverständnis hat gefordert.
Unter dem Motto 'Abenteuer Wildnis, Sehnsucht Wildnis' soll die Natur weitgehend
sich selbst überlassen werden. Bei der anstehenden Reform des
Bundes-naturschutzgesetzes ist als neue Zielbestimmung 'der Schutz der Natur um
ihrer selbst willen' einzuführen, so der DNR.

'Nirgendwo auf der Welt gibt es eine penetrantere Ordnung in Wäldern, Flüssen und
Feldwegen, als bei uns. Wir haben eine Zivilisationslandschaft, die aus
Amtsstuben- und Reißbrettgehirnen kommt und nichts mehr mit Kultur und schon gar
nicht mit freier Natur zu tun hat', betonte Weinzierl.

Amphibientümpel in Auffahrtsschleifen, Sukzessionsflächen an Autobahnböschungen,
Ausgleichszahlungen bei Hochspannungsleitungen, Ankauf von Biotopen bei neuen
Verkehrsstrecken und Gewerbegebieten können Eingriffe in den Naturhaushalt
meistens nicht ausgleichen. Ein Verlust an Freiflächen wäre nur dann ersetzbar,
wenn woanders eine flächengleiche Entsiegelung stattfindet. Wo aber werden
beispielsweise alte Straßentrassen aufgerissen? In der Regel wird die ehemalige
Straße neben der neuen liegengelassen und die wenigen Biotope dazwischen werden
zur Todesfalle für alles Lebendige, das sich dazwischen ansiedelt.

Das heutige Kulturverständnis, das zunehmend die ganze Erde in den Griff nimmt,
kann offenbar Mensch und Schöpfung nicht versöhnen, da es einzig und allein den
Menschen zum Maß aller Dinge erhebt. 'Wir brauchen wieder einen Hauch von Wildnis
in Deutschland, damit wir uns nicht ganz von der Natur entfernen', sagte
Weinzierl. Braunbär, Wolf und Luchs müssen bei uns ebenso heimisch werden, wie der
Pirol und die Nachtigall, wie Haselnusshecken, Erlenbrüche, Wacholderhänge,
Pionierwälder in von Borkenkäfern zerstörten Fichtenmonokulturen oder
Flusslandschaften mit einigen Hunderttausend Hektar Auen zum Schutz gegen
Hochwasser.

Natürlich müssen klassische Trockenrasen oder Niedermoore offengehalten werden,
weil dort Tier- und Pflanzenarten leben, für die es keine anderen Lebensräume
gibt. Dies gilt auch für Streuobstwiesen. 'Auf Dauer können wir uns aber schon aus
Kostengründen die bisherige Pflegeeuphorie von Natur und Landschaft nicht mehr
leisten', meinten die DNR-Vertreter.

Der bisherige Umgang mit der Natur hat nicht dazu geführt, die biologische
Vielfalt zu bewahren, beklagte DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen. Die
sogenannten Roten Listen zeigen. in welchem Umfang Flora und Fauna in Deutschland
bedroht sind. Danach sind 79 Prozent der Kriechtiere, 70 Prozent der
Fische/Rundmäuler, 62 Prozent der Lurche, 46 Prozent der Säugetiere, 33 Prozent
der Brutvögel, 44 Prozent der Flechten, 35 Prozent der Moose und 27 Prozent der
heimischen Farn- und Blütenpflanzen ausgestorben oder bestandsgefährdet. 15
Prozent der Biotoptypen sind von vollständiger Vernichtung bedroht, 33 Prozent
stark gefährdet und weitere 20 Prozent gefährdet. Mit 120 ha pro Tag ist der
Landschaftsverbrauch in Deutschland viel zu hoch. Nur noch auf 22 Prozent Prozent
der Fläche gibt es unzerschnittene verkehrsarme Räume. Absolut enttäuschend sind
mit durchschnittlich 6,4 Prozent der Landesfläche die gemeldeten FFH-Gebiete der
Bundesländer. Spanien, Griechenland und Dänemark weisen über 20 Prozent ihrer
Fläche aus!

Mehr in den Vordergrund gerückt werden muss die bisher völlig unterschätzte Rolle
von Natur und Landschaft als Standortfaktor. 'Natururlaub in Deutschland wird den
Inlandstourismus populärer machen', prophezeite Röscheisen. Mit einer vom
Bundesumweltministerium unterstützten Vermarktungsinitiative attraktiver
Urlaubsangebote im Umfeld von Nationalparken, Biosphärenreservaten und Naturparken
soll die Anzahl von 58,5 Millionen Urlaubsreisen Deutscher im Inland mit den 62
Mio. im Ausland, jeweils Stand Ende 2000, gleichziehen. Allein der boomende
Fahrradtourismus trägt mit 10 Milliarden DM Umsatz jährlich immer spürbarer zu den
touristischen Gesamtausgaben von 275 Milliarden DM (Stand 1995) bei. Hier gibt es
ebenso wie beim Wander- und auch beim Wassersporttourismus große Wachstumschancen,
sofern die vom DNR vorgeschlagenen bundesweiten Service- und Koordinierungsstellen
dafür eingerichtet werden.

Links zum Thema Landschaft und Natur.

 


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