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@grar.de Aktuell - 14.05.2001

Bioland/Demeter: Ein Prüfzeichen für alle Öko-Produkte

EU-Verordnung 2092/91 als Standard?


Mainz/Darmstadt (agrar.de) - Die Bioanbauverbände Demeter und
Bioland wollen mit einer gemeinsamen Initiative für ein erfolgreiches
Öko-Prüfzeichen das gesellschaftliche Anliegen der Agrarwende mitgestalten. Hier
das dazu veröffentlichte Positionspapier der Anbauverbände im Wortlaut:

Ökolandbau findet in der Bevölkerung bereits heute eine große Akzeptanz.
Ökolandbau muss jedoch auch am Markt auf breiter Ebene zum Durchbruch verholfen
werden. Um diesen Durchbruch erfolgreich gestalten zu können, bedarf es eines
abgestimmten Aktionsprogrammes Ökolandbau. Eine zentrale Rolle wird hier in die
Kennzeichnung von Ökoprodukten für VerbraucherInnen einnehmen.

Das hier vorgetragene Konzept bezieht sich in seinen Aussagen auf die Gestaltung
eines Prüfzeichens für Ökoprodukte. Es soll zum einen die bereits heute
wirtschaftenden Ökobetriebe durch eine klare Marktausweitung stärken und weiteren
heute konventionell wirtschaftenden Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit
eröffnen, auf ökologischen Landbau umzustellen.

In der hier vorliegenden Stellungnahme gehen Bioland und Demeter von vier Thesen
aus. Diese Thesen bauen auf einer Diskussion des Aktionsbündnisses Ökolandbau auf,
die am 22. März 2001 mit Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen geführt
worden ist.

Klarheit für alle VerbraucherInnen

Damit heute ein Prüfzeichen für Ökoprodukte am deutschen Lebensmittelmarkt
etabliert werden kann, müssen bei der Gestaltung dieses Zeichens wesentliche
Grundvoraussetzungen erfüllt werden:

These 1:
Das Zeichen muss für die VerbraucherInnnen einen echten Nutzen bieten, indem sie
an diesem Prüfzeichen unterscheiden können, ob es sich um ein Ökoprodukt oder um
ein konventionell erzeugtes Produkt handelt.

These 2:
Das Zeichen muss so konzipiert sein, dass es sowohl vom traditionellen
Lebensmitteleinzelhandel als auch vom Naturkostfachhandel akzeptiert und
angewendet werden kann und unternehmerische Initiative fördert und nicht
einschränkt.

These 3:
Die Zeichenkonzeption muss dazu beitragen, dass sich das Zeichen ohne großen
Kostenaufwand selbst bekannt macht - durch eine breite Anwendung.

These 4:
Das Zeichen muss möglichst schnell etabliert werden können und hohe Transparenz
bieten


Zu These 1.: .... ein Prüfzeichen für alle Ökoprodukte .....

Das Zeichen muss klar zwischen Öko-Produkten und ‚Nicht-Ökoprodukten'
unterscheiden. Das heißt, dass mit dem Zeichen prinzipiell alle Ökoprodukte
ausgezeichnet werden müssen, die in Deutschland als Ökoprodukte gehandelt werden
können. Nur so ist Klarheit für VerbraucherInnen zu schaffen.

Stimmt man dieser Grundannahme zu, so hat dies unmittelbare Konsequenzen auf die
Richtlinien, die diesem Prüfzeichen zu Grunde gelegt werden. Dies kann nur die
EU-Verordnung 2092/91 sein, da alle Produkte, die im Sinne der Verordnung erzeugt
wurden, als Ökoprodukte in Deutsch-land gehandelt werden.

Basiert das Prüfzeichen auf einem darüber hinausgehenden Standard, schließt dies
die Kennzeichnung vieler Ökoprodukte aus. Das Zeichen würde versuchen, den
Unterschied zwischen 'guten Öko und weniger gutem Öko' zu kommunizieren. Das
Zeichen kann sich so nicht von alleine durchsetzen, da es insbesondere in
Konkurrenz zu Eigenmarken tritt und die Gestaltung eines umfangreichen
Gesamtsortimentes im Handel erschwert. Es würde hoher Kostenanstrengungen
bedürfen, um das Zeichen am Markt so bekannt zu machen, das die Zeichennutzung aus
Marktgründen in Deutschland für alle Wirtschaftsbeteiligten unumgänglich wäre.

Die Kernaussage des Prüfzeichen muss sein: 'Dies ist ein Ökoprodukt'. Was sich mit
dem Begriff 'Öko' im Sinne der EU-Verordnung verbindet, stellt in einigen Punkten
eine echte Herausforderung für Erzeuger in Deutschland dar. In einigen Punkten
bedarf die Verordnung u.E. der Nachbesserung. Dies muss in den kommenden zwei bis
drei Jahren intensiv auf europäischer Ebene in Angriff genommen und umgesetzt
werden.

Zu den Thesen 2 und 3:
... akzeptiert von allen Wirtschaftsbeteiligten .. bei minimalem Kostenaufwand

Das bisherige Konzept eines ÖPZ ist weder vom traditionellen
Lebensmitteleinzelhandel noch vom Naturkostfachhandel akzeptiert worden. Zwei
Fachgutachten zum ÖPZ haben vor allem drei Haupthemmnisse benannt, die einen
Erfolg des ÖPZ ausgeschlossen haben:

1. Zu hohe Kosten für Zeichennutzer
2. Zu komplizierter Vergabemodus
3. Zu hoher Richtlinienstandard

Die Hemmnisse können ausgeschlossen werden, indem das neue Ökoprüfzeichen
automatisch für alle Produkte verwendet werden darf, die in Deutschland als
Ökoprodukte gehandelt werden/sprich geprüft sind.

Damit wären folgende Vorteile verbunden:

1. Es fallen keine zusätzlichen Kosten an
2. Es entsteht kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand - keine Verträge, keine
zusätzliche Zertifizierung, keine Verfügbarkeitsprüfung von Ware etc.
3. Sowohl Ökoware aus Deutschland, aus EU-Staaten und aus Drittlandstaaten kann
ohne Probleme gekennzeichnet werden.
4. Als Basiszeichen für Ökoprodukte kann auf dessen Grundlage unternehmerische
Initiative über die Ausgestaltung von Eigenmarken erfolgen, die zielgruppen-,
verkaufsstätten- und produktspezifische Marketingkonzepte zulassen.
5. Durch eine unkomplizierte Verbreitung steigt die Bekanntheit rasch an.
Verbraucher erkennen an dem Zeichen ob 'Öko oder nicht'. Damit können vor allem
Gelegenheitskäufer angesprochen und Märkte ausgeweitet werden. Dies hat Vorteile
für den gesamten Lebensmitteleinzelhandel.

Mit dem Konzept ist jedoch der Nachteil verbunden, dass an die Nutzung des
Prüfzeichens keine Förderung geknüpft sein kann. Förderung bedeutet, bestimmte
Produkte zu unterstützen und andere nicht. Hier liegt jedoch ein Grundproblem.
Sollen alle Ökoprodukte gekennzeichnet werden, so können keine Ökoprodukte
ausgeschlossen werden. Werden Ökoprodukte aus fördertechnischen Gründen
ausgegrenzt, so kann das Prüfzeichen nicht eindeutig zur Kennzeichnung aller
Ökoprodukte dienen.

Förderung deutscher Ökoprodukte

Die Förderung von Ökoprodukten deutscher Erzeugerbetriebe sollte nicht an die
Vergabe eines Prüfzeichens geknüpft sein. Vielmehr können – unter Verwendung eine
Basis-Prüfzeichens – gezielt Marketingmaßnahmen entwickelt werden. Hier haben sich
in der Vergangenheit insbesondere zentral-regionale Marketingmaßnahmen der CMA
bewährt. Auch in Zukunft wäre hier eine besondere Rolle der CMA zu sehen. Da ein
Großteil der in Deutschland erzeugten Ökoprodukte höheren Qualitätsmaßstäben als
der in der EU-VO 2092/91 festgelegten genügt, bieten sich hier Möglichkeiten,
besondere Zusatznutzen für VerbraucherInnen zu bewerben. Selbstverständlich muss
auch hier das Basis-Prüfzeichen mit kommuniziert werden, um das
VerbraucherInnnenvertrauen grundsätzlich zu stärken.

Zu These 4.: .... möglichst sofort und möglichst transparent

Wenn jedes in Deutschland handelbare Ökoprodukt mit dem Basis-Prüfzeichen versehen
werden kann, können Hersteller und Handel, neben einer Prüfung des Produktes durch
eine Ökokontrollstelle, ohne jeden weiteren Verwaltungsaufwand sofort das Zeichen
verwenden und in ihre Marketingkonzepte einbeziehen – kostenlos.

Im Sinne eines Stufenkonzeptes gilt es, in 'Stufe 1' ein Prüfzeichenkonzept
vorzulegen, das von allen Wirtschaftsbeteiligten akzeptiert wird. In 'Stufe 2' ist
an der Anhebung des Ökostandards der EU-VO 2092/91 auf europäischer Ebene zu
arbeiten.

Im Gegensatz zu einer 'emotional aufgeladenen Marke' muss ein Prüfsiegel rein
sachlich auftreten und nach klaren Kriterien Produkte kennzeichnen.(Beispiel: Ein
Wollsiegel in einem Pullover der Marke Hugo Boss). Als Grundlage kann der
europaweit gültige Standard für Ökoprodukte kommuniziert werden. Darüber hinaus
hat die Politik die Möglichkeit klarzustellen, dass a) an der Erhöhung des
Standards gearbeitet wird, und b) im Rahmen eines Aktionsprogramms Ökolandbau zur
Ausweitung des Ökolandbaus in Deutschland beigetragen wird – und vor allem, dass
nun ein einheitliches Prüfsiegel für alle Ökoprodukte in Deutschland existiert.

Schlussbemerkung:

Vor dem Hintergrund o.g. Ausführungen sprechen Bioland und Demeter

- für weniger staatliche Finanzierung des Zeichens und für ein Zeichen, das die
Kraft hat, den Markt selbst zu durchdringen
- für ein Zeichen, das einfach zu administrieren ist
- für eine klare Förderung des Absatzes deutscher Ökoprodukte durch mehr
zentral-regionale Marketingprojekte mit klaren Kommunikation der Vorzüge und
Vorteile von ökologisch erzeugten Lebensmitteln
- für einen offenen europäischen Markt und gegen Protektionismus

Bioland und Demeter wenden sich gegen

- komplizierte Vergabe- und Zertifizierungsstrukturen mit hohen administrativen
Aufwand
- Konzepte, die einen hohen finanziellen Aufwand benötigen, um erfolgreich wirken
zu können
- Einen Zeichenstandard, der nicht alle Ökoprodukte umfasst, die VerbraucherInnnen
in Deutschland angeboten werden
- Nischenkonzepte, die dem Ökolandbau die Chance nehmen, tatsächlich eine
relevante Bedeutung in Deutschland zu erlangen

Information: Bioland – Bundesverband, Kaiserstr. 18, 55116 Mainz, Tel.:
06131-23979–14, Fax.: 06131-23979-27, E-Mail; Demeter Bund,
Brandschneise 2, 64295 Darmstadt, Tel.: 06155-84690, Fax: 06155-846911,
E-Mail

 


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