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@grar.de Aktuell - 09.05.2001

FAO warnt vor Pestizid-Müll


Rom (agrar.de) - Mehr als eine halbe Million Tonnen Pestizid-Giftmüll bedroht in
fast allen Entwicklungsländern sowie in vielen Staaten des ehemaligen Ostblocks
die Gesundheit von Millionen von Menschen und die Umwelt. Dies geht aus einem
neuen Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten
Nationen (FAO) hervor (*). Die neuen Angaben sind dramatisch höher als
alle früheren Schätzungen, die sich auf rund 100.000 Tonnen beliefen. Bei dem Müll
handelt es sich um alte, nicht mehr benutzbare Schädlingsbekämpfungsmittel, die
zum Beispiel in vielen Ländern längst verboten sind oder deren Verfallsdatum
abgelaufen ist.

In Afrika und im Nahen Osten wird der Pestizid-Müll auf rund 100.000 Tonnen
geschätzt, in Asien auf über 200.000 Tonnen und in Osteuropa und den Staaten der
ehemaligen Sowjetunion auf ebenfalls über 200.000 Tonnen. Für Lateinamerika liegen
bislang noch keine Angaben vor.

'In vielen Ländern sind die Pestizid-Müllbestände alarmierend hoch', sagte
FAO-Mitarbeiter Alemayehu Wodageneh. 'Dieser 'vergessene' Müll ist extrem
gesundheitsgefährdend und bedroht die Böden und das Grundwasser. Wo
Schädlingsbekämpfungsmittel versickern, können grosse Flächen vergiftet werden,
die dann für den Anbau von Nahrungsmitteln nicht mehr zu gebrauchen sind'.

Der Giftmüll hat sich nach FAO-Angaben in den vergangenen 30 Jahren angesammelt
und wächst weiter an. Es handelt sich dabei um einige der gefährlichsten
Insektenbekämpfungsmittel wie Aldrin, Chlordan, DDT, Dieldrin, Endrin und
Heptachlor, sowie um Organophosphate. Pestizide können nach ihrem Verfallsdatum in
andere Substanzen zerfallen, die oft giftiger
sind als das ursprüngliche Produkt. Ausser Chemikalien gehören noch verseuchte
Spritzgeräte, leere Pestizidtonnen, Kartons und Mengen an hochverseuchten Böden zu
den Altlasten.

Der Giftmüll lagert oft in der Nähe von Feldern und Brunnen, sowie in Dörfern und
Städten, direkt neben Häusern, Lebensmittelläden und Märkten, so die FAO. Oft
liegen Tonnen mit Pestiziden im Freien, für jeden zugänglich. Es gibt keine
Sicherheitsvorkehrungen. Manchmal wird der Müll in einfachen Lehm- oder
Strohhütten aufbewahrt. Viele Metalltonnen sind verrostet und undicht.

In unmittelbarer Nähe dieser Giftmüllplätze bereiten Menschen ihre Nahrung zu,
spielen Kinder oder grasen Tiere. Es gibt keine genauen Untersuchungen über
Gesundheitsschäden, aber viele Menschen klagen über Kopfschmerzen, Übelkeit und
Atembeschwerden.

Der Pestizidmüll hat sich nach FAO-Angaben angesammelt, da viele Produkte nicht
benutzt und anschliessend nicht beseitigt wurden. Sie blieben als Müll in den
Empfängerländern zurück. Viele afrikanische Länder haben beispielsweise bis Ende
der 80er Jahre bei der Bekämpfung von Heuschrecken Dieldrin benutzt. Als damals
entschieden wurde, Dieldrin nicht mehr einzusetzen, blieben die noch vorhandenen
Bestände als Altlasten zurück.

Im allgemeinen sind Pestizide rund zwei Jahre lang haltbar; unter tropischen
Bedingungen jedoch und bei unsachgemässer Lagerung können sie noch früher
verfallen.

Pestizidmüll entstand auch, weil Behälter nicht beschriftet waren oder
Gebrauchhinweise so verfasst wurden, dass viele Menschen sie nicht verstehen
konnten. Deshalb wurden viele Schädlingsbekämpfungsmittel nicht benutzt.

Internationale Hilfsorganisationen haben oft in guter Absicht
Schädlingsbekämpfungsmittel in die Entwicklungsländer geliefert. In vielen Fällen
aber gab es keine Absprachen zwischen den Organisationen und es wurden zu viele
Pestizide geliefert. In zentralistisch organisierten Ländern wurden Pestizide
zudem unabhängig vom tatsächlichen Bedarf geordert, sie blieben hinterher in
vielen Fällen ungenutzt.

Vielfach waren die Chemikalien auch ungeeignet, um Schädlinge oder Unkraut zu
bekämpfen, und sie wurden deshalb nicht benutzt. Darüberhinaus lässt sich das
Ausmass von Schädlingsplagen oft nur schwer vorhersagen. Besonders bei der
Heuschreckenbekämpfung haben viele Länder Pestizid-Altlasten angehäuft, da manche
Plage weniger schlimm war als ursprünglich befürchtet, und es wurden somit weniger
Pestizide benötigt.

Die grössten Hersteller von Schädlingsbekämpfungsmitteln sind in Europa, USA,
Japan, China und Indien. Der jährliche Umsatz wird auf mehr als 30 Milliarden
Dollar geschätzt. 'Hohe Geldsummen spielen bei der Lieferung von Pestiziden eine
grosse Rolle', hiess es in dem FAO-Bericht. 'Dies kann dazu führen, dass
versteckte Interessen die Entscheidungen über den Kauf von Pestiziden
beeinflussen. Oft stimmen diese Interessen nicht mit den besten technischen
Lösungen zur Schädlingsbekämpfung überein.'

Die Beseitigung von Pestizidmüll ist teuer und wird auf etwa 3 Dollar pro
Kilogramm oder Liter geschätzt. Bislang haben fast ausschliesslich Regierungen und
Hilfsorganisationen für die Aufräumarbeiten bezahlt, darunter die Niederlande,
Deutschland, USA, Schweden sowie die FAO. In Afrika und im Nahen Osten sind bisher
weniger als 3.000 Tonnen Giftmüll
beseitigt worden.

Die FAO unterstützt gegenwärtig die Regierung Äthiopiens dabei, rund 3.000 Tonnen
Altpestizide und hochverseuchtes Bodenmaterial zu beseitigen. Es ist das bislang
grösste Projekt dieser Art in Afrika. Der Giftmüll lagert an rund 900 Stellen, die
über das ganze Land verteilt sind. Der Giftmüll soll zum Verbrennen nach Finnland
gebracht werden. Die Hochtemperatur-Verbrennung ist nach Einschätzung der FAO
derzeit die einzige Möglichkeit, um den Pestizidmüll sicher und umweltgerecht zu
vernichten. Die Aufräumaktion in Äthiopien wird schätzungsweise rund 8 Millionen
Dollar kosten. Bislang stehen erst vier Millionen Dollar zur Verfügung, die von
den Niederlanden, USA und Schweden gezahlt werden.

Die FAO appellierte an die in der Globalen Pflanzenschutzföderation
zusammengeschlossenen Firmen, sich dringend an der Verbrennung von Pestiziden
finanziell zu beteiligen. Die Industrie hat sich in der Vergangenheit dazu
verpflichtet, die Verbrennung zu finanzieren; bisher haben sich die Firmen aber
kaum daran gehalten, so die FAO.

'Die Unterstützung von seiten der Industrie ist auch für zukünftige
Aufräumaktionen besonders wichtig,' sagte Wodageneh. 'Hilfsorganisationen und
Geberländer allein können die Kosten nicht tragen.'

(*) Mitherausgeber des Berichts sind die Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und das UN-Umweltprogramm
(UNEP).

Links zum Thema Pflanzenschutz.

 


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